Inhaltsangabe, Analyse und Interpretation
Das Gedicht „Ballade des äußeren Lebens“ wurde von Hugo von Hofmannsthal geschrieben und im Jahr 1894 veröffentlicht, sodass es sich der Moderne zuordnen lässt.
Das Gedicht besteht aus zwei Sinnabschnitten, von denen der erste die ersten vier Strophen (vgl. V. 1-12) beinhaltet. Diese handeln von der Vergänglichkeit und Sinnlosigkeit des Lebens, mit der man zu jeder Zeit konfrontiert wird. Sowohl die Natur als auch das Leben der Menschen endet nach einer überschaubaren Zeit, sodass ein ewiger Kreislauf zustande kommt. Es wird also das oberflächliche äußere Leben beschrieben, das ohne ersichtlichen Grund immer und immer weiter abläuft. Im zweiten Sinnabschnitt (vgl. V. 13-22) hingegen werden die zuvor genannten Zweifel infrage gestellt, bevor der Sinn des Lebens im Abend erkannt wird. Somit wird die oben genannte Sinnlosigkeit durch die Möglichkeiten des Abends überstiegen.
Hugo von Hofmannsthal vermittelt mit Hilfe des Gedichts eine Kritik am Trott und der Tristesse des Alltags und der Vergänglichkeit des Lebens. Jedoch zeigt er in einer bewussten, gefühlsbetonten Verwendung von Sprache einen Ausweg daraus auf.
Um diese Deutungshypothese zu überprüfen, werden im Folgenden der formale Aufbau, die sprachlich-stilistische Gestaltung und die bildlichen Stilmittel untersucht.
Das Gedicht besteht aus acht Strophen, von denen die ersten sieben Strophen jeweils drei Verse haben. Die letzte Strophe besteht aus einem einzelnen, abschließenden Vers. Das Metrum1 ist ein 5-hebiger Jambus mit weiblicher Kadenz2, was sich jedoch am Ende des ersten Sinnabschnittes (vgl. V. 12) ändert. Diese Veränderung im Metrum kündigt bereits eine bevorstehende Veränderung auf der inhaltlichen Ebene im zweiten Sinnabschnitt an. Eine weitere Auffälligkeit im Aufbau ist, dass jede Strophe bis V. 12 hin mit einem negativ konnotierten Wort endet: jedes der Worte „Wege“ (V. 13), „Müdigkeit der Glieder“ (V. 9), „Verderben“ (V. 6) und „totenhaft verdorrte“ (V. 12) bestärkt die zu Beginn aufgestellte Deutungshypothese, dass das ganze Leben auf etwas Negatives, den Tod, hinausläuft und somit sinnlos ist. Im zweiten Sinnabschnitt ändert sich das Metrum in V. 21 „Ein Wort, daraus Tiefsinn und Trauer rinnt“ zu einem dreihebigen Daktylus mit Auftakt, d. h. es findet ein Bruch mit dem zuvor dominierenden Jambus statt. Anschließend wechselt das Metrum jedoch direkt zurück zu einem 5-hebigen Jambus, wodurch die Rückkehr zur alten Gewohnheit, die immer und immer gleich ist, verdeutlicht wird.
