Sachtext: Sprachenlernen in Europa (2008)
Autor/in: Jürgen TrabantEpoche: Gegenwartsliteratur / Literatur der Postmoderne
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Aufgabenstellung:
1. Analysiere den Auszug aus J. Trabant „Sprachenlernen in Europa“ in Bezug auf die zentralen Aussagen und die Argumentationsweise.
2. Diskutiere Trabants Forderungen vor dem Hintergrund der dir bekannten Thesen zur Mehrsprachigkeit.
(Aus: Jürgen Trabant: „Was ist Sprache?“, München 2008, S. 202-204)
Klausurthema:
Mehrsprachigkeit
Inhaltsangabe, Analyse und Interpretation
Der wissenschaftliche Sachtext „Sprachenlernen in Europa“ ist von Jürgen Trabant verfasst worden und ein Auszug aus seinem Buch „ Was ist Sprache?“, welches im Jahre 2008 in München erschienen ist.
Der Autor fordert eine Verbesserung der Lehrmethoden für Sprachen. Die eigene Sprache müsse mehr gefördert werden und den Fokus im Englischunterricht solle man auf das internationale Kommunizieren legen. Zudem sei das Erlernen mindestens einer weiteren Fremdsprache erforderlich, um neue Strukturen und eine andere Kultur kennenzulernen.
Zu Anfang leitet Trabant seinen Sachtext mit der Frage „Welche Sprache für Europa?“ (Z. 1) ein, auf welche er auch direkt eine Antwort gibt, nämlich, dass es mindestens drei Sprachen für Europa geben müsse (vgl. Z. 1-2). Diese Antwort erläutert er im Folgenden genauer, indem er erklärt, wie seine Vorstellung des Erlernens dieser drei Sprachen aussieht. Trabant behauptet, dass Europa eine einheitliche Kultur hat, da alle Sprachen ihren Ursprung im Lateinischen haben (vgl. Z. 3-5). Daraus folgert er, dass die erste Priorität immer sein müsse, die eigene Sprache und somit auch die eigene Kultur zu fördern (vgl. Z. 5-7). Als Beispiel nennt er, dass der Deutschunterricht an Schulen wichtiger werden müsse. „Kluge Bildungsberater“ (Z. 12), so Trabant, bewirken jedoch genau das Gegenteil, indem sie nicht mehr von einer „Muttersprache“, sondern von einen „Verkehrssprache“ sprechen (vgl. Z. 12-15). Durch die Ironie des Autors wird seine Kritik an dieser Veränderung deutlich. Trabant ist der Meinung, niemand könne „eine engere geistige Verbindung zu einer „Verkehrssprache“ (aufbauen)“ (Z. 15-16), da der Ausdruck völlig rational sei und alles „ästhetisch-poetische“ (Z. 19-20) unterdrücke. Trabants Meinung, dass Sprache und Kultur nicht voneinander zu trennen sind, wird an dieser Textstelle besonders hervorgehoben. Eine Sprache verbinde eine Kultur und sei nicht nur Gegenstand zum Kommunizieren. Daher ist der Autor auch der Ansicht, dass alle Kulturwissenschaften ausschließlich die Sprache ihres Landes verwenden sollten (vgl. Z. 22-24), da in ihnen die sprachliche Ausdrucksweise das Wesentliche ist (vgl. Z. 28-32). Für die Naturwissenschaften gekte nach Trabant eine Ausnahme, da dort die Sprache „eine instrumentale und untergeordnete Rolle spielt“ (Z. 27-28). Trotzdem bezeichnet er die Verwendung von Englisch in den Naturwissenschaften als problematisch und nur als „ vielleicht nicht besonders schlimm“ (Z. 24-27). Dies zeigt, dass Trabant denkt, die Sprache des eigenen Landes solle so oft wie möglich und in jedem Bereich gesprochen werden. Dass er behauptet, in Deutschland würde man, „derzeit jedenfalls“, die deutsche Sprache noch am besten sprechen (Z. 30-32), zeigt seine Angst vor dem Verfall der der deutschen Sprache.
