Inhaltsangabe, Analyse und Interpretation
Zur Zeit des Barocks verfasste der wohl bedeutendste Dichter dieser Zeit, Andreas Gryphius, das Sonett1 „Alles ist Eitel“.
Hierbei wird vor allem das „Vanitas“ Motiv zum Ausdruck gebracht, da das lyrische Ich durchgehend von der Vergänglichkeit spricht, was auch typisch für die Epoche des Barocks ist.
Es handelt rundum davon, dass nichts so bleibt wie es ist. Anfangs wird beschrieben, wie sich die Natur, teilweise durch Zerstörungen von Menschen, verändert. Aber auch irdische Dinge wie z. B. Glück sind vergänglich. Zum Ende des Gedichts kommt das lyrische Ich zu dem Entschluss, dass letztendlich alles was man als „gut“ ansieht nichts bzw. nichts von Dauer ist.
Insgesamt handelt es sich um ein übliches Thema der Barockzeit und ist deshalb auch in dem typischen Stil eines Sonetts geschrieben, welches aus 14 Versen besteht, die in zwei Quartette und zwei Terzette unterteilt sind. Die beiden Quartette bilden jeweils einen umarmenden Reim (abba/abba) und die beiden Terzette einen Schweifreim (ccd/eed). Alle 14 Verse fangen mit einer männlichen Kadenz2 an, welche auch überwiegend in dem Gedicht vorkommen. Diese strenge Struktur, wird auch von dem durchgängigen Zeilenstil3 unterstützt und von dem gleichmäßigen Rhythmus eines Alexandriners, der sich aus einem 6-hebigen Jambus mit meistens einer Zäsur4 in der Mitte zusammensetzt und typisch für die Epoche des Barocks ist.
Auch die vielen Stilmittel in dem Gedicht sind typisch. Somit fängt es gleich mit dem Repetito „Du siehst, wohin du siehst“, womit das lyrische Ich den Leser mit einbindet, und der darauf folgenden Alliteration5 „Eitelkeit auf Erden“ an. Damit wird besonders betont, dass wirklich alles nach Ansicht des lyrischen Ichs Eitel ist, wie auch schon der Titel „Alles ist Eitel“ komprimiert aussagt. Mit Eitelkeit ist hierbei besonders die Nichtigkeit bzw. Vergänglichkeit (Vanitas-Motiv) gemeint, die durch die Antithesen6 in den folgenden zwei Versen unterstützt wird. Das Wort „reißt“ in Vers 2 könnte auf den 30Jährigen Krieg, der während der Barockzeit war, deuten. Denn dort wurde auch vieles zerstört, was sich andere aufgebaut haben.
Der dritte und vierte Vers klingt fast wie eine Allegorie7 bzw. einer Wunschvorstellung nach der Natur, nach einem „leichtem“ Leben und Frieden. Denn dort wo jetzt Städte sind soll später eine Wiese sein, auf der ein Schäferskind mit Herden spielt(vgl. Vers 3). Die Wörter „spielen“, „Wiese“ und der Neologismus8 „Schäferskind“ strahlen eine Herrlichkeit und Leichtigkeit aus. Vielleicht wünscht sich das lyrische Ich auch einfach mit einer kindlichen Leichtigkeit durchs Leben zu gehen oder in so einer Situation zu sein.
Doch schon in der zweiten Strophe wird dieses schöne Bild von einer Wiese und dem Schäferskind durch die Vergänglichkeit zerstört. Die Wiese wird „zertreten“ (Vers 5) und alles was jetzt schön ist wird später zerstört. Das lyrische Ich betont die Vergänglichkeit und den Zusammenhang der Verse 5 und 6, die beide die Zerstörung von etwas schönem Aussagen, durch die Anapher9 „was jetzt“.
Diese Antithese könnte auch wieder ein Hinweis auf den 30Jährigen Krieg und dessen Folgen sein.
Auffallend ist noch, dass in den Versen vor der Zäsur im Präsens geschrieben wurde und danach im Futur. Dadurch könnte das lyrische Ich auch meinen, dass das was man heute noch als „gut“ empfindet, von der Nachfolgegeneration nicht mehr angesehen wird und deshalb zerstört wird.
Aber nicht nur die materiellen Dinge sind vergänglich sondern auch alles andere, wie das lyrische Ich in Vers 7 „nichts ist, das ewig sei“ sagt. Somit sind auch Gefühle wie „Glück“ (Vers 8) vergänglich. Das „Glück“ wird durch die Personifikation10 „jetzt lacht das Glück uns an“ hervorgehoben und ins Positive gezogen. Jedoch wird dieses schöne Gefühl bald zu dem Gegenteil und in dem Fall zu etwas sehr Negativen „ bald donnern die Beschwerden“ (Vers 8). Dies wird auch wieder mit einer Personifikation unterstützt, wobei gleich zwei Sinne angegriffen werden. Einmal das Hören, weil mit dem Donnern wohl etwas sehr lautes dargestellt wird, und einmal ein sehr unangenehmes Gefühl auf Grund von den Beschwerden.
