Café Josty
Das Gedicht bezieht sich auf die von den Gebrüdern Josty in Berlin gegründete Konditorei. Das Josty war bereits sehr früh auch als Künstlercafe bekannt; Heinrich Heine, Joseph von Eichendorff, die Gebrüder Grimm, Erich Kästner, Paul Boldt und Theodor Fontane sind nur einige berühmte Persönlichkeiten, die in dem Etablissement gastierten. Insbesondere Künstler des Expressionismus und der Neuen Sachlichkeiten machten in dem Cafe Halt, um sich vom verkehrsreichen Potsdammer Platz mit seiner Dynamik und Modernität inspirieren zu lassen.
Das Cafe existierte von 1812 bis 1930. Das Gebäude, in dem sich das Cafe Josty befand, wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. Seit 2001 existiert im Sony Center nahe des ehemaligen Standorts ein gleichnamiges Cafe, welches jedoch bis auf den Namen wenig mit dem Vorgänger gemeinsam hat. Es wird vorwiegend von Touristen besucht, während der Berlinale aber auch von Schauspielern.
Inhaltsangabe, Analyse und Interpretation
Das expressionistische Stadtgedicht „Auf der Terrasse des Café Josty“, das von Paul Boldt geschrieben und 1912 erstmals in „Die Aktion“ veröffentlicht wurde, handelt von dem Potsdamer Platz in Berlin, der aus dem Café Josty von dem Lyrischen Ich beschrieben wird.
Bei dem vorliegenden Gedicht handelt es sich um ein Sonett, da es aus vier Strophen besteht, von denen die ersten beiden jeweils vier Verse, die anderen beiden jeweils drei Verse haben. Die erste und die zweite Strophe weisen einen „umarmenden Reim“ und die dritte einen Kreuzreim, der Strophen übergreifend auf die letzte Strophe ist. Außerdem erhält diese noch einen Paarreim am Ende.
Das Gedicht kann man in zwei Sinnabschnitte einteilen. Der erste Sinnabschnitt (V. 1-8) handelt von dem Potsdamer Platz bei Tag und seinen Menschen. In dem zweiten Sinnabschnitt geht es um den Potsdamer Platz bei nächtlichem Regen. Das ist typisch für Sonette1, da es bei ihnen meist einen Einschnitt zwischen den Quartetten und den Terzetten gibt.
Bei der Detailanalyse erkennt man, dass Paul Boldt auf die Lautstärke und die Unruhe der Stadt aufmerksam macht (V. 1: „in ewigem Gebrüll; V. 2-3: „hallende[n] Lawinen der Straßentrakte“). In der zweiten Strophe weist er auf die Hektik, die in Berlin herrscht durch hektische Wörter und ein schnelles Tier, hin (V. 5: „rinnen“; V. 6: „Wie Eidechsen flink“). Diese Hektik wird durch das Reimschema „abba“ unterstützt, weil man durch dieses Schema „gezwungen“ ist die Strophe schneller zu lesen. Die vielen Menschen, die sich auf dem Potsdamer Platz aufhalten, vergleicht Paul Boldt mit Ameisen (V. 6: „Ameisenemsig“), womit gemeint ist, dass ihm die Masse wie ein „Ameisenhaufen“ vorkommt und das somit großes Durcheinander auf dem Potsdamer Platz herrscht. Die Stirne und Hände der Menschen sind „von Gedanken blink“ (V. 7), das heißt, dass die Menschen Gedankenlos sind. Sie denken nicht darüber nach, was sie tun, folgen immer dem gleichen Tagesablauf und interessieren sich nur für sich. Nun folgt ein Vergleich (V. 8: „wie Sonnenlicht durch dunklen Wald“), bei dem die Menschen als Sonnenlicht dargestellt werden die sich ihren Weg durch den dunklen Wald, also die Stadt bahnen. Mit diesem Vergleich will der Dichter nochmals die Geradlinig- und Gedankenlosigkeit der Menschen zeigen, da auch das Sonnenlicht ohne nachzudenken seinen Weg „geht“. In der dritten Strophe spricht der Dichter vom Potsdamer Platz bei nacht und Regen. Er beschreibt den Platz als „Höhle“ (V. 9), was diesen noch dunkler und kälter wirken lässt. Außerdem folgt im nächsten Vers wieder ein Tier (V. 10: „Wo Fledermäuse, weiß, mit Flügeln schlagen), die Fledermaus, die mit ihren Flügeln schlägt. Wie schon bei den ersten Tieren soll auch dieses wieder die Menschen darstellen, die nichts sehen (Fledermäuse können auch nicht sehen!) beziehungsweise nichts sehen wollen. Nun scheint es auf den ersten Blick, als wolle der Dichter mit den Farben „weiß“ (V. 10) und „lila“ (V. 11) Harmonie in das Gedicht bringen. Liest man allerdings weiter, erkennt man, was gemeint ist: mit den „lila Quallen“ (V. 11) und den „bunten Ölen“ (V. 11) sind die Öle gemeint, die aus den Fabriken und von den Autos kommen. Im letzten Vers schreibt Boldt vom „Rauch der Nacht“ womit der Rauch der Fabriken gemeint ist. Das soll zeigen, dass die Fabriken selbst nachts geöffnet sind und die Menschen auch nachts arbeiten müssen. Auch in diesem Vers gibt es wieder einen Vergleich (V. 14: „wie Eiter einer Pest“), der Berlin und das nächtliche Arbeiten als Krankheit darstellt. Die Großstadt Berlin macht die Menschen krank.
Die vielen Vergleiche (V. 6; 8; 14) sind typisch für ein expressionistisches Stadtgedicht. Die Vergleiche machen die Hektik aus der Großstadt deutlich. Auch die Farben Rot und Schwarz (V. 8: „Sonnenlicht“; „Rauch“), die zwar nicht direkt genannt, aber vom Leser assoziiert werden, die düstere Stimmung (V. 8: „ Nachtregen“; „dunklen Wald“), die Menschenmassen (V. 6: „Ameisenemsig“) sind typisch für diese Zeit. Außerdem werden Stadt und Menschen dreckig dargestellt (V. 4: „Menschenmüll“; V11: „bunte Öle“).