Roman: Effi Briest (1890-1894)
Autor/in: Theodor FontaneEpoche: Realismus
Inhaltsangabe, Analyse und Interpretation
Der von Theodor Fontane verfasste Roman „Effi Briest” (1896) handelt von der jungen Protagonistin Effi Briest, die mit dem wesentlichen älteren Baron von Innstetten verheiratet wird. Trotz des gemeinsamen Kindes ist sie äußerst unglücklich, so dass sie eine Affäre beginnt. Die gesellschaftlichen Konventionen erfordern ein Duell der beiden Männer, wobei ihr Liebhaber tödlich verunglückt und sie von ihrem Mann sowie ihren Eltern verstoßen wird.
Der zu analysierende Romanauszug dient als Einleitung in die Handlung, in dem der Erzähler den Ort - Hohen-Cremmen - äußerst detailliert beschreibt. Auffällig ist, dass es sich um eine reine Erzählperspektive des Erzählers handelt, d. h. ohne wörtliche Rede oder jegliche Interaktion der Figuren auskommt.
Die Geschichte beginnt medias in res; so wird das Herrenhaus der Familie Briest unmittelbar und in detaillierter Fülle beschrieben (vgl. Z. 1 ff.). Patriarchalische Strukturen wie die Bedeutung von Familienhistorie werden zu Beginn deutlich, als der Erzähler betont, dass „schon seit Kurfürst Georg Wilhelm” (Z. 1) die Familie den Sitz bewohnt. Die Familientradition wird nicht nur durch die lange Bewohnung deutlich, sondern auch durch die umgrenzende Natur. Die „mächtige[n] alte[n] Platanen” (Z. 15) unterstützen dieses Bild. Auffällig ist, dass die Beschreibung erst mit der Front des Herrenhauses beginnt und anschließend auf den Garten ausweitet und der Ort des Geschehens immer weiter eingegrenzt wird, bis Frau Briest und ihre Tochter bei ihren Tätigkeiten beschrieben werden. Somit wird Effi nicht von der Frontseite des Sitzes gezeigt, was so verstanden werden kann, dass sie die Welt außerhalb des Heims nicht zureichend kennt. Der Sitz der Familie steht somit für Geborgenheit und als Abgrenzung zur äußeren Umgebung. Die Beschreibung erfolgt positiv konnotiert, so dass der „helle Sonnenschein” (Z. 2) den Eindruck einer ruhigen und idyllischen Atmosphäre vermittelt. Dies wird ebenfalls durch die Farben weiß, welche für Unschuld und Reinheit steht, und grün, die eine sehr entspannende Wirkung erzielt, unterstützt. Gleichzeitig schaffen die „breiten Schatten” (Z. 4) einen Kontrast, die Andeutungen auf einen innerfamiliären Konflikt und bevorstehende Veränderungen machen. Effis sorgloses, im Schutze ihrer Eltern stehendes Leben ist in Gefahr. Die nur „einige zwanzig Schritte weiter” (Z. 6) stehende „Kirchhofsmauer” steht metaphorisch für die zu erhaltende Reinheit und Frömmigkeit der Familie sowie dem hohen Stellenwert der Religion und somit gesellschaftliche Konventionen einnehmen. Das Anwesen wirkt in seiner Größe gewaltig, so besitzt die Familie eine Park- und Gartenseite (vgl. Z. 3). Der vergoldete Wetterhahn (vgl. Z. 10) verdeutlicht erneut das Wohlhaben der Familie. Das beschriebene „Hufeisen” (vgl. Z. 11) steht für Schutz und Geborgenheit innerhalb des Anwesens. Dieses Merkmal wird durch die Tatsache, dass Mutter und Kind die Gartenseite entschieden bevorzugen (vgl. Z. 19) unterstützt. Eine erzählerische Auffälligkeit ist die Verwendung von Wasserelementen wie dem „Wassersteg und angekettelte[n] Boot” (Z. 12) wie