Ab der dritten Strophe kommt es zu einem Wendepunkt der Erzählweise von dem lyrischen Ich, der sich bislang eher als Beobachter gab und nun bewertend wird, was durch das Fragezeichen in Vers 10 und dem Ausrufezeichen in Vers 13 deutlich wird. Außerdem wird teilweise auch der Leser bzw. die Gesellschaft angesprochen durch Wörter wie „wir“ (Vers 11).
Daher erklärt das lyrische Ich in dem 9. Vers die Vergänglichkeit mit dem Vergleich, dass alles wie ein Traum vergehen muss. Das Wort „muss“ wirkt, als ob das lyrische Ich die Vergänglichkeit als etwas Normales ansieht und etwas wogegen man nichts machen kann. Dennoch hinterfragt es dies mit der Rhetorischen Frage in Vers 10: „Soll denn das Spiel der Zeit, der leichte Mensch, bestehen?“ Mit dem „Spiel der Zeit“ ist wahrscheinlich die Vergänglichkeit gemeint. Wobei die Zeit an sich nicht vergänglich sein kann, da sie unendlich ist. Dafür ist jedoch der Mensch vergänglich und muss mit den Veränderungen und Konsequenzen, die die Zeit mit sich bringt, klar kommen. Hier könnte man auch wieder einen Vergleich zu dem 30Jährigen Krieg ziehen. Denn dort mussten die Überlebenden mit den psychischen und physischen Folgen die der Krieg mit der Zeit aufbrachte fertig werden und auch mit der Pest die in der Zeit wütete. Außerdem war es egal was man für Taten vollbracht hat oder aus welchem Stand man kommt (vgl. V. 9), jeder musste versuchen diese Zeit zu bestehen. Da jedoch die Zeit unendlich ist hat der „leichte Mensch“ keine Chance zu entfliehen. Diese Vergänglichkeit des Menschen wird als Metapher11 hervorgehoben.
Die letzte Strophe nimmt Bezug auf den vorherigen Vers und beschreibt mit einer Akkumulation das alles was wir bzw. die Gesellschaft als etwas Gutes ansehen in Wirklichkeit nichts ist. In der Akkumulation werden Begriffe wie „Schatten, Staub und Wind“ genannt, die alle als Synonyme für „Nichtigkeit“ gelten, außerdem sind es alles Begriffe die auftreten, wieder verschwinden und nicht beeinflussbar sind. Genauso wie das Glück in Vers 13, das durch das Symbol „Wiesenblum“ dargestellt wird, verschwindet und ist deshalb ebenso vergänglich. Diese Vergänglichkeit und Nichtigkeit von den verschiedenen Begriffen wird durch die Anapher „als“ in Vers 12 und 13 miteinander verbunden.
Zum Schluss kommt das lyrische Ich zu dem Entschluss, dass alles was man als „angenehm“ ansieht vergänglich ist und die Menschen die Dinge die nicht vergänglich sind nicht ansehen bzw. nicht wahrnehmen.
Das ganze Gedicht ist klimatisch aufgebaut und handelt durchgehend von dem Vanitas Motiv, welches zu den bekanntesten Motiven in der Barockzeit zählt. Hierbei wird es vor allem durch die vielen Antithesen ausgedrückt. Außerdem kann man viele Stellen in diesem Gedicht in Verbindung mit dem 30jährigen Krieg ziehen, was üblich für die Gedichte von Andreas Gryphius ist. Denn mit dem Dichten hat er oft seine Probleme oder Gefühle verarbeitet oder seine Gedanken ausgesprochen. Die Vergänglichkeit wurde ihm schon im Kindesalter nahe gebracht, da schon früh seine Eltern starben und auch im Laufe des Krieges bekam er durch den Tot von vielen, die Vergänglichkeit der Menschen immer wieder mit. Aber auch die Vergänglichkeit von dem was man sich aufgebaut hat, denn dies wurde größtenteils vom Krieg zerstört. Deshalb könnte er auch die Stelle des lyrischen Ichs einnehmen, aber auch die Gesellschaft seiner Zeit. Wobei die Gesellschaft der eigentliche Adressat des Gedichtes ist. Die Menschen die in der Epoche des Barocks lebten, befassten sich oft mit dem Gedanken der Vergänglichkeit. Zum einen weil sie vieles durch den Krieg verloren haben, wie ihren Besitz und Mitmenschen und zum Anderen weil die Vergänglichkeit auch im Zusammenhang mit dem Sinn des Lebens steht, der für sie durch die Vergänglichkeit oft fragwürdig war.