Roman: Tauben im Gras (1951)
Autor/in: Wolfgang KoeppenEpoche: Nachkriegsliteratur / Trümmerliteratur
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt und kann daher nicht angezeigt werden.
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt und kann daher nicht angezeigt werden.
Aufgabe 1: Analysiere den Textauszug hinsichtlich der Beziehung der beiden Figuren Carla und Washington
Aufgabe 2: Analysiere die Paarbeziehung von Carla und Washington unter Berücksichtigung des zeitgeschichtlichen Hintergrunds
Inhaltsangabe, Analyse und Interpretation
Der vorliegende Textauszug stammt aus Wolfgang Koeppens Nachkriegsroman „Tauben im Gras“ (1951), welcher das Leben von ca. 30 Figuren in einer süddeutschen Großstadt an einem einzigen Tag schildert. Dabei leiden die Personen unter den Nachwirkungen des 2. Weltkrieges und sind durch Orientierungslosigkeit und Unzufriedenheit geprägt.
In dem vorliegenden Romanauszug (S. 84 ff.) besucht der „Neger“ (Z. 10) Washington Price seine Geliebte Carla Behrend im Hurenhaus der Frau Welz. Dabei bringt er ihr Blumen als Geschenk mit und wird neugierig von allen Bewohnern des Hauses beobachtet und belauscht. Des Weiteren wird die schwierige Lebenssiutation der beiden beschrieben, so z. B. das Leid der beiden und Carlas negative Einstellung gegenüber Frau Welz und der Mädchen.
Der Ausschnitt beginnt mit einem Erzählerbericht (vgl. Z. 1-5). So beschreibt der Erzähler Washington „horizontblaue Limousine“ (Z. 1) und die Blumen mit gelben Stengeln (vgl. Z. 2). Die Blumen stehen für die materialistische Beziehung von Carla und Washington. Washington tritt hierbei als Umwerber Carlas auf, der um ihre Gunst wirbt. Washingtons optimistisches Wesen wird durch die Sonne, die „durch den verhangenen Himmel“ (Z. 3) drang, symbolisiert. Die durch den Erzählerbericht vorkommende Außensicht schwenkt nun in die Innensicht (Washingtons): „Washington fühlte, wie man ihn aus den Fenstern des Mietshauses beobachtete“ (Z. 4 f.). Somit kann man auch gleichzeitig von einem auktorialen Erzählverhalten ausgehen. Die Innensicht verdeutlicht, wie sehr die Beziehung der Begutachtung anderer unterliegt und somit den Vorurteilen der Zeit und Meinungen der anderen ausgesetzt ist. Die Lebenssituation der Mieter, die in vielen Parteien mit mehreren Personen in einem Raum leben (vgl. Z. 5 f.), gibt gleichzeitig Auskunft über Carlas wohnliche Lage, die sich nicht viel von der hier beschriebenen unterscheiden wird. Der Vergleich der Zimmer mit einem Käfig (vgl. Z. 6) verdeutlicht zum einen die wenig wohnliche Gestaltung, und zum anderen, dass das Leben der Figuren nicht nur räumlich eingeschränkt wird, sondern auch durch die Umstände der Zeit. Dies ist eine Anspielung des auktorialen Er-/Sie-Erzählers auf die eingeschränkte Beziehung Carlas und Washingtons, die noch weiter ausgeführt wird. Die wertende Aussage des Erzählers „im Zoo hauste man geräumiger“ (Z. 6) unterstreicht erneut, wie eingeschränkt Carlas materielle Situation ist. Dies steht im starken Kontrast zu ihrem vergleichsweise wohlhabenden Partner, der eine Limousine fährt, die „mehr als das Häuschen am Stadtrand, nach dem man sich ein Leben lang vergeblich sehnte“ (Z. 12 f.), kostet. Washingtons Person wird depersonifiziert, indem ausschließlich auf seinen Materialismus, wie seine Pakete, Blumen und sein Auto, geachtet wird (vgl. Z. 210 f.). Dabei wird auch der Neid der deutschen Bewohner deutlich. Sie (also ebenfalls auch seine Geliebte Carla) leiden unter den finanziellen Sorgen, die der Krieg mich sich bringt. Washington dagegen verkörpert das Bild der Siegermächte, hier der Amerikaner und steht somit für Wohlstand und Sieg. Dennoch geht aus der Innensicht Carlas, „Aus irgendeinem Komplex erboste es sie <8…)“ (Z. 8 f.), hervor, dass sie sich für Washington schämt. Das anaphorische Trikolon „Max sagte es, Max musste es wissen. Max arbeitetet in einer Garage.