Drama: Der gute Mensch von Sezuan (1938-1940)
Autor/in: Bertolt BrechtEpoche: Literatur im Nationalsozialismus / Exilliteratur / Emigrantenliteratur
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Inhaltsangabe/Zusammenfassung, Szenen-Analyse und Interpretation
Der vorliegende Epilog (S. 134, Z. 14 – S. 135, Z. 7) stammt aus dem von Bertolt Brecht verfassten Drama „Der gute Mensch von Sezuan“, welches 1953 nach einigen Theateraufführungen erstmals als Buch veröffentlicht wurde. Ein Spieler entschuldigt sich für das offene und ernüchternde Ende und fordert das Publikum auf, selbst einen zufriedenstellenden Schluss zu finden. Die Zuschauer werden also in die gesellschaftskritische und antikapitalistische Thematik des Dramas mit einbezogen und dazu angeregt, diese auf das eigene, reale Leben zu beziehen 1.
Im Folgenden werde ich zunächst die Handlungsvoraussetzungen und den Inhalt zusammengefasst darstellen und anschließend den Epilog analysieren.
Nachdem Shen Te den Göttern beichtet, dass sie als guter Mensch nicht menschenwürdig leben kann und somit ihre Bedingungen nicht erfüllt, beschönigen diese die Situation und halten an ihrer Illusion fest, um auf keinen Fall abdanken zu müssen. Schließlich verlassen sie die Erde und lassen die verzweifelte Shen Te zurück.
In dem Epilog bedauert ein Spieler diesen für das Publikum unvollendeten und unbefriedigenden Schluss. Er macht deutlich, dass es entgegen aller Bemühungen nicht möglich war, ein zufriedenstellendes Ende zu finden. Trotzdem bittet er die Zuschauer, eine Empfehlung für das Stück auszusprechen um ihre Existenz zu sichern. Außerdem fordert er sie dazu auf, sich selbst mit der Suche nach einer Lösung auseinanderzusetzen und hilft ihnen mit einigen Denkansätzen.
Schon zu Beginn des Epilogs richtet sich der Spieler mit der Anrede „Verehrtes Publikum“ (S. 134, Z. 18) direkt an die Zuschauer, um sie aktiv in die Problemstellung einzubinden. Die Götter haben die kapitalistische Welt samt der verzweifelten Shen Te unverändert zurückgelassen, obwohl ihre zu Beginn aufgestellten Bedingungen nicht erfüllt wurden. In Shen Te haben sie zwar einen guten Menschen gefunden, der jedoch durch seine mitfühlenden Taten nicht menschenwürdig leben kann. Dies wiederum gelingt ihr als kaltherziger, profitorientierter Shui Ta, der aber kein guter Mensch ist.
Mit den Worten „die goldene Legende“ (S. 134, Z. 20) macht Brecht deutlich, wie wertvoll und schätzenswert eine zufriedenstellende Lösung wäre, aber auch wie unwahrscheinlich und schwierig es ist, eine zu finden.
Auch folgende Aussage unterstützt dies: „Wir konnten keine finden, nicht einmal für Geld.“ (S. 134, Z. 30). Die im gesamten Drama geäußerte Kritik am Kapitalismus wird erneut sichtbar, als der Spieler das Publikum mit flehenden Aussagen wie „Wir sind bankrott, wenn Sie uns nicht empfehlen!“ (S. 134, Z. 27) darum bittet, positiv von dem Stück zu berichten und es anderen anzuraten. Auch die Schauspieler und die Zuschauer befinden sich in einer kapitalistischen Gesellschaft und sind dringend auf das Geld anderer angewiesen. Durch mögliche Lösungsansätze, welche in Form von Fragen direkt an das Publikum gerichtet werden und dem Befehl „Verehrtes Publikum, los, such dir selbst den Schluß!“ (S. 135, Z. 6), versucht Brecht den Menschen dafür die Augen zu öffnen und sie zu animieren, über die geäußerte Kritik nachzudenken und Auswege für die vom Kapitalismus verursachten Probleme zu finden 2. Mit dem aussagekräftigen Wort „muß“ in folgender Aussage wird schließlich die Notwendigkeit eines solchen Auswegs verdeutlicht: „Es muß ein guter da sein, muß, muß, muß!“ (S. 135, Z. 6).
