Autor/in: Andreas Gryphius Epoche: Barock Strophen: 4, Verse: 14 Verse pro Strophe: 1-4, 2-4, 3-3, 4-3
Du siehst, wohin du siehst nur Eitelkeit auf Erden.
Was dieser heute baut, reißt jener morgen ein:
Wo itzund Städte stehn, wird eine Wiese sein
Auf der ein Schäferskind wird spielen mit den Herden:
Was itzund prächtig blüht, soll bald zertreten werden.
Was itzt so pocht und trotzt ist Morgen Asch und Bein
Nichts ist, das ewig sei, kein Erz, kein Marmorstein.
Itzt lacht das Glück uns an, bald donnern die Beschwerden.
Der hohen Taten Ruhm muß wie ein Traum vergehn.
Soll denn das Spiel der Zeit, der leichte Mensch bestehn?
Ach! was ist alles dies, was wir für köstlich achten,
Als schlechte Nichtigkeit, als Schatten, Staub und Wind;
Als eine Wiesenblum, die man nicht wiederfind't.
Noch will was ewig ist kein einig Mensch betrachten!
Inhaltsangabe, Analyse und Interpretation
Bei dem Gedicht „Es ist alles eitel“, geschrieben von Andreas Gryphius im Jahre 1637, handelt es sich um ein Sonett1, in dem es um die Vergänglichkeit alles Irdischen, sprich den Vanitas-Gedanken geht.
Als Deutungshypothese lässt sich aufstellen, dass der Autor versucht zu verdeutlichen, dass jeder dem Jenseits entgegenläuft, egal, ob arm oder reich.
Das Sonett ist in vier Strophen eingeteilt, von denen die ersten beiden aus jeweils vier Versen, sprich aus zwei Quartetten, bestehen und die letzten beiden aus jeweils drei Versen, also zwei Terzetten.
In der ersten Strophe spricht Andreas Gryphius den Verfall und die Zerstörung der Städte an. In der zweiten Strophe behandelt er ebenfalls die Thematik der Vergänglichkeit und die Zerstörung alles Schönen.
Die dritte Strophe, sprich das erste Terzett, wirft hingegen die Frage auf, was das Leben eigentlich sei und wie die Menschheit es bewältige. Somit gibt das zweite Terzett, also die letzte Strophe, eine knappe Antwort darauf.
Diese fällt sehr negativ aus und schließt mit dem Fazit ab, dass sich niemand damit beschäftigt, was wirklich für die Ewigkeit geschaffen sei. Ein lyrisches Ich ist in diesem Gedicht nicht daran interessiert, es werden ausschließlich die Leser in der zweiten Person Singular angesprochen. Das Metrum2 des Gedichts ist ein sechshebiger Jambus, sodass sich von einem Alexandriner sprechen lässt. Somit ist jeder Vers 12 oder 13-silbig und es treten abwechselnd weibliche, sowie männliche Kandenzen auf. Das Reimschema lautet abba-abba-ccd-eed, also entspricht dem Muster eines umarmenden Reims, sowie zu Beginn des ersten Terzetts einem Paarreim (cc).
Die erste Strophe wird sofort mit einer persönlichen Ansprache eingeleitet („Du[...]“) und behandelt im direkten Anschluss an die Überschrift die „Eitelkeit auf Erden“, welche nicht zu übersehen sei („Du siehst, wohin du siehst [...]“). Die zwei darauffolgenden Verse sind antithetisch aufgebaut und wollen aussagen, dass das Schöne nur von kurzer Dauer Bestand hat und jeden Moment zu Ende bzw. zu Bruch gehen kann. So sind in Vers zwei die beiden Wörter „heute“ und „morgen“ in Gegenüberstellung positioniert und der dritte und vierte Vers mit der Zukunftsform beendet („Wo [...], wird [...]“, „[...] wird spielen [...]“). Durch die Verben „bauen“ und „einreißen“ wir der Begriff der Zerstörung deutlich und eine Assoziierung mit Krieg wird herbeigeführt. Das zweite Quartett wird wieder von einer Antithese eingeleitet, welche von der Vergänglichkeit aller Pracht spricht („Was itzund prächtig blüht, soll bald zertreten werden.“). Das Verb „zertreten“ spricht hierbei wieder für Krieg, welcher ebenfalls ein negativer Prozess ist. Der sechste Vers beginnt wie der vorige Vers mit dem Wort „Was“ und wird auch als Antithese fortgeführt, sodass diese Anapher3 als Steigerung gesehen werden kann. „Was itz so pocht und trotzt“, also wer jetzt so hochmütig ist, „ist morgen Asch und Bein“. Dies ist eine erneute Anspielung auf den Vanitas-Gedanken, sowie die Bedeutung von Memento mori, da sich Asche und das einzelne Körperteil „Bein“ auf Krieg, Verfall und Zerstörung beziehen lassen. Dem ersten Teil dieses Satzes, welcher die Hochmütigen unter der Bevölkerung, sprich die Fürstentümer, anspricht, wird in diesem Fall dem Vergänglichkeitsprozess zugeschrieben, womit der Autor aussagt, dass alle Sterben werden, egal, ob sie arm oder reich sind. Diese Aussage wird mit dem nächsten, also dem siebten Vers unterstützt, in dem mit einer verdoppelten Verneinung nichts als ewig bestehend erklärt wird. Der Ausdruck „Nichts ist [...] kein [...]