Roman: Tauben im Gras (1951)
Autor/in: Wolfgang KoeppenEpoche: Nachkriegsliteratur / Trümmerliteratur
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Inhaltsangabe, Analyse und Interpretation
Der Autor „Wolfgang Koeppen“ bedient sich in seinem Roman „Tauben im Gras“ diverser rhetorischer Mittel, welche zur Folge haben, dass sein Roman durch viele Enumerationen und Einschübe wie ein Blitzlichtgewitter von Eindrücken auf den Leser wirken.
Im ersten Kapitel des Romans wird der Leser in die Situation, in die Handlung eingeführt. Zunächst einmal versucht der Autor dem Leser die Stimmung in der Stadt zu verdeutlichen. Die Flieger, die über die Stadt fliegen, werden als „unheilkündende Vögel“ (S. 9 Z. 1) beschrieben. Bereits im ersten Abschnitt wird eine große sprachliche Besonderheit des Romans deutlich: Stimmungen, Emotionen und Eindrücke werden durch Enumerationen und Metaphern1 verdeutlicht. In Vers zwei findet sich die eine Antiklimax2 „war Donner, war Hagel, war Sturm“ (S. 9 Z. 2). Auf diese folgt eine Klimax, die die selben Nomen, nur umgekehrt enthält: „Sturm, Hagel und Donner“ (S. 9 Z. 3). Die genannten Nomen sind negativ konnotiert, sie vermitteln eine angespannte und brisante Stimmung. Auch die Tatsache, dass die Bombenschächte der Flugzeuge „noch“ leer sind, dass die Auguren lächelten und niemand zum Himmel aufblickt, verdeutlichen die Angespanntheit der Bewohner der Stadt. Niemand wagt sich eine Prognose abzugeben, alle warten angespannt auf das, was in Zukunft passieren wird. Die Situation lässt sich treffend als „die Ruhe vor dem Sturm“ bezeichnen.
Im darauf folgenden Abschnitt findet sich eine Enumeration von Metaphern für „Öl“. Zunächst wird der Rohstoff nur als „Steinöl, Quallenblut, Fett der Saurier, Panzer der Echsen, das Grün der Farnwälder, die Riesenschachtelhalme“ (S. 9 Z. 7ff.) paraphrasiert, betont wird hier enorme das Alter und auch gewisse Ehrwürdigkeit des Rohstoffs. Die Enumeration wandelt sich jedoch. Nun wird das Öl mit „Zeit vor dem Menschen, vergrabenes Erbe, von Zwergen bewacht, geizig, zauberkundig und böse, die Sagen, die Märchen, der Teufelsschatz“ (S. 9 Z. 9-12) in Verbindung gebracht. Zunächst wird also wieder auf das Alter und die Vergangenheit des Öls angespielt, dann auf die Sagen die sich um das Öl ranken. Die letzte Beschreibung als „Teufelsschatz“ wird durch ihre besondere Stellung, am Ende, besonders betont und zeigt die im Roman herrschende Situation. Öl ist zu einem überlebenswichtigen Rohstoff geworden, um den sogar Kriege geführt werden und die gesamte Menschheit in ihren Bann gezogen hat.
Nun folgt eine weitere sprachliche Besonderheit, die vom Autor mit der Frage „Was schrieben die Zeitungen?“ (S. 9 Z. 14) eingeführt wird. Es folgt eine blitzlichtgewitterartige Aneinanderreihung von vermeintlichen Zeitungsüberschriften, die die aktuelle Situation beschreiben. Diese werden durch Kapitälchen im Text hervorgehoben. Diese Zeitungsüberschriften tauchen im Roman immer wieder völlig unerwartet auf.
Auf diese Zeitungsüberschriften folgt eine weitere Enumeration, die sich ebenfalls um Öl dreht, diesmal geht es um die direkte Auswirkung des Öls auf unsere Gesellschaft. Öl wird als Treibstoff für Flugzeuge, als Stoff für Nachrichten, als Angstmacher und wiederum als Treibstoff für die Motorräder der Zeitungsfahrer beschrieben. Diese Enumeration zeigt, dass das Öl sich nicht mehr aus der Gesellschaft wegdenken lässt, sondern diese bestimmt.