“ (Z. 14 f.) verdeutlicht, wie sehr Carla auf das Gesagte anderer achtet. Die Depersonifikation2 Washingtons „er war ein Mensch, wenn auch Neger“ (Z. 10), zeigt den Rassismus, den Washington als dunkelhäutiger Mensch ausgesetzt ist und die Konventionen, denen das paar dennoch unterliegt. Die verschiedene Pigmentierung der Haut ist somit ein großer Belastungsfaktor für die Beziehung. Der Erzähler schildert, wie sich einige alte Frauen über das Treiben in der Wohnung beschwert hatten und die Polizei dennoch tatenlos bleibt (vgl. Z. 15-20). Dies wird durch die Zeitungsüberschrift „Krebsschäden der Demokratie“ (Z. 16 f.) unterbrochen. Der Montagestil spiegelt demnach den zeitlichen Kontext des Romans wider. Die Überschrift greift nationalsozialistische Sentiments auf, d. h., dass die Hitler’sche Diktatur besser als die jetzige politische Lage ist. Carla und Washington sind somit auch dem politischen Spannungsfeld ausgeliefert. Nun werden die Bewohner des Hauses depersonifiziert, indem der Erzähler von „domestizierte[n] Raubtiere[n]“ (Z. 22) spricht. Diese menschenverachtende Aussage impliziert eine von ihnen ausgehende Gefahr, die durch ein zurückhaltendes Verhalten (symbolisch für die Domestikation) kaschiert wird. Dies wird besonders gestützt, da von einer ungünstigen Zeit für einen Raubüberfall der Herde auf das Wild gesprochen wird (vgl. Z. 21-23). Die Herde steht hierbei metaphorisch für die Bewohner und Washington symbolisiert das gefährdete Wild. Auch das Bild des Dschungels (vgl. ebd.) vermittelt einen chaotischen Zustand, der durch die chaotischen Zustände der Nachkriegszeit geprägt ist. Washington wird als invasiver Fremdling wahrgenommen (vgl. ebd.), so dass die verfestigte NS-Ideologie in den Köpfen der Menschen deutlich wird. Erneut kommt die Multiperspektivität zum Vorschein, indem der Erzähler von der Außensicht „Die Frau [Welz] war struwwelhaarig, fett, hängeärschig, schmutzig“ (Z. 24 f.), in die Innensicht, „ ich melk‘ den schwarzen Bock“ (Z. 26), wechselt. Wobei dieser sehr kurze innere Monolog einen Gedankeneinschub von Frau Welz durch den auktorialen Erzähler darstellt. Die Außensicht, welche stilistisch durch ein pejoratives Asyndeton4 dargestellt wird, zeigt eine wertende, in diesem Falle Abneigung zeigende Haltung des Erzählers. Dies führt indirekt zu mehr Sympathie des Lesers gegenüber Washington. Erneut polarisiert der Erzähler zwischen den Bewohnern, die als „domestizierte Raubtiere“ (Z. 22) beschrieben werden, und Washington, der laut Frau Welz‘ Gedanken ein „gezähmtes Haustier“ (Z. 25) ist. Diese Implikation von Schwäche Washingtons macht besorgniserregende Andeutungen bezüglich der Beziehung, die sowieso stark leiden muss und nun durch Washingtons sanftes Wesen, aufgrund von mangelndem Schutz gefährdet ist. Der rare Anteil von Figurenrede wird nun kurz unterbunden, da Frau Welz sagt, dass Carla nicht da sein (vgl. Z. 26) und als Washington mit der Aussage „Oh, macht nichts“ (Z. 27) antwortet. Auffällig ist, dass sich die Kommunikation aufs Minimalste durch die elliptische Syntax reduziert. Die indirekte Feindschaft zwischen weiß und schwarz wird somit deutlich, auch wenn Washington in einem „freundlichen“ (Z. 27) Ton antwortet. Die Kontaktlosigkeit kann dementsprechend auch nicht zu einer Besserung der gesellschaftlichen Situation führen. Auch Washingtons Abneigung gegenüber Frau Welz wird durch die erlebte Rede „er wollte die Frau Welz loswerden. Er verabscheute sie.