Gedicht: Schöne Jugend / Der Mund eines Mädchens (1912)
Autor/in: Gottfried BennEpoche: Expressionismus
Strophen: 1, Verse: 13
Verse pro Strophe: 1-13
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt und kann daher nicht angezeigt werden.
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Inhaltsangabe, Analyse und Interpretation
Gottfried Benn, welcher von 1886 bis 1956 lebte, verfasste um 1912 das Gedicht „Schöne Jugend“. Es ist in die Zeit des Expressionismus einzuordnen und besteht aus einer Strophe mit insgesamt 13 Versen.
Im ersten Vers wird das Mädchen mit Hilfe eines Relativsatzes näher beschrieben. Von Vers 1 zu 2 sowie von Zeile 3 zu 4, 5 zu 6 und 9 zu 10 wurde ein Enjambement1, ein Zeilenbruch, verwendet, wobei der zweite zugehörige Vers immer klein beginnt.
In Vers 7 personifizierte Gottfried Benn die Ratten indem er sie „kleines Schwesterchen“ bezeichnet. Diese Art der Metapher2 ist sehr typisch für den Expressionismus.
In Zeile 8 bis 10 nutzt der Dichter eine Aufzählung von Tätigkeiten, was die Bildlichkeit verstärkt. Ein Widerspruch kommt für mich in Vers 11 auf („[…] schön und schnell […] Tod“), da der Tod nicht schön ist. Dies unterstreicht aber die Aussage, dass dieses Gedicht die Ästhetisierung des Hässlichen als Thema hat, was man zu den Themen des Expressionismus zählt. Man schrieb über Sachen, die vorher selten Ausgangspunkt für ein Werk waren.
Gottfried Benn beendet sein Gedicht mit einem Ausruf, einer Interjektion3. In dem gesamten Gedicht ist nur das Verb „quietschen“ in Vers 13 in Präsens Aktiv, was für die Gegenwart steht. Ansonsten sind alle Verben Plusquamperfekt, wie „hatten verlebt“ in Vers 9/10 oder in Präteritum, wie zum Beispiel „tranken“ in Vers 9. Dies soll die Vergangenheit kennzeichnen und somit als Rückblick vom dem Leser wahrgenommen werden.
Man kann dieses Gedicht in drei Sinnesabschnitte teilen: Den ersten Abschnitt von Vers 1 bis 6, wo das Mädchen näher betrachtet und ihr Inneres beschrieben wird. Dann Vers 7 bis 10 als zweiten Abschnitt, wobei das lyrische Ich nun speziell auf die Ratten und ihr Leben eingeht und der dritte Sinnesabschnitt über den Tod von Vers 11 bis 13.
Beim Lesen fällt einem die wissenschaftliche Vorgehensweise auf: Das lyrische Ich spricht zunächst von der Leiche eines Mädchens. Danach geht es von außen nach innen, indem es vom Erwähnen der angeknabberten Lippe, zum Aufbrechen der Brust, über das Beschreiben der Speiseröhre, schließlich zum Entdecken eines Rattennestes im Innersten unter dem Zwerchfell gelangt.
Ich finde, dass es entwürdigend und respektlos gegenüber dem toten Mädchen klingt, da es wie ein Gegenstand behandelt wird. Das lyrische Ich geht mehr auf die Ratten ein als auf das Mädchen, was man mit der Personifikation4 der Ratten mit „kleines Schwesterchen“ und somit dem Mitleid belegen kann. Außerdem beschreibt es wie die Ratten ihre „schöne Jugend“ hier verbrachten. Weiterhin spricht das lyrische Ich von dem Tod, der durch das Hineinwerfen in das Wasser hervorgerufen wurde. Abschließend ergötzt es sich an den Schreien der Ratten (Vers 13 „Ach, wie die kleinen Schnauzen quietschen!“).
Wenn man den Titel liest, ohne vorher das Gedicht zu kennen, denkt man nicht an das Thema der Ästhetisierung des Hässlichen. Im Gegenteil: Ich dachte an die schöne Jugend eines Menschen mit all seinen Höhen und einigen Tiefen. Jedoch wird in diesem Gedicht gar nicht weiter auf das Mädchen ihr Leben eingegangen. Man erfährt nichts über sie und das lyrische Ich drückt keine Empfindungen, die es eventuell ihr gegenüber hat, aus. Im Gegensatz dazu geht es tiefgründig auf die Jugend der Ratten ein.
Gottfried Benn schafft es mit der Überschrift eine falsche Erwartung bei dem Leser hervorzurufen.