Inhaltsangabe/Zusammenfassung
„Der gute Mensch von Sezuan“ ist ein Theaterstück von Bertolt Brecht, das 1943 am Schauspielhaus Zürich uraufgeführt wurde. Es gehört dem epischen Theater an, das Brecht erfunden hat: Das Stück enthält typische dramatische Elemente wie Dialoge, aber auch Merkmale aus der Epik, vor allem erzählerische Elemente. Viele Teile der Handlung werden deshalb nicht mehr wie im klassischen Theater auf der Bühne dargestellt, sondern von den Charakteren erzählt. Typisch für das epische Theater ist zudem, dass der Zuschauer zum Mitdenken angeregt werden soll. „Der gute Mensch von Sezuan“ erreicht dies unter anderem durch das offene Ende, denn damit gibt der Autor dem Publikum keine Antworten vor. Handlungsort ist die Hauptstadt der Provinz Sezuan in China, die im Stück jedoch laut Angaben Brechts als Parabel verwendet wird. Es geht nicht um den realen Ort.
Szenen- und Kapitelübersicht
Vorspiel
Der Wasserverkäufer Wang erzählt von der großen Armut, die in der Hauptstadt von Sezuan herrscht. Als letzte Rettung hofft er auf einige der höchsten Götter, die gerüchtehalber angekommen sein sollen. Wang wartet am Stadteingang auf sie. Dort tauchen tatsächlich drei Götter auf, die auf der Suche nach guten, gottesfürchtigen Menschen sind. Sie bitten Wang, für sie eine Unterkunft für die Nacht zu finden. Doch Wang wird überall abgewiesen, bis er zu der armen Prostituierten Shen Te geht. Sie gewährt den drei Göttern in ihrem bescheidenen Zimmer Obdach. Als Shen Te ihnen am nächsten Morgen erzählt, dass sie ihre Miete nicht mehr bezahlen kann, geben ihr die Götter viel Geld.
Szene 1
Von dem Geld kauft Shen Te einen kleinen Tabakladen. Bereits vor der Eröffnung bitten Menschen sie um Reis und Zigaretten. Sie verschenkt die Waren und lässt sogar eine achtköpfige, obdachlose Familie in ihrem Laden übernachten. Plötzlich stürmt der Schreiner Lin To herein und verlangt von Shen Te Geld für die Ladenregale, weil die Vorbesitzerin ihn nie bezahlt hat. Shen Te hat jedoch kein Geld. Dann kommt die Hausbesitzerin Mi Tzü mit dem Mietvertrag. Sie verlangt vor der Unterschrift Referenzen, die bezeugen, dass Shen Te eine respektable Person ist. Auch das kann Shen Te nicht liefern. Deshalb erfindet sie ihren Vetter Shui Ta, der den Schreiner bezahlen und die Referenz ausstellen soll.
Zwischenspiel 1
Wang versteckt sich seit vier Tagen unter einer Brücke vor den Göttern, weil sie bemerkt hatten, dass er beim Wasserverkauf betrügt. Im Traum erscheinen ihm nun die drei Götter. Sie fordern Wang auf, Shen Te zu besuchen und ihnen anschließend zu berichten, wie es ihr geht. Die Götter verschwinden, denn sie wollen weiter nach guten Menschen auf der Erde suchen.
Szene 2
Am Morgen kommt ein junger Mann zum Tabakladen, während Shen Te nicht da ist. Er stellt sich als Vetter Shui Ta vor. Die obdachlose Familie ist überrascht, denn sie dachte, Shen Te hätte sich den Vetter ausgedacht. Frau und Mann fordern ihren Neffen auf, beim Bäcker Kuchen zu klauen. Der Vetter handelt den Schreiner von 100 Silberdollar auf 20 herab. Anschließend will Shui Ta die Familie aus dem Laden werfen. Ein Polizist, der den stehlenden Neffen ertappt, führt die Familie ab. Die Hausbesitzerin kommt dazu und fordert die Miete für sechs Monate im Voraus. Um das Geld aufzubringen, schlägt der zurückgekehrte Polizist vor, Shen Te zu verheiraten. Er formuliert eine Heiratsannonce.