Ein weiterer geeigneter Aspekt zur Überprüfung der Deutungshypothese ist die bildliche Gestaltung. Ein sehr auffälliges Stilmittel im ersten Sinnabschnitt ist das Bild in Strophe zwei: der Dichter beschreibt das Verfaulen der Früchte sehr detailliert und vergleicht das Niederfallen der Früchte mit toten Vögeln (vgl. V. 5). Dazu kommt der Antagonismus „süß“ und „herb“ (V. 4), wodurch erneut die Kritik des Dichters an der Tristesse des Alltags deutlich wird. Durch die genannten Stilmittel werden die sinnlose Existenz und der Verfall der Welt offenbart. Auffallend ist zudem die Metapher3 „Die Kinder wachsen auf mit tiefen Augen“ (V. 1) verbunden mit dem Antagonismus „wachsen auf und sterben“ (V. 2), wodurch die Vergänglichkeit der Jugend zum Ausdruck gebracht wird. Das ständige Voranschreiten der Zeit ohne wirklichen Sinn wird verdeutlicht durch die Personifikation4 „Und Straßen laufen durch das Gras“ (V. 10). Gemeint ist, dass das Gras im Laufe der Zeit irgendwann die Straße verdecken wird, so wie die Sinnlosigkeit des Alltags die Freude des Lebens verdeckt. Kurz nach dieser Personifikation beginnt der zweite Sinnabschnitt, welcher ebenfalls mit bildlichen Stilmitteln gefüllt ist. Der Kontrast „lachen, weinen“ (V. 15), dem das Wort „erbleichen“ (V. 15) folgt, stellt erneut die negativen Aspekte des Lebens in den Vordergrund und somit das Lachen und die damit verbundene Fröhlichkeit in den Hintergrund. Besonders auffällig in Bezug auf die bildlichen Stilmittel ist die letzte Strophe des Gedichts, welche ausschließlich aus dem Vers „wie schwerer Honig aus den hohlen Waben“ (V. 22) besteht. Dabei ist der Honig ein Symbol für Süße und Kostbarkeit, und gleichzeitig eine Metapher für die Vielzahl der Worte. Die „hohlen Waben“ (V. 22) stehen metaphorisch für die Münder der Menschen, sodass diese Aussage im übertragenen Kontext bedeutet, dass die Menschen die Worte entwerten. Sie rauben ihnen die zuvor vorhandene Leichtigkeit, sodass die Worte sich in „schweren Honig“ (V. 22) verwandeln, zurück bleibt nur noch die leere Hülle. Hiermit wird erneut die zu Beginn aufgestellte Deutungshypothese bewiesen, da der Dichter auch hier die Vergänglichkeit kritisiert und den Lebenssinn in Frage stellt.
Der letzte zu untersuchende Aspekt ist die sprachlich-stilistische Gestaltung: hier fällt als erstes die häufige Verwendung des Wortes „und“ (vgl. z. B. V. 4-7) auf. Zunächst wirkt es auf den Leser so, als würde der Dichter zusammenhanglose Ereignisse aneinanderreihen, jedoch weist diese Eintönigkeit in der Struktur auf die sinnfreie Eintönigkeit des Lebens hin. Dies wird verstärkt durch den unvermittelten Einstieg „Und Kinder wachsen auf mit tiefen Augen“ (V. 1). Hier fällt zudem die parallele Satzstruktur zu V. 2 auf: „wachsen auf und sterben“. In beiden aufeinanderfolgenden Versen wird das Aufwachsen der Kinder betont, was immer wieder ohne jeglichen Sinn erfolgt. Sowohl die Kindheit als auch die Jugend unterliegen der Vergänglichkeit, welche vom Dichter durchgehend kritisiert wird. Auch die Enumeration „Fackeln, Bäumen, Teichen“ (V. 11), gefolgt von dem Wortlaut „und drohende, und totenhaft verdorrte“ (V. 12) vermitteln die kritische Haltung. Während das Wort „Fackeln“ zuerst einen abschreckenden Eindruck auf den Leser macht, wird dieser zunächst abgemildert durch die positiv konnotierten Worte „Erde, Wasser“. Diese Abmilderung wird jedoch bereits im folgenden Vers wieder zunichtegemacht, sodass das negative Bild im Kopf des Lesers zurückbleibt. Im zweiten Sinnabschnitt ändert sich die sprachliche Gestaltung: durch rhetorische Fragen wie z. B. „Wozu sind diese aufgebaut und gleichen einander nie? und sind unzählig viele?“ (V. 13f.) richtet sich der lyrische Sprecher an den Leser und die innere Verwirrung wird verdeutlicht. Durch solche philosophischen Fragen wird der Eindruck vermittelt, dass der lyrische Sprecher der Wirklichkeit entkommen und vor der Realität fliehen möchte. Auch der Parallelismus „Was frommt das alles und diese Spiele?“ (V. 16) und „Was frommt‘s dergleichen viel gesehen zu haben?“ (V. 19) verstärkt die Deutungshypothese: der Sinn des Lebens wird in Frage gestellt, was gleichzeitig mit der Eintönigkeit und Vergänglichkeit zusammenhängt.
Nach der Untersuchung der verschiedenen Aspekte lässt sich abschließend sagen, dass die aufgestellte Deutungshypothese bewiesen wurde. Sowohl durch den formalen Aufbau als auch durch die bildliche und sprachlich-stilistische Gestaltung wird die Kritik des Autors am Alltagsleben und der Vergänglichkeit des gesamten Lebens vermittelt. Ein Ausweg aus dieser Situation sei nur durch die bewusste Verwendung von Sprache möglich.