Gedicht: Ich habe gehört, ihr wollt nichts lernen (1932)
Autor/in: Bertolt BrechtEpoche: Neue Sachlichkeit
Strophen: 3, Verse: 20
Verse pro Strophe: 1-8, 2-8, 3-4
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Inhaltsangabe, Analyse und Interpretation
Das Gedicht „Ich habe gehört, ihr wollt nichts lernen“ von Bertolt Brecht aus dem Jahre 1932 befasst sich ironisch mit dem Aufgeben des Lernen und dem Abgeben der Selbstverantwortung an Andere und verschiedene Führer.
Betrachtet man den Aufbau des Gedichtes, so wird deutlich, dass typische Merkmale eines Gedichts fehlen. Dementsprechend verzichtet Brecht in seinem Text auf ein Reimschema und ein einheitliches Versmaß. Weiterhin besteht das Gedicht aus drei Strophen, wobei die ersten zwei Strophen aus acht Versen bestehen, der letzte Absatz hingegen aus vier Versen, womit offensichtlich die Bedeutung dieser Strophe hervorgehoben werden soll. Grundsätzlich erinnert Brechts Text eher an eine kritische Ansprache als an eine Dichtung, obgleich ungeklärt bleibt, ob hier die Jugend oder allgemein die Gesellschaft als Ansprechpartner dient.
In der ersten Strophe wird offensichtlich die Schülerschaft und die Jugend thematisiert, da Brecht seine Annahme, dass die Jugend das Lernen aufgegeben hätte, ironisiert mit Aussagen wie „Ihr seid Millionäre. Eure Zukunft ist gesichert“ oder „So wie du bist, kannst du bleiben“. Damit wird beanstandet, dass die Jugend es nicht für nötig erachtet, sich fortzubilden, da die Eltern schon für deren Zukunft vorgesorgt haben, sodass diese keinerlei Schwierigkeiten zu befürchten haben. Es wird sich auf dem vorhandenen Reichtum der Eltern ausgeruht und nötige Vorkehrungen für das Erwachsensein werden ignoriert. Der jetzige Wissenstand reiche dafür vollständig aus, wird provokant behauptet. Möglicherweise spielt Brecht hier auf die Hitlerjugend an, da die dort tätigen Jugendlichen oftmals dem Schulalltag entzogen wurden und die einzige vermittelte Bildung auf den Krieg ausgerichtet war, um diese auf die folgenden Kriege vorzubereiten. Das Veröffentlichungsjahr dieser Dichtung lässt eine solche Schlussfolgerung zu.
Die zweite Strophe kann, im Gegensatz zur ersten Strophe, auf die gesamte Allgemeinheit bezogen werden und spielt deutlicher auf die aufkommende Sympathie gegenüber der NSDAP und der bevorstehenden Herrschaft der Nationalsozialisten an. Dass diese noch bevorsteht, verdeutlicht auch der Wechsel von der Vergangenheitsform in den Konjunktiv im Futur. Doch es lassen sich auch Parallelen zur Zeit der Aufklärung finden.
Brecht schreibt zu Anfang dieses Absatzes, dass zurzeit unsichere Zeiten herrschen, welches zweifelsohne eine Anspielung auf die sich in der Auflösung befindende demokratische Weimarer Republik und die Weltwirtschaftskrise von 1929, welche eine hohe Arbeitslosigkeit in Deutschland hervorgerufen hatte und somit eine erhebliche Belastung für die Bevölkerung darstellte. Die Unsicherheit der Bevölkerung gegenüber dem neuen politischen System, welches zum ersten mal in der deutschen Geschichte demokratischer Natur war, jedoch als gescheitert galt, und das Verlangen nach einer alten, bekannten und geordneten Regierungsform war groß. Deswegen wird in dem weiteren Verlauf der Strophe von „Führern“ gesprochen, welche die Antwort auf alle Fragen wären und die Weisheit implizieren, so beschreibt es Brecht ironisch. Auch von „Rezepten, die immer helfen“, ist die Rede, womit wahrscheinlich der propagierte Antisemitismus als Hilfe zur Machtergreifung und zur Mobilisierung der deutschen Bürger kritisiert wird. Dieses blinde Vertrauen der Bevölkerung gegenüber den Führern sieht Brecht als ein Aufgeben der Selbstverantwortung und des eigenen Denken. Man bleibt lieber selbst unmündig, entweder aus Faulheit oder aus Angst; solange es Menschen gibt, die Verantwortung und Handeln übernehmen, gäbe es nichts zu befürchten. Obwohl das Zeitalter der Aufklärung zu dieser Zeit schon lange vorbei ist, so erinnert dieses Schema des Übertragen der Eigenverantwortung an andere Führer sehr an die typischen Merkmale der damaligen Gesellschaft, so wie Immanuel Kant diese schon in seinem Text „Was ist Aufklärung?“ beschrieb.
Auch die letzte Strophe knüpft an diesen Gedanken an. Solange es genug Mitmenschen, Vormünder oder Führer gibt, denen man die Eigenverantwortung abgeben kann, so könne sich jeder zurücklehnen und „keinen Finger rühren“. In den letzten zwei Versen gerät Brecht sogar ins sarkastische, indem er schreibt „Freilich, wenn es anders wäre müßtest du lernen“. Hierbei versucht er, den Leser aufzurütteln, indem er diesem provozierend bewusst macht, dass sich diese Situation der Unverantwortung schnell ändern könnte und es nötig wäre, selbstständig zu lernen oder zu denken. Die letzte Strophe fasst in ihren vier Versen die Situation kurz und prägnant zusammen, dass die wahrscheinlich falschen Führer die Verantwortung übernehmen.
Abschließend kann man festhalten, dass Brecht die damaligen gesellschaftlichen Zustände und die daraus resultierenden Handlungen der Bevölkerung genau analysiert. Seine Dichtung soll eine provozierende und herausfordernde Wirkung bei dem angesprochenen Leser erzielen, den Zustand zu hinterfragen, dass einige Führer die Verantwortung übernommen haben.