Als zweite Sprache solle jeder Englisch beherrschen, dies wäre auch gar nicht mehr umstritten (vgl. Z. 33-35). Trabant kritisiert den Ausdruck „Fremdsprache“, da Englisch eine viel zu globale Sprache sei und man somit eher von „Globalesisch“ reden solle (vgl. Z. 35-38). Den Fokus des Erlernens dieser „kommunikativen Kulturtechnik“ (Z. 35-36) müsse auf die internationale Kommunikation umgelenkt und reduziert werden (vgl. Z. 39-42). Die dadurch gewonnen Zeit solle lieber für „wirklichen Fremd-Sprachen-Unterricht“ (Z. 47) genutzt werden und nicht, um „quasi-muttersprachliche Kompetenzen“ (Z. 44) zu erlernen. Mit diesem Ausdruck kritisiert Trabant die deutschen Lehrmethoden, da die Schüler, obwohl sie viel Fremdsprachenunterricht haben, nicht auf das Niveau von Muttersprachlern kommen würden. Im nächsten Abschnitt erläutert der Autor, wie er sich Fremdsprachenunterricht vorstellt und was er am jetzigen System ändern würde. Da man Englisch zum internationalen Kommunizieren gebraucht, solle man noch mindestens eine weitere Sprache lernen, welche Einsicht in eine neue Kultur bietet (vgl. Z. 48-52). Jede Sprache soll nach den aktuellen Lehrmethoden zur „effektive(n) internationale(n) Kommunikation“ dienen (Z. 54-55). Wichtig sei es aber auch, die Strukturen einer Sprache und die Kultur des Landes, in dem die Sprache gesprochen wird, kennenzulernen (vgl. Z. 57-62). Als Beispiel nennt Trabant, Lateinunterricht wieder in seiner ursprünglichen Form einzuführen (vgl. Z. 62.64). Dieser sei jedoch nie „intelligent erteilt worden“ (Z. 63). Dass „Kennenlernen der Struktur des Lateinischen, Lesen wichtiger Texte in dieser Sprache (und) Kennenlernen der Kultur, die sich in Dieser Sprache kurz ausdrückt“ (Z. 64-66), nennt Trabant Bildung. Diese könne natürlich auch durch das Erlernen anderer Sprachen erreicht werden (Z. 66-70). Dem Autor zufolge ist man also gebildet, wenn man viele Sprachen nach seinen Kriterien gelernt hat und man somit Einblicke in fremde Strukturen und Kulturen erhalten hat. Zum Schluss bezieht er sich auf seine Eingangsfrage und gibt eine detaillierte Antwort, indem er seine Ergebnisse zusammenfasst (Z. 71-75).
Die Argumentationsstruktur ist linear, da der Autor immer zuerst ein passendes Beispiel nennt, oft, indem er die Situation auf Deutschland überträgt. Insgesamt bezieht sich Trabant auf drei Hauptargumente, da er auch der Meinung ist, man müsse mindestens drei Sprachen lernen. Diese Argumente sind in Abschnitte gegliedert, welche er jeweils mit „(e)rstens“ (Z. 3), „(z)weitens“ (Z. 33) und „drittens“ (Z. 48) einleitet, wodurch ebenfalls eine eindeutige Struktur entsteht, welche durch die Eingangsfrage, die einen Rahmen um den Sachtext bildet, verstärkt wird. Um seine eigene These, die Dringlichkeit des Erwerbs von mindestens drei Sprachen, zu verstärken, wertet er Gegenargumente, dass zum Beispiel der Deutschunterricht geschwächt werden soll durch Ironie („kluge Bildungsminister“, Z. 12) oder durch Kritik („wäre er jemals intelligent erteilt worden“, Z. 63) ab.
Dass das Erlernen von Fremdsprachen wichtig ist, ist heutzutage kaum noch umstritten. Wie dies erfolgen soll, und welche Sprachen in der Schule Pflicht sein sollen, führt jedoch immer wieder zu Diskussionen. Trabants Forderungen hinsichtlich der Unterrichtsmethoden sind kritisch zu beleuchten.