“ (Z. 29), deutlich. Die Beschreibung der Umgebung spiegelt den inneren Konflikt Carlas und Washington wider, der durch ihre Verschiedenheiten (Hautfarbe etc.) hervorgeht. Der Korridor ist düster (vgl. Z. 30), was nicht nur die inneren Befindlichkeiten der Figuren repräsentiert, sondern auch eine ernüchternde Vorausdeutung des Erzählers ist, dass die Beziehung keinen längerfristigen Erfolg haben wird und in Anbetracht der Umstände nicht nachhaltig sein kann. Des Weiteren wird deutlich, dass Carla und Washington keine anonyme, private und intime Beziehung führen können, da sie der ständigen Beobachtung der Mitbewohner ausgesetzt sind (vgl. Z. 30). Diese eingeschränkte Freiheit führt dazu, dass Washington unter diesen Umständen der Wohnung leidet (vgl. Z. 31). Stattdessen sehnt er sich nach einem idyllischen Leben, indem die Hautfarbe keine Rolle spielt und sie ungestört ihre Liebe ausleben können. Dass er diese Umstände nicht ändern kann (vgl. Z. 32), führt zu seiner traurigen Erkenntnis und zur Resignation, dass ihr persönliches Glück immer durch äußere Umstände eingeschränkt sein wird und ihnen keine absolute Macht über ihr Schicksal zusteht. Dass Carla aufgrund ihrer Beziehung zu Washington keine anderen Zimmer findet (vgl. ebd.), zeigt, nicht nur, dass sie jegliche Schuld von sich weist und dennoch sich um eine positive Veränderung bemüht, sondern auch, dass die Lebenssituation der beiden fremdbestimmt ist. Ihre Beziehung ist außer Reichweite. Es wird deutlich, dass auch Carla unter den situativen Umständen leidet (vgl. Z. 33). Durch die folgende indirekte Rede, die durch den Konjunktiv deutlich wird, geht hervor, dass Carla ihre Situation als unwürdig empfindet und sie die soziale Leiter aufgrund ihrer Beziehung mit Washington hinuntersteigt (vgl. Z. 34 f.). Daraus geht ihr äußerst vorwurfsvoller Charakter hervor. Dennoch trennt sie sich nicht von ihm und scheint demnach gewisse Gefühle für ihn zu empfinden. Das anaphorische und trikolonsiche Asyndeton „neue Liebe, neue Geschenke, neue Aufopferung“ (Z. 36) verdeutlicht Carlas hohe Erwartungen. Sie braucht maximale Aufmerksamkeit und lässt sich durch materiellen Besitz leiten. Es scheint so, als sehe sie ihre Beziehung fast schon als Leistung und erwarte deshalb aufopfernde Gegenleistungen. Dies wird wiederrum durch die Aussage des Erzählers „ein wenig gut machen müsse, ein ganz klein wenig nur.“ (Z. 36 f.) relativiert. Denn letztendlich ist sie von Washington abhängig, nicht zuletzt wegen seiner Rolle als Versorger der Familie. Aus diesem Grund verabscheut sie u.a. auch Frau Welz und die Mädchen (vgl. Z. 37), trifft sich dennoch mit ihnen, trinkt mit Frau Welz Kaffee (vgl. Z. 38-41). Dies zeigt erneut Carlas Verlangen nach Aufmerksamkeit und ihre Zwiespalt gegenüber ihren Mitbewohnerinnen. Auf der einen Seite verabscheut sie deren Oberflächlichkeit und wie sie Carlas Beziehung verurteilen, auf der anderen Seite, ist sie Teil dieser Tratschgruppe und Teil des „weißen Leben“. Sie lebt zwischen den Welten, zwischen schwarz und weiß.
Insgesamt ist die Syntax parataktisch, was die Reduktion des Menschen und die Kontaktlosigkeit nach dem Krieg verdeutlichen soll.
