Roman: Tauben im Gras (1951)
Autor/in: Wolfgang KoeppenEpoche: Nachkriegsliteratur / Trümmerliteratur
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Inhaltsangabe/Zusammenfassung, Szenen-Analyse und Interpretation
Der zu analysierende Romanauszug stammt aus dem Werk „Tauben im Gras“, welches 1951 von Wolfgang Koeppen veröffentlicht wurde. Der Roman beschreibt einen Tag in einer Großstadt im Süden der Bundesrepublik, vermutlich München; er behandelt das Leben von circa 30 Personen in der Nachkriegszeit.
Der vorliegende Textauszug behandelt zwei verschiedene Situationen und widmet sich dementsprechend auch zwei verschiedenen Personen, nämlich dem schwarzen, amerikanischen Besatzungssoldat Odysseus Cotton und Phillip, einem Schriftsteller, der sich momentan in einer schweren Schreib- und Ehekrise befindet. Diese Schreibblockade und seine schlechte finanzielle Situation zwingen ihn Hilfsarbeiten, wie zum Beispiel das Verkaufen von Patentkleber anzunehmen, mit welchen er jedoch nicht klarkommt. Er fühlt sich einsam und „seiner Bestimmung beraubt“ (Z. 25f.). Aus diesen Gründen besucht Phillip regelmäßig einen Psychiater, Dr. Behude.
Die Textgrundlage ist in zwei Abschnitte unterteilt, was zunächst durch einen Absatz, aber auch die zwei verschiedenen Situationen die diese Absätze behandeln deutlich wird.
Widmen wir uns zunächst dem ersten Absatz. In diesem wird der schwarze Besatzungssoldat Odysseus Cotton in den Roman eingeführt. In den ersten Zeilen erfährt der Leser bereits einige wichtige Informationen über sein Wesen und seine momentane Situation als Soldat in Deutschland. Durch die Beschreibung „in der braunen Hand“ (Z. 2), wird zunächst seine Hautfarbe deutlich. Auch sein Name „Odysseus Cotton“ sagt viel über ihn aus. „Odysseus“ bezeichnet einen Helden aus der griechischen Mythologie. Odysseus Heimkehr aus Troja wird in der „Odyssee“, der Irrfahrt des Odysseus beschrieben. Das Wort Odyssee steht auch heutzutage noch als Metapher1 für eine schier unendliche Irrfahrt. In Verbindung mit Odysseus Nachnamen „Cotton“ (engl. Für Baumwolle), zeigt dies seine Vergangenheit und auch seine Situation in seinem Heimatland. In Amerika herrscht im Gegensatz zu Deutschland die Apartheid und viele der schwarzen Einwohner waren in der Landwirtschaft, vor allem auf Plantagen, tätig. Sein Vorname zeigt, dass auch Odysseus sich auf einer Art Irrfahrt befindet. Er sucht nach seiner Bestimmung und scheint planlos umherzuirren, was er im Buch ja auch teilweise tut.
Betrachten wir nun den Inhalt des ersten Abschnitts genauer. Odysseus verlässt den Bahnhof, es scheint als sei dieser gerade erst angekommen. Er trägt ein Kofferradio bei sich, welches „night and day“-vermutlich einen Jazz Song-spielt, ein Motiv, das auch im weiteren Verlauf des Romans noch auftritt und häufig dazu verwendet wird die Szenen in denen Odysseus vorkommt miteinander zu verknüpfen. Die Stimme, die aus dem Koffer singt, wird mit „wohlige Atmung, ein Hauch wie Samt, heiße Haut unter einer alten zerrissenen Autodecke in einer Wellblechhütte, Schreie, Brüllen der Riesenfrösche, Nacht am Mississippi“ (Z. 5ff.), beschrieben. Auch hier wird wieder Odysseus Situation in Amerika beschrieben und zeigt, dass das Kofferradio ihn an seine Heimat erinnert, aber nicht nur positive, sondern auch negative Erinnerungen, an Apartheid und Armut, werden geweckt.