Seiner Meinung nach muss der Deutschunterricht an deutschen Schulen wichtiger werden, damit auch das Kulturverständnis der Schüler gefördert wird und man eine Bindung zu seinem Land aufbaut. Genau wie Humboldt ist Trabant also der Meinung, Sprache und Kultur seien nicht zu trennen. Nach Humboldt sind Wörter die subjektive Wahrnehmung eines Individuums und eine Sprache vermittelt somit eine eigene Weltansicht. Unsere Weltansicht beeinflusst unser Denken und Handeln und auch unsere Kultur. Auch Trabant behauptet, eine Sprache solle so vermittelt werden, dass nicht nur die effektive, internationale Kommunikation das Ziel sei, sondern der Schüler Einblick in die Struktur der Sprache und die Kultur des Landes erhält. Dies ist nach Trabant also nicht automatisch der Fall, sondern erst, wenn bestimmte Lehrmethoden angewendet werden. Humboldt ist jedoch der Meinung, dass das Erlernen einer fremden Sprache schon zu einer Erweiterung der eigenen Weltansicht beiträgt, egal, welche Lehrmethoden angewendet worden sind.
Englisch solle nach Trabant weniger unterrichtet werden und der Unterricht solle sich mehr auf den Erwerb von Kompetenzen in internationalen Kommunikationssituationen konzentrieren, um mehr Zeit zum Erlernen einer neuen Sprache und der Kultur des Landes, in dem die Sprache gesprochen wird, zu haben.
Jedoch ist der Erwerb der englischen Sprache nicht nur für den späteren Beruf wichtig, sondern auch, wenn man beispielsweise in fremden Ländern Urlaub macht. Die Kommunikation in Alltagssituationen muss also auf jeden Fall auch geübt werden. Außerdem ist es besonders für jüngere Kinder einfacher, Situationen zu verstehen, die sie persönlich schon erlebt haben. Den Fokus auf direkt auf die wissenschaftliche oder technische Kommunikation zu legen, wäre eventuell eher abschreckend als motivierend.
Zudem kann man Trabants Behauptung, durch mehr Deutschunterricht würde eine stärkere Bindung zur deutschen Kultur entstehen, ebenfalls kritisieren. Denn nur, weil man eine Sprache lernt, heißt es nicht, dass man sich mit der Kultur identifizieren kann. Kinder aus Migrantenfamilien beispielsweise erleben zu Hause eine andere Kultur, eine andere Sprache. Deutschland besteht längst nicht mehr aus nur einer Kultur oder einer Sprache, sondern aus ganz vielen verschiedenen. Dieser Meinung ist auch Uwe Hinrichs. Durch den Einfluss fremder Sprachen, würden alle Strukturen einer Sprache, welche nicht zum Kommunizieren nötig sind, wegfallen. Deutsche würden zum Beispiel Strukturen aus dem Türkischen übernehmen, da Migranten ihre Muttersprache mit dem Deutschen vermischen und die Bereitschaft, Fehler zu korrigieren, nachlässt. Nach Hinrichs würde eine neue, stabile Situation entstehen und keinesfalls ein Verfall der deutschen Sprache auftreten. In diesem Fall den Deutschunterricht zu verstärken ergebe wenig Sinn, da man an nur einer einzigen Kultur krampfhaft festhalten würde.
Ein weiterer Kritikpunkt an Trabants Meinung ist, dass man in der dritten Sprache, also nicht in Englisch, ebenfalls effektiv international kommunizieren können solle. In der heutigen Berufswelt ist oftmals das Sprechen vieler Sprachen auf einem hohen Kompetenzniveau gefragt und nicht nur, dass man Englisch einwandfrei sprechen kann. Internationale Firmen arbeiten beispielsweise mit Partnern aus China oder Frankreich zusammen. Chinesisch oder Französisch zu sprechen, wäre also von großem Vorteil.
Meiner Meinung nach ist es wichtig, einige Sprachen sprechen zu können und auch verschiedene Kulturen kennenzulernen, um die eigene Weltansicht zu erweitern. Außerdem bringt dies, wie Kast behauptet, auch kognitive1 Vorteile, da die Hirnexekutive trainiert wird und man mehr auf die Umwelt achtet. Jedoch würde ich Trabants Standpunkt nicht ganz zustimmen. Man muss Veränderungen zulassen und beispielsweise in den Kulturwissenschaften auch Fachwörter aus Fremdsprachen verwenden dürfen. Den Deutschunterricht zu verstärken ist keine gute Idee. Stattdessen sollte man vielleicht Unterricht in der türkischen Kultur für Kinder aus Migrantenfamilien anbieten.