Zusammenfassen fällt auf, dass sich Carla in einer mittellosen Situation befindet. Sie lebt gemeinsam mit vielen anderen Mädchen, Z. T. Prostituierten in einer kümmerlichen Wohnung. Ihr fehlt es an Geld und sozialer Anerkennung. Aus den Textauszügen gehen keine näheren wichtigen Freundschaften oder enge Beziehungen zu Familienmitgliedern hervor. Stattdessen hält sie oberflächliche Beziehungen zu ihren Mitbewohnerinnen und lässt sich ihre Liebe in gewisser Weise durch materielle Güter erkaufen. Sie ist angetan von Washingtons vergleichsweise Wohlstand, ist aber hin- und hergerissen zwischen ihrem Leben mit Frau Welz und den Mädchen und ihrem Leben mit Washington. Des Weiteren ist ihre Beziehung durch die rassistischen Sentiments und der Barriere zwischen schwarz und weiß besonders eingeschränkt, nicht zuletzt durch das Verhalten und die Bemerkungen anderer, die Carla sehr ernst nimmt und vor dem Hintergrund ihrer rassistischen Mutter, die Verfechterin des Nationalsozialismus ist. Washington ist als Schwarzer isoliert und wird nicht als Person gesehen, sondern vielmehr sein Materialismus. Die Innensicht und erlebte Rede sowie das auktoriale Erzählverhalten ermöglichen, die Gefühle und Einstellung der einzelnen Figuren zu verstehen.
Wie es bereits in der analytischen Aufgabe anklang, ist Carlas und Washingtons Beziehung durch verschiedene Faktoren sehr eingeschränkt. Besonders der zeitgeschichtliche Hintergrund wirkt sich restriktiv auf das Leben der Personen aus und bestimmt die Beziehungen der einzelnen Figuren. Dies wird im Folgenden genauer erläutert.
Die beiden Protagonisten leben in der Zeit nach dem 2. Weltkrieg. Deutschland ist von den Siegermächten besetzt und liegt in Trümmern Die Teilung Deutschlands verallgegenwärtigt die intensiven Spannungen zwischen Ost und West und trotz Ende des Krieges leben die Menschen in Angst vor einem 3. Weltkrieg, einer Eskalation des Kalten Krieges. Auch der Kampf um Ressourcen wie Erdöl bestimmt die Schlagzeilen und beeinflusst und intensiviert somit die ohnehin apokalyptische Grundstimmung der Menschen. Die Menschen leben in ständiger Angst und Furcht und wissen nicht weiter. Viele haben Angehörige im Krieg verloren oder sind durch Kriegserfahrungen traumatisiert. Diese negative Stimmung hat gewiss enormen Einfluss auf individuelle Beziehungen. Die generelle und allgemein vorherrschende Nachkriegs-Orientierungslosigkeit betrifft auch Orientierungslosigkeit und Verwirrung in der Beziehung. Carla und Washington sind dem immer noch vorherrschendem Rassismus ausgeliefert. In Deutschland gilt Washington als Fremder, als „Neger“, so dass die Beziehung der beiden auf ein unerhörtes Maß hinausgeht und nicht gern gesehen wird. Als schwarzer ist er alltäglicher Diskriminierung ausgesetzt, was die Beziehung natürlich belastet. Carlas und Washingtons Beziehung isoliert die beiden von der sonst homogenen Masse und Lästereien über sie wirken sich negativ auf Carlas ohnehin angeschlagenes Selbstbewusstsein aus. Carla selbst ist nationalsozialistisch aufgewachsen und wurde dementsprechend maßgeblich durch die NS-Ideologie geprägt. Es spricht demnach gegen ihre Werte, mit einer minderwertigen Rasse zu verkehren. Frau Behrend – ihre Mutter – zeigt auch noch nach der Kapitulation nationalsozialistische Sentiments und hält sich in entsprechenden Kreisen auf, so dass ein gewisser gesellschaftlicher Druck auf Carla und somit ihrer Beziehung lastet. Durch die gesellschaftliche Abneigung, die sie zu spüren bekommt, befindet sie sich in einem moralischen Dilemma, denn Anerkennung sind wichtige Werte für sie. Ein Leben in Deutschland ist für die beiden somit deutlich erschwert und auch eine Emigration nach Amerika sieht keine Besserung vor. Durch die vorherrschende Apartheid wäre auch Carla dem Rassismus ausgeliefert. Sie als Weiße könnte unmöglich im „Negerviertel“ von Baton Rouge in Louisiana leben. Wo die beiden auch hingehen, sie können sich aus den Fesseln des Rassismus nicht befreien. Besonders erschwerend für die Situation ist das gemeinsame Kind, das Carla erwartet. Auch ein „Mischlingskind“ würde dem Rassismus unterliegen. Dieses gesellschaftliche Dilemma führt zum persönlichen Konflikt der beiden. Carla wünscht sich einen Abort, wohingegen Washington das Baby als Chance, das die Liebe nur noch stärken wird, sieht. Er geht davon aus, dass ein gemeinsames Baby das Band zwischen schwarz und weiß stärken würde. Sie sind und bleiben perspektivlos.
