Inhaltsangabe/Zusammenfassung
Wolfgang Koeppen (1906 - 1996) hat den Roman „Tauben im Gras“ 1951 veröffentlicht. Das Buch ist ein herausragendes Zeitzeugnis der Wiederaufbauphase Deutschlands nach den Verheerungen des Krieges. Es fehlt im Roman nicht an anklagenden und kritischen Fragen zu den Gründen der Misere. Die Menschen waren traumatisiert, das Land von den Siegern in Besatzungszonen aufgeteilt. Die langsame Erholung erfolgte in einem schwierigen Umfeld, das von allgegenwärtigen Versorgungsproblemen und Misstrauen aus der Vergangenheit geprägt war.
„Tauben im Gras“ spielt an einem einzigen Tag in München, die Großstadt wird nicht namentlich genannt. Der Roman ist eine literarische Collage und wird kaleidoskopartig ausgebreitet, es gibt keine Kapiteleinteilung. Zwischen den einzelnen Erzählsträngen und Handlungssplittern erfolgen harte Schnitte. Die Geschehnisse und Verhältnisse um die handelnden Personen werden sukzessive im Verlauf der Geschichte sichtbar und verständlich. Die Wege der einzelnen Figuren kreuzen sich wiederholt und kulminieren im nächtlichen Schlussteil des Romans.
Übersicht
Abschnitte 1-15
In raschen Aufzählungen und Aneinanderreihungen werden Ängste der Menschen skizziert, mit Schilderungen zur Weltlage und Hinweisen auf Atomwaffen. Der Schauspieler Alexander wird nach einer nächtlichen Orgie mit seiner Frau Messalina und Gespielinnen für einen Filmauftritt eingekleidet. Die Kinderfrau Emmi geht mit der kleinen Hillegonda in eine Kirche, um das Mädchen für die Sünden seiner Eltern büßen zu lassen. Philipp, ein frustrierter Schriftsteller, hat nach einem Streit mit seiner Frau Emilia eine Nacht im Hotel verbracht. Frau Behrend trauert vergangenen Zeiten vor dem Krieg nach. Psychiater Behude spendet Blut, um an Geld zu kommen, die meisten Patienten können nicht zahlen. Der schwarze Soldat Odysseus Cotton kommt im Bahnhof an, sinnierend über Amerika und die Deutschen. Er trifft auf den alten Dienstmann Josef, der ihm den klingenden Musikkoffer abnimmt. Zusammen gehen sie in die Stadt. Die alkoholsüchtige Emilia erwacht in ihrer verfallenen Villa aus Kindheitsträumen. Sie ruft vergeblich nach Philipp, den sie für unfähig erachtet.
Abschnitte 16-30
Emilia liegt nackt in der Bibliothek ihrer Vorfahren und ist mit sich selbst beschäftigt. Sie hadert mit dem Verlust ihres Millionenerbes und schimpft auf die Nazis. Ihre Zukunftshoffnungen setzt sie in Philipps Schreibkünste und hinterlässt dem Abwesenden eine Liebesnachricht. Aus materieller Not geht sie zum Leihamt, um Gegenstände aus dem Familienbesitz zu versetzen. Richard Kirsch, ein junger US-Luftwaffensoldat, fliegt über das Land seiner Vorfahren und hält Distanz zu den Kriegszerstörungen. Odysseus und Josef - wiederholt angesprochen, bedrängt und verlockt - setzen ihren Weg durch die Stadt fort. Der preisgekrönte amerikanische Schriftsteller Edwin ist für einen Vortrag in der Stadt eingetroffen. Sein offizieller Konsulatswagen streift den Rad fahrenden Dr. Behude, der das Gleichgewicht knapp halten kann. Dessen Patient Philipp soll später ein Interview mit Edwin führen. Sergeant Washington Price möchte seine schwangere Freundin Carla, Frau Behrends Tochter, heiraten. Sie will die Heirat, nicht das Kind, und hat mit dem Frauenarzt Frahm eine Abtreibung vereinbart.
Abschnitte 31-45
Washington will, dass seine Geliebte das Kind zur Welt bringt. Auf der Suche nach Geld ruft er seine Eltern in Amerika an. Der kalifornische Steueranwalt Gallagher ist mit seinem Sohn Ezra in der Stadt angekommen. Seine jüdische Frau Henriette, deren Eltern im Holocaust umgebracht wurden, ist in Paris geblieben. Ezra begegnet Heinz, den Sohn von Carla und ihres verschollenen Ehemanns. Heinz möchte Ezra sein Hündchen verkaufen und prahlt mit der Beziehung zum farbigen Soldaten Washington. Dieser erfährt schockiert, dass Carla zu Dr. Frahm gegangen sei. Emilia hat nach demütigenden Verleihprozeduren einige Mark lösen können. Philipp wird auf dem Weg zu Edwin mit ihm verwechselt und lernt die junge amerikanische Lehrerin Kay kennen. Er sieht sich nicht länger in der Lage, das geplante Interview zu führen. Beim zufälligen Aufeinandertreffen im Hinterhof von Edwins Hotel, finden die beiden Schriftsteller keine Worte füreinander. Frau Behrend beobachtet ihre Tochter Carla auf dem Weg in die Abtreibungsklinik.