Auf diese Enumeration folgt die nächste. Der Blick wird hier auf die Zeitungshändler gelegt, diese werden stellvertretend für die gesamte Gesellschaft charakterisiert. Sie werden als „mißmutig, fluchend, windgeschüttelt, regennaß, bierdumpf, tabakverbeizt, unausgeschlafen, alpgequält“ beschrieben. Diese Adjektive sind stark pejorativ3 und zeigen einen Querschnitt der Gefühle der Gesellschaft. Die Enumeration ist aber noch nicht zu Ende. Es wird beschrieben das die Händler noch „den Hauch des Nachtgenossen, des Lebensgefährten“ auf der Haut haben. Hierauf folgt noch die Beschreibung von „Reißen in der Schulter“ und „Rheuma im Knie“. Es wird deutlich, dass die Lebensgefährten nicht unbedingt geliebte Angehörige, sondern lästige Anhängsel, wie Rheuma und andere langwierige Beschwerden sind.
Nach dieser Beschreibung der deutschen Gesellschaft findet ein Schwenk auf die allgemeine globale Situation statt. Diese Überleitung geschieht nahezu nahtlos durch die Beschreibung des Frühjahres als kalt (vgl. S. 9 Z. 27f.), welche dann mit den globalen Neuigkeiten verknüpft wird, welche dadurch eine kühle und trübe Stimmung transportieren.
Durch die Beschreibung „man lebte im Spannungsfeld“ (S. 9 Z. 29) wird deutlich, dass Deutschland als Bruchstelle zwischen Ost und West, zwischen Kapitalismus und Kommunismus gesehen wird und außerdem Schauplatz für den kalten Krieg gilt. „Vielleicht an der Bruchstelle“ (S. 9 Z. 30f.) verdeutlicht den Ost-West Konflikt und die Spaltung Deutschlands in Ost und West.
Die Angespannte Stimmung in Deutschland und im Rest der Welt und der kalte Krieg wird mit eine Pause auf dem Schlachtfeld verglichen. Die Gesellschaft hat sich noch nicht vom Krieg erholt, die Städte befinden sich noch im Aufbau, die Rüstungsindustrie beginnt sich wieder zu rüsten und schafft ein neues Spannungsfeld, das zu explodieren droht. Nun folgt eine weitere Aufzählung, die Gegensätzlich aufgebaut sind, wie zum Beispiel: „[S]ie redeten vom Aufbau und bereiteten den Abbruch vor“. Diese Gegensätzlichkeit zeigt, dass die negativen Veränderungen genauso schnell kommen wie die positiven und diese überrollen und übertönen. Der kalte Krieg überschattet den Wiederaufbau.
Am Ende des Abschnittes wird beschrieben, dass die Illustrierten, also die unterhaltenden Zeitungen von den Erinnerungen des Krieges zehrten.
Zu Ende der Einführung wird nochmal die zu Beginn getätigte Beschreibung der Flieger am Himmel getätigt. Die Einleitung wird also von einer Rahmenstrophe umrahmt, die die allgemeine Unsicherheit der Bevölkerung zeigt. Zudem wird die Bedrohung der Besatzungsmacht Amerika deutlich. Dieses Motiv der Flieger, die bedrohlich über der Stadt kreisen, wird auch am Ende des Romans noch einmal aufgegriffen.
Abschließend kann gesagt werden, dass die zu analysierende Szene als Einleitung gesehen werden kann. Dem Leser werden in gewisser Hinsicht sprachliche Besonderheiten des Romans aufgezeigt. Zudem wird die, zur Zeit des Romans herrschende Situation und auch die Stimmungen und Gefühle der Menschen kommen treffend zur Geltung.