Doch nicht nur Rassismus ist ein negativ auswirkender Faktor auf die Paarbeziehung, sondern die generellen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umstände der Nachkriegszeit. Dies lässt sich am Beispiel der Ehe von Emilia und Philipp erklären.
Der Krieg und die Währungsreform verursachen große finanzielle Schwierigkeiten. Grundstücke und materielle Güter verlieren erheblich an Wert, so dass die Menschen finanzielle Sorgen haben. Emilia war eine ehemals sehr reiche und wohlhabende Kommerzienraterbin, doch nun steht sie vor finanziellen Verlusten und ihre Grundstücke machen ihr nur Sorgen. Ihre aussichtslose Lage verleitet sie dazu, Güter im Pfandleihhaus für wenig Geld zu verkaufen. Diese Umstände machen sie wütend. Dies führt zum Ausbruch ihrer Alkoholabhängigkeit. Ihre Alkoholexzesse führen zu heftigen Wutausbrüchen, so dass ihr Mann Philipp sie meidet und sich die beiden immer weiter entfremden. Diese Umstände lösen Scham bei den Figuren aus, so dass sie sich immer mehr isolieren und somit desozialisieren. Emilia trauert den alten, schönen Zeiten nach, in denen sie noch soziale Anerkennung genoss und sich nicht mit finanziellen Problemen plagen musste. Emilia entflieht ihrem Leben durch den Alkohol, wohingegen Philipp durch Fantasiereisen bei dem Psychiater Dr. Behude der Realität entflieht und in einer kurzweiligen Illusion lebt. Beide sind orientierungslos und entfliehen ihren Problemen, entfremden sich immer mehr, statt sich der Situation gemeinsam zu stellen. Hinzu kommt, dass Philipp an einer Schreibblockade leidet und somit als erfolgloser, gescheiterter Schriftsteller verweilt. Sein fehlendes Einkommen belastet die Beziehung umso mehr. Emilia muss dafür aufkommen und rekompensiert es durch die Abgaben im Pfandleihhaus, die sie immer wieder schmerzlich an ihre ernüchternde Lage erinnern. Außerdem projiziert sie ihre Wut und Enttäuschung auf Philipp, was wiederrum negative Auswirkungen auf seine Depression hat. Anders als Emilia wirkt sich bei Philipp nicht nur die Nachkriegszeit nachteilig auf seinen Zustand aus, sondern auch der Krieg selbst. Sein einziges Buch wurde unter der Herrschaft der Nazis verboten. Nun verspürt er die Nachwirkungen in Form einer Schreibblockade.
All diese Umstände führen dazu, dass sie parallel zueinander leben, das heißt nebeneinander und nicht miteinander. Angst, Furcht, Traumatisierung, Nachtrauern der alten Zeiten, finanzielle Sorgen und Rassismus führen zur Veränderung der Charaktere, so dass sie sich isolieren und mit ihrer Trauer und Wut leben. Am wichtigsten erscheint jedoch, dass der Krieg einen wesentlichen Einschnitt in ihr Leben darstellt. Die Stringenz des Lebens wurde unterbrochen und gestört. Zurück bleiben die menschliche Orientierungslosigkeit und die Machtlosigkeit, sich in diesem undurchdringbaren Chaos zurecht zu finden. Natürlich durchbricht diese Orientierungslosigkeit alle Lebensbereiche und somit auch eine Paarbeziehung. Resultat ist eine verwirrte, orientierungslose Paarbeziehung, die zur Entfremdung der Partner führt. Jeder kämpft mit seinen ganz persönlichen Schicksalsschlägen. Der menschliche Egoismus verdammt die Person, ihre ganz persönliche Schiene der Probleme zu besiegen und lässt sie in der allgegenwärtigen Furcht erstarren.
Philipp und Emilia wissen nicht, wann sich ihre finanzielle Lage bessern wird oder ob Philipp schriftstellerische Produktivität erreichen wird. Carla und Washington wissen nicht, ob sie das Band der Apartheid durchbrechen können und sich von den Restriktionen des Rassismus befreien können. Sie alle leben in der Unwissenheit, der schrecklichen Kälte der Nachkriegszeit. Sicher ist, dass dieser zeitgeschichtliche Hintergrund die Beziehung bestimmt, und das im Negativen.