Abschnitte 46-60
Washington besucht Dr. Frahm und kann diesen überzeugen, die geplante Abtreibung nicht vorzunehmen. Währenddessen sitzt Carla noch mit ihrer Mutter im Kaffeehaus. Die von Messalina und Alexander vernachlässigte Hillegonda soll auf Drängen der Kinderfrau Emmi in der Kirche beichten. Richard Kirsch kommt mit dem Flughafenbus an und nimmt erstaunt geringe Zerstörungen und ein grosses Warenangebot wahr. Er ist in die Stadt gekommen, um seine entfernte Verwandte, Frau Behrend, zu besuchen. Weil er sie nicht vorfindet, lässt er ihr ein abendliches Treffen im Bräuhaus ausrichten. Carla stellt in der Klinik erbost fest, dass kein Platz für sie reserviert ist. Sie wartet für eine Aussprache auf den Arzt. Washington spielt in einem Baseballmatch, welches im Publikum von Josef, Odysseus und Heinz mitverfolgt wird. Die Mannschaft droht das Spiel wegen dem unkonzentriert agierenden Washington zu verlieren, bevor er dieses wenden kann. In der Siegeseuphorie sieht er für sich und seine Freundin eine glänzende Zukunft.
Abschnitte 61-75
Dr. Frahm erklärt Carla, dass er die Abtreibung nicht vornehmen werde, es gebe keine medizinischen Gründe und ihr Freund wolle das Kind haben. Carla ist empört. In einer heftigen Aussprache zuhause bewirft sie Washington mit Geschirr. Frau Behrend ärgert sich, dass sie wegen Carla den Besuch ihres Neffen Richard verpasst hat. Philipp erinnert sich auf der Psychiatercouch an seine Kindheit und denkt über seine Beziehung zu Emilia nach. Dr. Behude versucht vergeblich, seinen Patienten auf eine entspannende Traumreise zu schicken. Emilia ist unterwegs, um eine vergoldete Tasse und eine Halskette zu verkaufen. Beim Juwelier trifft sie auf Kay, der sie aus Sympathie die Kette schenkt. In einer Kneipe wird Odysseus bestohlen. Er wird handgreiflich und muss daraufhin mit Josef und der Prostituierten Susanne vor einem aufgebrachten Mob flüchten. In der Kirche hören Emmi und Hillegonda den Aufruhr in der Straße. Josef wird von einem Stein am Kopf getroffen, der untergetauchte Odysseus wird des Mordes verdächtigt.
Abschnitte 76-90
Philipp wird genötigt, für die Berichterstattung an den Vortrag von Edwin zu gehen. Dieser will mit Schnaps sein Lampenfieber bekämpfen, flieht stattdessen aus der Hotelbar, nachdem er die Klatschreporterin Messalina entdeckt hat. Kay löst sich aus einer Unterhaltung mit Emilia und folgt dem Schriftsteller. Viele Menschen haben sich im Amerikahaus versammelt, um den Vortrag von Edwin zu hören. Josef liegt im Krankenhaus im Sterben. In Anwesenheit von Emmi, Hillegonda und einigen Priestern macht er Odysseus für seinen Tod verantwortlich. Washington und Carla haben sich versöhnt und glauben an eine gemeinsame Zukunft. Sie betreten den Klub der „Negersoldaten“, wo Herr Behrend, Carlas Vater, vormals Musikkapellmeister, mit seiner Jazz-Band spielt. Die Tochter lernt dessen tschechische Geliebte Vlasta kennen. Herr Behrend wundert sich über Carlas Liebe zu Washington. Im Klub tanzen Odysseus und Susanne eng umschlungen. Richard besucht in Begleitung das Bräuhaus, um dort mit Bier und Glühwürmchen-Musik auf Frau Behrend zu warten. Sie erscheint, sie verpassen sich.
Abschnitte 91-105
Heinz und Ezra geraten heftig aneinander und lösen durch einen Mauereinbruch einen Polizeieinsatz aus. Besucher des Bräuhauses argwöhnen einen Übergriff der Amerikaner und attackieren den nahen Klub. Richard Kirsch und Gallagher versuchen vergeblich, zu schlichten. Die angetrunkene Frau Behrend hat mitbekommen, dass ein Schwarzer des Mordes verdächtigt wird. Sie heizt mit Ausrufen die Lage an, sobald sie Carla und Washington erblickt, die im Steinhagel wegfahren können. Susanne führt Odysseus über einen Ausweg in Sicherheit, ins Liebesnest. Emilia beschließt, auf die Party von Messalina zu gehen.
Edwin beschwört in seinem Vortrag christliche Werte und europäischen Geist. Er widerspricht der Dichterin Gertrude Stein, die Menschen „Tauben im Gras“ genannt hatte: zufällig und flatterhaft. Am Schluss entzieht sich Edwin allen Einladungen und verschwindet alleine in der Nacht. Philipp führt die zögernde Kay aus dem Amerikahaus in sein Hotelzimmer. Edwin wird das Opfer einer Bande von Straßenjungen. Sein lauter Todesschrei trennt Philipp und Kay. Der Tag geht zu Ende.