Zusammenfassend kann man sagen, dass sich meine zu Beginn aufgestellte These bestätigt hat. Bertolt Brecht verfolgt mit seinem epischen Theater die Intention, seine Zuschauer nicht mit Illusionen zu blenden und sie in einer fiktiven Welt gefangen zu halten. Er möchte sie vielmehr aktiv in die Handlung einbeziehen und ihnen verdeutlichen, dass die Welt und die Umstände nicht so sein müssen, wie sie sind, sondern jederzeit durch die Menschen verändert werden können 3. Eine von vielen gewünschte Veränderung und Besserung der Verhältnisse müsse folglich nicht von einer höheren Macht wie den Göttern, sondern von allen Menschen ausgehen.
1 Dabei ist jedoch laut einem anonymen Autor eines Internetartikels folgendes zu beachten: Das Publikum soll sich nicht in Gedanken, Gefühle oder daraus resultierende Handlungen der Schauspieler hineinversetzen. Es soll vielmehr auf schwierige Verhältnisse aufmerksam gemacht und davon abgeschreckt werden, um bei ihm den Wunsch nach Veränderung und Besserung sowie Gedanken über mögliche Lösungen hervorzurufen.
Anonym: Das epische Theater von Bertolt Brecht – Der gute Mensch von Sezuan. schreiben10.com. http://www.schreiben10.com/referate/Literatur/30/Das-epische-Theater-von-Bertolt-Brecht---Der-gute-Mensch-von-Sezuan-reon.php (letzter Aufruf vom 14.06.2017)
2 Das gesamte Drama ist darauf ausgelegt, die in der kapitalistischen Gesellschaft lebenden Menschen auf die Missstände und die Notwendigkeit einer starken Veränderung aufmerksam zu machen. Ähnlich sieht das der Autor eines Artikels im Internet: „Die Gesellschaftsordnung bedarf einer Revolution!“
Anonym: Das epische Theater von Bertolt Brecht – Der gute Mensch von Sezuan. schreiben10.com. http://www.schreiben10.com/referate/Literatur/30/Das-epische-Theater-von-Bertolt-Brecht---Der-gute-Mensch-von-Sezuan-reon.php (letzter Aufruf vom 14.06.2017)
Die Frage, wie solch eine Revolution aussehen soll, bleibt jedoch sowohl in Brechts Drama als auch in dem Artikel unbeantwortet. Die Antwort müssen die Menschen somit selbst finden.
Dieser Meinung ist auch Hans Gerke: „Folgerichtig demonstrieren die Helden des ‚Guten Menschen‘ nicht die Lösung des Problems. Ihre Demonstration gilt vielmehr dem Nachweis der Notwendigkeit einer Lösung.“
Gerke, Hans: Brecht. Der Gute Mensch von Sezuan – Leben des Galilei. Hollfeld 1973, S. 112
3 Diese Meinung vertritt auch ein anonymer Autor in seinem Internetartikel: „Der Schluß des Schauspiels, dessen Handlung dem klassischen Aufbau der aristotelischen Dramaturgie zuwiderläuft, ist im dialektischen Sinn offen, um dem Betrachter ein abschließendes Urteil selbst zu überlassen bzw. soll der Zuschauer die Antworten auf die aufgeworfenen Fragen selbst finden.“
Anonym: Das epische Theater von Bertolt Brecht – Der gute Mensch von Sezuan. schreiben10.com. http://www.schreiben10.com/referate/Literatur/30/Das-epische-Theater-von-Bertolt-Brecht---Der-gute-Mensch-von-Sezuan-reon.php (letzter Aufruf vom 13.06.2017)
Das epische Theater verlangt vom Publikum das Treffen von Entscheidungen und das Gewinnen von Erkenntnissen. Die von Brecht verübte Gesellschaftskritik soll dadurch von den Menschen weitergedacht werden und sie zum Überdenken ihrer eigenen Ansichten und Handlungen anregen.
I. Primärquellen
Brecht, Bertolt: Der gute Mensch von Sezuan. Frankfurt am Main 2003 (12. Auflage 2016)
II. Sekundärquellen
Anonym: Das epische Theater von Bertolt Brecht – Der gute Mensch von Sezuan. schreiben10.com. http://www.schreiben10.com/referate/Literatur/30/Das-epische-Theater-von-Bertolt-Brecht---Der-gute-Mensch-von-Sezuan-reon.php (letzter Aufruf vom 14.06.2017)
Kedves, Jan: Der letzte Schrei. In: Süddeutsche Zeitung vom 3./4./5.06.2017, S. 59
Sundermeier, Jörg: Bertolt Brecht: Der gute Mensch von Sezuan. fluter.de vom 05.12.2007. http://www.fluter.de/bertolt-brecht-der-gute-mensch-von-sezuan (letzter Aufruf vom 09.06.2017)