Die Beschreibung, dass die Stimme, die „night and day“ singt, ihn „mit ihrem Klang den Kofferträger [hier ist Odysseus gemeint] gegen den Platz vor dem Bahnhof [abschirmt und] […] ihn in der Fremde wärmt“ (Z. 9ff.). Dies zeigt, dass er sich durch das Hören der Musik von den Deutschen abschirmt, aber auch Geborgenheit und Erinnerungen an Amerika wach hält und weckt.
Die Reihung von Fragen in den letzten drei Zeilen des Abschnitts zeigt, dass Odysseus sich unwohl in Deutschland fühlt und nicht weiß, auf was er sich einstellen sollte. Die Frage „Waren sie Freunde? Feinde?“ (Z. 17) zeigt eine bekannte Problematik der Besatzungsmächte, die angesichts des kalten Krieges sich niemals sicher sein konnten, ob und wann es wieder zu kriegerischen Auseinandersetzungen kommen könnte.
Betrachten wir nun den zweiten Abschnitt des gegebenen Textauszugs genauer. Der Autor Philip steht in einer Telefonzelle, deren Tür gerade zuschlägt. Die Szene beginnt in medias res, also mitten ins Geschehen hinein. Philip denkt darüber nach, wie er den Tag verbringen könnte. Die Personifikation2 „[d]ie Stunde gähnte“ (Z. 23), zeigt, wie langsam die Zeit für ihn zu vergehen scheint. Das Philipp sich „seiner Bestimmung beraubt“ fühlt, wird durch die Metapher „[Philipp] fühlte sich wie eine der leeren Packungen, die der Besen zum Kehricht gefegt hatte“(Z. 24f.). Er fühlt sich also leer und nutzlos. Daraufhin fragt er sich, ob es für ihn überhaupt eine Bestimmung gegeben hat oder er sich dieser erwehren könnte.
Nun überlegt er, ob er nach Hause gehen könnte. Er geht davon aus, dass sich seine Ehefrau Emilia, die sich gestern Abend betrunken hat und daraufhin ausgerastet ist, wieder beruhigt hat. Vor dieser ist er am Abend in ein Hotel geflohen. Er sinnt über die Vergangenheit von Emilia nach, die nun vermutlich auf ihrem Bett liegt, das zuvor ihrer Großmutter gehörte, welche noch ein reiches, unbeschwertes Leben führen konnte.
Die ehelichen Probleme von Philipp und Emilia werden auch durch die Metapher „Im verwilderten Garten der Villa blühte das Unkraut“deutlich. Das Motiv der Villa deutet an, dass, bevor der Garten verwilderte; bevor die Ehe der beiden in die Brüche ging, die Beziehung gut funktioniert haben muss. Das Blühen bedeutet darauf hin, dass sich die eheliche Situation der Beiden weiterhin verschlechtert, das Unkraut weiter wächst.
Philipp versucht nun, Dr. Behude, seinen Psychiater anzurufen, der eigentliche Grund warum er sich in der Telefonzelle befindet, wird so offenbart. Der Psychiater ist jedoch nicht erreichbar, es wird zudem deutlich, dass sich Philipps Erwartungen an Dr. Behude in Grenzen halten, er geniesst es jedoch, „sich in das verdunkelte Behandlungszimmer zu legen und den Gedanken freien Lauf zu lassen“ (Z. 51).
Abschließend lässt sich sagen, dass die beiden vorliegenden Textauszüge viel über die in ihnen behandelten Personen aussagen. Zum einen werden die Ängste und Fragen von Odysseus Cotton dargelegt und auch das Kofferradio als Schutzmechanismus charakterisiert und auch das Leitmotiv „night and day“ tritt zum ersten Mal auf. Zudem erfährt der Leser etwas über seine Vorgeschichte und Odysseus wird in den Roman eingeführt.
Zum anderen bietet sich ein Einblick in das Eheleben von Philipp und seine innere Befindlichkeit. Es wird deutlich, dass er sich ohne Bestimmung fühlt. Dieses Gefühl wird sicherlich durch die Schreibkrise verstärkt, in welcher er sich momentan befindet.