Inhaltsangabe, Analyse und Interpretation
In dem Gedicht „Der Spinnerin Nachtlied“ von Clemens Brentano geht es um eine Frau, die vor längerer Zeit von ihrem Geliebten getrennt worden ist. Sie klagt über die Einsamkeit und die Eintönigkeit ihres Lebens als Spinnerin. Das Gedicht wurde 1818 veröffentlicht und stammt somit aus der Romantik. Es besteht aus sechs Strophen die jeweils 4 Verse beinhalten. Das Reimschema ist ein Umarmender Reim, also abba. Es ist geschrieben in dreihebigen Jamben.
Das lyrische Ich erzählt von seinen jetzigen und seinem damaligen Leben. Dies wird durch den wechselnden Gebrauch von Präteritum (Strophe 1,3,5) und Präsens (2,4,6) verdeutlicht.
Strophe eins beschäftigt sich mit der Erinnerung an frühere Zeiten. Der Zusammenhang zwischen dem Gesang der Nachtigall und der schönen Zeit zusammen wird hergestellt. Die Alliteration1 in Vers 3 'süßer Schall' verdeutlicht das glückliche Leben welches ultimativ an den Gesang bzw den Schall der Nachtigall gebunden zu sein scheint.
Die nächste Strophe verdeutlicht, dass das lyrische Ich nicht im Stande ist seinen Schmerz zu Verarbeiten, da es sagt 'kann nicht weinen' (V 5). Es wird auch von dem Faden, den sie spinnt gesprochen, welcher ein Symbol für den Lebensfaden sein könnte, dessen Ursprung in der griechischen Mythologie bei den Moiren zu finden ist. In Vers 8 stellt der Mond ein Symbol für die Sehnsucht dar.
Die dritte Strophe ist wieder eine Erzählung aus früheren Zeiten. Der Zusammenhang zwischen Gesang der Nachtigall und der schönen Zeit wird abermals gemacht. Denn in Vers 11 steht der Gesang der Nachtigall für die Erinnerung an damals und somit auch für die jetzige Einsamkeit an die das lyrische Ich bei jedem "Schall" der Nachtigall erinnert wird. Der 12. Vers kann auf verschiedene Weisen interpretiert werden; entweder der Geliebte ist verstorben, welches hier also ein Euphemismus2 wäre da "gefahren" statt verstorben benutzt wird, oder aber der Geliebte hat das lyrische Ich verlassen, ist also quasi mit einer Kutsche davon gefahren. Diese Tatsache wird im ganzen Gedicht nicht näher erläutert von daher muss man diese Ungewissheit als Stilmittel Brentanos auffassen.
Die drauf folgende Strophe ist wieder im Präsens geschrieben, da es wieder die aktuelle Situation des lyrischen Ichs beschreibt. Wieder kommt der Mond als Symbol für die Sehnsucht zum Einsatz. Dies macht auch die enge Verstricktheit zwischen der 2. und 4. Strophe deutlich. Es wird auch die moralische Korrektheit oder Reinheit des lyrischen Ichs verwiesen (V 15) welches den Effekt der 'unschuldig beraubten' Frau verstärkt. Somit muss sich auch der Leser Gedanken machen warum eine Frau mit solch reinem Herzen denn von ihrem Geliebten getrennt wurde. Was dies noch weiter verstärkt ist Vers 16 welcher aussagt, dass selbst Gott die beiden zusammen wolle.
In der vorletzten, fünften Strophe ist der erste Vers eine Repetition des 12. Verses. Es wird also erneut Bezug auf die Trennung des lyrischen Ichs und seines Geliebten genommen. Ebenso sind auch die restlichen 3 Verse der Strophe inhaltlich er 3. Strophe sehr ähnlich. Das lyrische Ich klagt, dass der Gesang der Nachtigall wohl immer Erinnerungen an früher weckt.
Die letzte Strophe beginnt mit einer Repetition des 16. Verses. ("Gott wolle uns vereinen") Das lyrische Ich scheint nochmal eine zusammenfassende Erzählung seines jetzigen Lebens zu machen. Es verweist dabei stark darauf, dass es eigentlich Gottes Plan gewesen sei, die beiden zu vereinen, sie aber nun alleine spinnt, Tag ein Tag aus. Der Mond scheint, also ist die Sehnsucht in ihr groß, aber sie singt und kann einfach nicht weinen. Das lyrische Ich ist nicht fähig über den Schmerz hinwegzukommen.
Da sich sehr viele Strophen inhaltlich ähnlich sind, sind auch viele Parallelstrukturen zu finden (V23-15-V7). Wenn man sich die Reime genauer anschaut, bemerkt man, dass es nur vier Reimklänge gibt (-a(h)ren, -all, -einen, -ein) welches also auf die deutliche Einschränkung an Wörtern hindeutet. In jeder Strophe des Präsens (2,4,6) betont das lyrische Ich, dass es alleine ist. Dazu wird das Wort allein in jeder dieser Strophen repetitiert. Entweder es spinnt allein oder es denkt an den Verlorenen allein. Es wird also davon ausgegangen, dass das spinnen an sich zwar monoton ist, was aber das lyrische Ich so stört, ist, dass es all dies alleine tun muss. Auch das Motiv des Gesangs setzt sich durch das ganze Gedicht hindurch. Die einzige Strophe die das Verb singen nicht enthält ist die vierte Strophe. Durch diese Repetition und drastische Verwendung des Verbes singen wird zum Einen zum Ausdruck gebracht, dass das Singen der Nachtigall an früher erinnert und somit positiv, als auch im negativ aufgefasst werden kann, da es ja die Schmerzen des Verlustes. Zum Anderen aber singt die Spinnerin ja selber, was darauf hindeutet, dass sie quasi durchs Singen ihre Gefühle verarbeiten möchte. Singen steht hier also zum einen für den Auslöser von Schmerz sowie den Mechanismus für die Verarbeitung des Schmerzes. Es wird in dem Gedicht ein direkter Bezug zwischen Mensch und Natur hergestellt (Spinnerin - Mond, Nachtigall) deswegen ist dies eindeutig als Gedicht der Romantik zu klassifizieren. Die Trauer und Einsamkeit der Spinnerin wird durch mehrfache Repetitio3 sowie dem Symbol des Mondes und der Nachtigall hervorgerufen. Die wechselnden Zeitformen zeigen den Wechsel und die Auswirkungen zwischen damals und heute.