“ soll Klarheit über die Vergänglichkeit alles Irdischen verschaffen und wird mit der Aufzählung bzw. Hyperbel4 („kein Erz kein Marmorstein“) im gleichen Vers (V. 7) verdeutlicht. Der letzte Vers des zweiten Quartetts wird mit einer Personifikation5 des Glückes eingeleitet („[...] lacht das Glück [...]“), welches jedoch nicht von langer Beständigkeit ist, da es von Beschwerden verdrängt wird, welche „donnern“ (V. 8). Diese weitere Personifikation („donnern die Beschwerden“) bekräftigt die Assoziation mit Krieg und Gewalt, da das Verb „donnern“ negative Emotionen hervorrufen kann und mit Waffen in Verbindung gebracht werden kann, welche ebenfalls zur Zerstörung beitragen. In dem anschließenden Terzett gibt Andreas Gryphius eine klare Aussage, die er mit dem Verb „muss“ zur Geltung bringt. „Der hohen Taten Ruhm muss wie ein Traum vergehn“ (V. 9) besagt, dass Ruhm keine höhere Bedeutung haben soll und auch diese höher gestellte Schicht in Vergessenheit gerät, egal, wie weit sie sich in ihrer Eitelkeit versteckt. Vers 10 spricht anhand einer rhetorischen Frage das Theaterspiel an, in der das Leben als Schauspiel und der Mensch als Schauspieler gesehen wurde. Es wird gefragt, ob der „leichte Mensch“ das „Spiel der Zeit“ bestehen sollte. Die Metapher6 „Spiel der Zeit“, welche für das Leben steht, verdeutlicht, dass die Zeit eine wichtige Rolle im Denken der Menschen hatte und dass das „Spiel“ mit dem Leben als Schauspiel verbunden wurde. Der Autor möchte damit die Heuchelei der Fürstenhöfe ansprechen, die vor lauter Verschleierung das eigentliche Elend der Zeit nicht mehr wahrnahmen. Der letzte Vers des ersten Terzetts wird von einem „Seufzer“ angeführt („Ach!“), welcher die Frage nach der Bedeutung des Lebens einleitet. Dabei bezieht das lyrische Ich wieder den Leser ein, indem er in der ersten Person Plural spricht und mit dem Wort „wir“ alle miteinbezieht. Die letzte Strophe, bei der es sich ebenfalls um ein Terzett handelt, gibt eine Antwort auf die Frage des Lebens, die durch die dreimalige Anapher „als“ hervorgehoben wird. Im 10. Vers wird zur negativen Darlegung eine Alliteration7 verwendet („Schatten, Staub“), sowie eine Hyperbel („Nichtigkeit, [...] Schatten, Staub und Wind“). „Schatten, Staub und Wind“ sind drei unangenehme Nomen, welche wiedermal auf Krieg bezogen werden können. Der Schatten kann mit dem Leben verbunden werden, wenn man das Höhlengleichnis von Platon in Betracht bezieht, welches das Leben als einen Schatten ansieht, welcher so unscheinbar ist und plötzlich verschwinden kann, sodass es scheint, als wäre er nie da gewesen und als hätte dieses Leben nie existiert. Dazu kann man auch die Begrifflichkeit der „schlechte[n] Nichtigkeit“ herbeiziehen, die zu Beginn des 12. Verses verwendet wird. Der vorletzte Vers der letzten Strophe beginnt wieder mit „Als“ wie der Vers zuvor, um eben diese „Nichtigkeit“ des Lebens zu verdeutlichen. Hierbei leitet die Anapher den Vergleich des Lebens mit einer „Wiesenblum“ ein, „die man nicht wiederfind't.“) (V. 13). Auf einer großen Wiese voller Blumen ist eine einzelne Blume so unbedeutsam wie das Leben eines Menschen und der spätere Verlust dessen, Der letzte Vers gibt schließlich das Fazit des Autors, was besagt, dass noch keiner wirklich wahrgenommen hat, was für die Ewigkeit bestehen bleibt. Dieser letzte Vers beinhaltet eine Alliteration, worauf das Adjektiv „ewig“ folgt („[...] will, was ewig [...]“). Dies kann man mit der Seele verbinden, da sie das Einzige ist, was im Jenseits bestehen bleibt.
Da das Gedicht schnell den Eindruck von Gewalt und Vergänglichkeit vermittelt, lässt es sich in die Barockzeit von 1600 bis 1720 einordnen. Andreas Gryphius schrieb dieses Sonett im Jahre 1637, also genau währen des 30-jährigen Krieges, welcher von 1618 bis 1648 andauerte. Somit ist es mit gewaltvollen Gedanken geschmückt und verfolgt den Vanitas-Gedanken. Er legt sein Gedicht so aus, dass es als Aufforderung gesehen werden kann, darüber nachzudenken, bzw. zu bedenken, dass man sterben muss, sprich der Aussage des Memento mori nachgeht. Die Antithesen8 „Was jetzt ... ist morgen ...“ lassen sich ebenfalls mit den Begrifflichkeiten von Fortuna und Vanitas verbinden, da sie soviel aussagen, wie: „Heute magst du Glück haben, doch morgen ist alles vergessen/vergangen.“
Somit hat sich meine Deutungshypothese bestätigt, kann jedoch nur insofern ausgeweitet werden, dass man sich nicht vor lauter Qualen und Krieg verloren sehen sollte, sondern wie im letzten Vers deutlich wird, sich seiner Seele erfreuen soll, die im Jenseits weiter Bestand hat.
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