Inhaltsangabe, Analyse und Interpretation
Das Gedicht ist ein Auszug aus der „Venus“ und wurde posthum 1695 von Casper von Lohenstein, welcher von 1635 bis 1683 lebte, geschrieben und stammt aus der Epoche des Barocks, dessen Weltbild hauptsächlich durch den Dreißigjährigen Krieg und einem daraus resultierenden stark fanatischen Glauben bestimmt wurde.
Dieses Gefühl präsentiert auch der lyrische Sprecher des Gedichts, welcher das Verlangen der Liebe zu einer Frau mit einer stürmischen Schifffahrt vergleicht und dabei schnell unruhige Vorgänge erlebt.
Zunächst wird in Strophe eins der Liebe die Schifffahrt, dem Herz das Schiff, dem Leben das Meer und der Angst die Wellen gegenübergestellt, wodurch die Leserschaft einen ersten Überblick über die beschriebene Situation gewinnen kann. In der zweiten Strophe wird veranschaulicht, worauf die Liebe beruht beziehungsweise wie der lyrische Sprecher zu seiner großen Liebe hingezogen wird. Der Bezug zum Menschen wird schließlich in der dritten Strophe geschaffen, wodurch die zunächst sehr gegenständlich und befremdlich wirkende Darstellung eine lebhafte, aber zugleich auch anschauliche Form erhält. Blind durch die Liebe geworden, nimmt der lyrische Sprecher in der letzten Strophe sogar den Tod für seine Geliebte in Kauf, da er in seinem jetzigen Leben auf der Erde keine Perspektive mehr für sich und seine Geliebte in der Zukunft sieht.
Das Gedicht besteht aus vier Strophen mit jeweils vier Versen, wobei durchgängig Paarreime mit zwei männlichen und zwei weiblichen Kadenzen1 zu erkennen sind. Als Metrum2 wurde in jedem Vers ein sechshebiger Jambus, also ein Alexandriner, gewählt. Dieser und die strikte Form des Gedichts sind Merkmale der Barocklyrik. Sie sind ebenso charakteristisch wie das hier genutzte Motiv des „memento mori“. Dieser aus dem Lateinischen stammende Mahnruf bedeutet übersetzt „bedenke deines Todes“ und hat als Ziel, die Leserinnen und Leser zum Nachdenken über den Tod aufzurufen.
Insgesamt besteht das Gedicht aus einer sehr bildhaften Sprache mit vielen auftretenden Metaphern3, die häufig aus dem Wortfeld „Schifffahrt“ stammen, sodass ein durchgängiger Vergleich zwischen der Liebe und einer Reise auf dem Meer entsteht.
Die parataktische Schreibweise soll vermutlich hervorheben, dass der lyrische Sprecher durch die Liebe zu einer Frau schon fast sprachlos ist beziehungsweise gar keine vollständig zusammenhängenden Sätze mehr bilden oder sprechen kann.
Schon die Anapher4 von Vers eins bis Vers fünf unterstreicht die Verbundenheit des lyrischen Sprechers zu seiner Geliebten, aber auch die Übertragung der Liebe zur Thematik des Meeres. Daniel Casper von Lohenstein betont dies zudem durch zahlreiche Metaphern und Parallelismen, unter Anderem in Vers zwei „Das Schiff ist unser Herz“ und Vers drei „Das Herz ist unser Leben“. De facto erscheint das Schiff als Leben, welches auf den Wellen des Meeres hin und her schaukelt, vergleichbar mit den Höhen und Tiefen in unterschiedlichen Lebenslagen. Diese Sichtweise spiegelt sich auch in dem vierten Vers wieder: „Die liebes-wellen sind die angst/ in der wir schweben“. Das Personalpronomen5 „wir“ kann übertragen gesehen für alle Menschen der Gesellschaft stehen, welche gewarnt werden vor der Begierde zu einer Person.
Als Mittel um seine Geliebte zu finden, nennt der lyrische Sprecher „Die Segel/ wo hinein bläst der begierende Wind“ (V. 5). Durch die hier genutzte Personifikation6 wird veranschaulicht, dass es eigentlich keine großen Anstrengungen benötigt, die ‚große‘ Liebe zu finden, sondern nur Zeit und Geduld.
Die durchgängige Bildsprache erhält in der dritten Strophe direkten Bezug zum Menschen, da hier Bereiche des menschlichen Körpers genannt werden, die man ohne große Überlegung als Symbole der Liebe erkennt. Dazu zählen die Begriffe „Mund“ (V. 10), „Brüste“ (V. 11) und „Kuß“ (V. 12).
Der Tiefpunkt der Handlung wird hauptsächlich durch die negativen Begriffe „umwölckt“ (V. 13), „Schiffbruch“ (V. 14), „Untergang“ (V. 15) und „Verderb“ (V. 15) erzeugt, eingebettet in die Anapher von Vers 14 bis 16. Hier wird kenntlich gemacht, dass die Liebe blind macht und man so im übertragenen Sinne ohne Orientierung auf dem Meer treibt, auch wenn dabei für die leidenschaftliche Hingabe zu einer Person der Tod in Kauf genommen werden muss. Erste Anzeichen für diese innere Einstellung wird bereits in dem neunten Vers ersichtlich, in dem der „Stern“ als Herz seiner Geliebten angesehen werden kann. Er wirkt anziehend und ist vergleichbar mit einem Leuchtturm einer Küste, der Orientierung in einer auf dem Meer ausgesetzten Lage bietet, zugleich aber auch als Warnung einer Gefahr angesehen wird, in der sich der lyrische Sprecher vermutlich befindet. Erschwert wird diese Situation durch die Aussage „wird aber hier umwölckt/ durch blinder brünste rauch/ Die sonne der vernunfft/ so folgt der schiffbruch auch (...)“ (V. 13f.), wodurch die Sicht in die Ferne beziehungsweise das Finden der Geliebten erschwert und ein Scheitern in der Liebe schon fast unausweichlich wird.
Schon der Titel der Gedichtsammlung „Venus“, aus der das Gedicht stammt, ist sehr aussagekräftig in Bezug zu der gesamten Handlung. Venus war in der Antike die Göttin der Liebe. Daher wird gezeigt, wie mächtig die Liebe zwischen zwei Personen sein kann, was auch der lyrische Sprecher bereits erfahren hat.
So wird zusammenfassend in dem Gedicht von Daniel Casper von Lohenstein dargestellt, wie der lyrische Sprecher, welcher sich mit dem Meer verbunden fühlt, seine Geliebte zunächst findet und schließlich von ihr verführt wird. Um mit ihr für immer zusammen zu sein, würde er sogar für sie sterben, da seine Liebe so intensiv zu ihr ist, dass ihn nur eine ultimative Entgrenzung zur vollkommenen Befriedigung führen kann.