Szene 3
Im Stadtpark ist Shen Te auf dem Weg zum ersten Treffen mit einem Witwer. Dort trifft sie jedoch den arbeitslosen Flieger Yang Sun und hält ihn vom Selbstmord ab. Es fängt zu regnen an und der Wasserverkäufer Wang läuft durch den Stadtpark. Er singt darüber, wie ihm der Regen das Geschäft kaputt macht. Shen Te kauft einen Becher Wasser bei Wang und stellt danach fest, dass Sun unter einem Baum eingeschlafen ist.
Zwischenspiel 2
Wang schläft in einem Kanalrohr, als ihm die Götter wieder erscheinen. Sie fragen nach Shen Te und Wang erzählt, dass sie Wohltaten vollbringt, sich in Sun verliebt hat, anderen Gutes tut und „Engel der Vorstädte“ genannt wird. Als Wang jedoch berichtet, dass Shen Te in einer schwierigen Situation ihren Vetter um Hilfe gebeten hat, sind die Götter enttäuscht und zweifeln daran, dass sie gut genug ist.
Szene 4
Vor dem geschlossenen Tabakladen tratschen am nächsten Morgen mehrere Menschen darüber, dass Shen Te nicht nach Hause gekommen ist. Sie hat die Nacht bei Sun verbracht und kommt nun glücklich verliebt zurück. Shen Te leiht 200 Silberdollar bei einem Ehepaar, das neben ihrem Tabakladen Teppiche verkauft. Damit will sie die geforderte Miete bezahlen. Suns Mutter sucht Shen Te überraschend auf, da ihr Sohn eine Fliegerstelle bei der Post in Peking angeboten bekommen hat. Um sie antreten zu können, muss er jedoch 500 Silberdollar bezahlen. Shen Te gibt Frau Yang die geliehenen 200 Silberdollar und will sich nach einer Möglichkeit umhören, wie sie das restliche Geld beschaffen kann.
Zwischenspiel 3
Shen Te singt „Das Lied von der Wehlosigkeit der Götter und Guten“ und zieht dabei die Maske und Kleidung ihres Vetters Shui Ta an. Es wird deutlich, dass sie beide Rollen spielt.
Szene 5
Shen Te sitzt verkleidet als der Vetter im Tabakladen, als Sun vorbeikommt. Er will, dass Shen Te den Laden für 300 Silberdollar an die Hausbesitzerin verkauft. Diese stimmt dem Verkauf zu. Es stellt sich heraus, dass Sun mit dem Geld einen Freund besticht, der ihm die Stelle verschaffen soll. Außerdem gibt er zu, dass er Shen Te nicht mit nach Peking nehmen will. Als Vetter verkleidet, spricht Shen Te daraufhin den Barbier Shu Fu an, der Interesse an einer Ehe mit ihr bekundet hatte. Sie vereinbaren die Verlobung, doch als Shen Te später unverkleidet Sun gegenübersteht, entscheidet sie sich doch für ihn.
Zwischenspiel 4
Shen Te ist auf dem Weg zu ihrer Hochzeit mit Sun, berichtet dem Publikum jedoch von ihrem schlechten Gewissen, denn sie kann den Teppichhändlern die geliehenen 200 Silberdollar nicht zurückzahlen.
Szene 6
In einem billigen Restaurant wollen Shen Te und Sun ihre Hochzeit feiern. Sun hat jedoch von Shen Te erfahren, dass sie mit dem Verkaufserlös ihres Ladens den Teppichhändlern die 200 Silberdollar zurückzahlen will und ihm deshalb das Geld nicht geben kann. Sun will die Hochzeit aufschieben, bis der Vetter ankommt, um mit ihm den Verkauf des Ladens zu regeln. Shen Te will Sun das Warten ausreden, doch er besteht darauf. Der Priester verlässt die Feier und Sun singt „Das Lied vom Sankt Nimmerleinstag“.
Zwischenspiel 5
Wang sieht erneut die Götter im Schlaf. Er sagt, dass er sich um Shen Te Sorgen macht, und bittet die Götter einzugreifen. Sie lehnen ab, da sie als Götter nur Beobachter sein können und die Menschen sich selbst dazu entscheiden müssen, gut zu sein.