dem „Teich” (Z. 14). Somit kann „Wasser” als Leitmotiv, dass für Effis Naturverbundenheit und Freiheitsdrang steht, verstanden werden. Als weiteres Leitmotiv dient die Schaukel (Z. 13), die Effi zur Unbeschwertheit und Gedankenlosigkeit verhilft. So fällt auf, dass viele Symbole der Freiheit in Bezug zu Effi benutzt werden, was ihren kindlichen Drang, der mitunter auch Wagemütigkeit beinhaltet, unterstreicht. Konträr dazu ist ihre gemeinsame Tätigkeit mit der Mutter; sie „waren fleißig bei der Arbeit” (Z. 23), so dass ein tugendhaftes Bild der Frauen erzeugt wird. Ihre Rolle steht ganz im Sinne der hausfraulichen Tätigkeiten wie die Herstellung eines Altarteppichs (vgl. Z. 24), was erneut die Frömmigkeit der Familie unterstreicht. Das „rasch[e] und sicher[e]” (Z. 27) Arbeiten zeigt die ambitionierte Arbeitsweise. Besonders die Mutter scheint sich voll und ganz ihrer Arbeit zu widmen, da sie „kein Auge von der Arbeit” (Z. 28) lässt. Gegensätzlich dazu erscheint ihre Tochter, die Pausen einlegt (vgl. Z. 29) und somit eine kürzere Konzentrationsspanne zu haben scheint. Dies hebt ihr junges Alter hervor. Ihre „kunstgerechten Beugungen und Streckungen” (Z. 29 f.) spiegeln ihr kindhaftes Wesen, dass nach Freiheit und Loslösung von gesellschaftlichen Konventionen ruft, wider. Ihre Pausen dienen somit als Ablenkung einer weniger liebenden Tätigkeit, die sie dennoch verrichtet, um sich dem Familiengefüge zu unterwerfen und ihrer Mutter zu gefallen. Die Mutter sieht nur „flüchtig und verstohlen” (Z. 34) auf, was Scham ihrerseits impliziert. Dennoch scheint eine enge, vertrauliche Verbundenheit zwischen den beiden zu herrschen (vgl. Z. 35). Effi trägt ein „blau und weiß gestreiftes, halb kittelartiges Leinwandkleid” (Z. 36 f.) mit einem „Matrosenkragen” (Z. 39). Dieser recht spezifische Kleidungsstil demonstriert Effis Lebensweise in Hohen-Cremmen, die sorglos und unbeschwert ist. Sie kann ihren bevorzugten Tätigkeiten wie Gymnastik nachgehen und ist nicht eingeengt. Vielmehr ist ihr „Hals (...) frei” (Z. 38), was im übertragenen Sinne für ein freies Leben steht. Diese Freiheit ermöglicht ihr das Ausleben ihres kindlichen, verspielten Wesens. Den Schutz den ihr außenstehende Personen ermöglichen wird auch durch ihren Rufnamen so wie die Wortwahl der „Kleine[n]” (Z. 41) deutlich. Doch diese kindliche Unbeschwertheit und Umsorgung steht auf der Kippe, denn mit fortschreitendem Alter unterliegt sie den gegensätzlichen gesellschaftlichen Erwartungen. Ihre Mutter ist nur „noch um eine Handbreit höher” (Z. 42), sodass eine baldige Heirat nicht unrealistisch scheint.
Die detailgetreue Darstellung des Raumes liefert insgesamt mögliche Vorausdeutungen des Handlungsstranges. So steht die schief stehende Schaukel (vgl. Z. 15) für negative Veränderungen der Erzählung. Der „bewölkte Himmel” (Z. 17) deutet bevorstehende Unruhe an.
Insgesamt kann gesagt werden, dass der Romananfang von „Effi Briest” als Exposition dient. Die detaillierte Darstellung des Raumes ermöglicht dem Leser einen genauen Einblick in das bisherige Leben der Protagonistin. Dieses wird auf neutrale Erzählweise übermittelt. Gleichzeitig werden Vorausdeutungen für den weiteren Verlauf gemacht und erste Leitmotive erwähnt.