Inhaltsangabe, Analyse und Interpretation
In dem Gedicht „Morgens“, geschrieben um 1914 von Jakob van Hoddis, geht es um eine Großstadt, die vor der Selbstzerstörung durch Mechanisierung und Industrialisierung steht.
Jakob van Hoddis warnt mit dem Gedicht „Morgens“ davor, wie sehr Industrialisierung und Mechanisierung Einzug in unser Leben gefunden haben, sodass eben jene eine Gefährdung des Individuums in der Großstadt laut van Hoddis darstellt.
Um diese Aussage zu unterstützen, bedient sich der Autor „erdrückender“ Adjektive und Verben, z. B. in Vers 1: „starker“ Wind oder in Vers 5: Auf Dämmen „donnern“ Züge.
Durch „starke“ Adjektive und Verben wird so eine erdrückende und auch lebendige Stimmung aufgebaut, die die Gesamtaussage des Gedichts unterstützt.
Eine Ausnahme bildet jedoch Vers 6: „Durch Wolken pflügen goldene Engelflüge.“ Dieser Satz, umgeben von Vernichtung (Vers 1-3) und Industrialisierung (Vers 8), drückt eine noch mögliche Verbesserung beziehungsweise Hoffnung auf Verbesserung aus, dass eben die Industrialisierung, also die „Zerstörung“ in diesem Gedicht, nicht den Untergang bedeutet.
Der Autor, van Hoddis, verwendet also bis einschließlich Vers 13 eine düstere, dunkle, bewegte und erdrückende Wortwahl mit Ausnahme von Vers 6.
Ab Vers 14 jedoch ändert sich plötzlich die Stimmung des Gedichts: Sozusagen ein „Einschnitt“ in das Gedicht, von Zerstörung beziehungsweise Industrialisierung hin zu friedvoller Natur. Es ist ein deutlicher Kontrast zwischen diesen beiden „Teilen“ des Gedichts zu erkennen. Van Hoddis verwendet im Abschnitt von Vers 14 – 18 zweimal das Adjektiv „zärtlich“, völlig unpassend zu „stark“, „blutend“ und „bleich“, um nur ein paar Beispiele aus dem Anfang des Gedichts zu nennen.
Es existiert also die in Vers 6 angekündigte „Hoffnung“, die uns weg von Zerstörung beziehungsweise Industrialisierung bringt.
Weiterhin werden hier verschiedene Bilder verwendet, die die Aussage wiederum unterstützen: Hier in „Morgens“ ist es anfangs der Wind, der des Himmels blutende Tore öffnet (also Regen), der an Türme schlägt usw. (Personifikationen1)
Auch Bilder der Industrie sind zu verzeichnen, „Auf Dämmen donnern Züge“ (Vers 5) und „Dampfer und Kräne erwachen am schmutzig fließenden Strom“ (Vers 8).
Letzterer Satz zeigt einerseits, dass die Stadt morgens aus dem Tiefschlaf der Nacht wieder erwacht, dass Dampfer und Kräne ihre Arbeit am frühen Morgen wieder aufnehmen.
Andererseits zeigt dieser Satz auch, dass der Schritt hin zur Industrialisierung und Mechanisierung noch nicht komplett vollendet zu sein scheint: Dampfer und Kräne erwachen erst gerade. Dazu sei angemerkt, dass das Gedicht von 1914 stammt, also grob gerechnet zu Anfang der Industrialisierung.
Um weitere Bilder zu nennen, schaut man sich Vers 10 -12 an: Eine Anspielung auf Prostitution, „wild von der Nacht“. Als letztes Bild ist die Schönheit der Natur zu nennen (Vers 14-18), wie schon erwähnt, eine Anspielung auf die Hoffnung auf Verbesserung.
„Morgens“ ist weiterhin völlig formlos, sowohl hinsichtlich des Reimschemas, als auch hinsichtlich der Verslänge.
Zum Reimschema ist zu sagen, dass es kein regelmäßiges Reimschema gibt, jedoch einige von den oben genannten Bildern Reime besitzen, zum Beispiel der Wind in Vers 4-7 (beziehungsweise das Donnern der Züge und das Pflügen der Engelflüge) besitzt ein regelmäßiges a-b-b-a-Schema.
Genauso der Blick auf den Teil der Industrie und Prostitution (Vers 8-11): Hier finden wir ein regelmäßiges c-c-d-d-Schema.
Ansonsten existiert keine regelmäßige Verslänge und das Gedicht besteht lediglich aus einer Strophe, eigentlich untypisch für ein typisch expressionistisches Gedicht, das häufig aus zwei Quartetten sowie Terzetten besteht (Sonett2).
Da das Gedicht 1914 herausgegeben wurde, ist die Gesamtaussage, nämlich die Warnung vor der Ich-Zerstörung, meiner Meinung nach völlig zutreffend und korrekt. Übertragen auf die heutige Zeit lässt sich da Gedicht ebenfalls, denn trotz 93 Jahren Weiterentwicklung in Industrie und Technologie besteht natürlich immer noch die Gefahr der Ich-Zerstörung, im Prinzip heute gesehen als Selbstvernichtung durch hohen Austoß an Kohlenstoffdioxid.
Aber genauso gilt der kleine Funke Hoffnung, der in „Morgens“ in den letzten Versen dargelegt wird: Durch sofortiges Stoppen der „CO2-Industrie“ könnte sich die Menschheit vielleicht noch retten.
Laut van Hoddis dürfen wir also nur darauf hoffen, von der Industrie wegzukommen und den Weg zurück in die Natur zu finden.