Szene 7
Hinter ihrem Tabakladen packt Shen Te ihre Sachen auf einen Wagen. Sie hat sich von Sun getrennt und steht kurz vor dem Verkauf ihres Ladens an die Hausbesitzerin. Shu Fu gibt Shen Te ohne eine Gegenleistung zu erwarten einen leeren unterschriebenen Scheck. Sie soll den benötigten Betrag selbst ausfüllen. Nachdem Shu Fu gegangen ist, stellt Shen Te fest, dass sie von Sun schwanger ist. Als Vetter Shui Ta richtet sie in den Häusern von Shu Fu eine Tabakfabrik ein und gibt dort all ihren ehemaligen Bittstellern einen Job. Den Verkauf des Ladens sagt der Vetter ab und überreicht der Hausbesitzerin stattdessen den ausgefüllten Blankoscheck für die Miete.
Zwischenspiel 6
Im Traum spricht Wang mit den müden Göttern und bittet sie, ihre Anforderungen an Shen Te zu senken. Die Götter lehnen ab.
Szene 8
Unter unwürdigen Bedingungen arbeiten die Menschen in der erfolgreichen Tabakfabrik, die der Vetter mit strenger Hand führt. Suns Mutter erzählt dem Publikum, dass sie ihrem Sohn hier eine Stelle verschafft hat und sich dieser vom einfachen Arbeiter zum Aufseher hinaufgearbeitet hat. Seine Mutter beschreibt Sun als einen veränderten Menschen.
Szene 9
Der Vetter hat den Tabakladen in einen eleganten Kontor verwandelt. Die Teppichhändler kommen vorbei, um mit Shen Te über das zurückgezahlte Geld zu sprechen. Jedoch erfahren sie, dass Shen Te bereits längere Zeit nicht mehr hier war und der Zeitpunkt ihrer Rückkehr unbekannt ist. Sun teilt Shui Ta mit, dass seine Fabrik gegen Auflagen verstößt und die Polizei mit der Schließung droht. Deshalb vereinbart der Vetter mit Shu Fu und der Hausbesitzerin die Übernahme zusätzlicher Fabrikräume. Wang vermutet mittlerweile, dass Shen Te etwas zugestoßen ist und ihr Vetter sie einsperrt. Von ihm erfährt Sun auch, dass Shen Te schwanger sein soll. Wang und Sun bringen den Polizisten zu Shui Ta, der bei ihm die Kleidung seiner Cousine findet. Wegen Mordverdachts nimmt der Polizist den Vetter mit auf das Revier.
Zwischenspiel 7
Wang träumt zum letzten Mal von den Göttern und schildert ihnen die neuen Entwicklungen. Sie sind entsetzt und wollen Shen Te aufspüren.
Szene 10
Im Gerichtssaal muss Shui Ta als Angeklagter vor die drei Götter treten, die die Richter des Prozesses sind. Bei deren Anblick wird der Vetter ohnmächtig. In der Verhandlung versucht er, sich zu verteidigen gegen die vielen wütenden Bewohner von Sezuan. Shen Te kann die Täuschung nicht länger aufrecht halten und lässt den Saal räumen. Vor den Göttern gibt sie zu, dass sie selbst der Vetter ist. Sie rechtfertigt ihre Entscheidung damit, dass die Guten bestraft und die Bösen für ihr Verhalten belohnt werden. Die Götter wollen nicht wahrhaben, dass Shen Te nicht nur der gute, sondern auch der böse Mensch ist. Sie bezeichnen Shen Te als verwirrt, um sich selbst nicht eingestehen zu müssen, dass ihre Gebote auf Erden nicht funktionieren. Die Götter schweben auf einer rosa Wolke in den Himmel zurück und preisen Shen Te als guten Menschen von Sezuan, obwohl sie um Hilfe bittet.
Epilog
Ein Schauspieler tritt vor den Vorhang und erklärt, dass das Stück ein offenes Ende habe. Deswegen fordert er das Publikum auf, über das Gesehene nachzudenken. Jeder Zuschauer soll für sich selbst beantworten, wie ein guter Mensch zu einem guten Ende kommen kann.