Roman: Effi Briest (1890-1894)
Autor/in: Theodor FontaneEpoche: Realismus
Inhaltsangabe, Analyse und Interpretation
Beim vorliegenden Text handelt es sich um einen Ausschnitt aus dem 1894 erschienenen Roman „Effi Briest“, welcher von Theodor Fontane verfasst wurde. In der Textstelle unterhalten sich die Eheleute Effi und Innstetten über ihre Schlittenfahrt mit einem anderen Mann, Major Crampas. Thema des Ausschnitts ist zum einen Innstettens Eifersucht und sein Verdacht, dass Effi und Crampas sich auf der Fahrt nahegekommen sind, zum anderen stellt seine Abneigung gegenüber Crampas einen inhaltlichen Schwerpunkt dar.
Der Ausschnitt lässt sich in zwei Abschnitte gliedern. Im ersten Abschnitt (vgl. Z. 1 bis 38) lenkt Innstetten das Gespräch indirekt auf das Thema der Schlittenfahrt und Effi rechtfertigt sich für den Vorfall. Im zweiten Abschnitt (vgl. Z. 39 bis 63) tritt eine Einladung ein, die Atmosphäre entspannt sich und beide unterhalten sich scherzhaft.
In der vorliegenden Textstelle wird der Leser anhand eines Er-/Sie-Erzählers in die Geschichte eingeführt. Dies ist bereits am ersten Satz erkennbar, in welchem die Figuren Effi und Innstetten in der dritten Person Singular beschrieben werden (Z. 1). Die Handlung wird fast ausschließlich aus der Außenperspektive wiedergegeben, da es sich um ein Gespräch handelt. Lediglich als zu Beginn die Gedanken und Gefühle Innstettens wiedergegeben werden, liegt die Innenperspektive vor (Z. 3).
Bei der Darbietungsform handelt es sich in weiten Teilen um eine szenische Erzählung, da das Gespräch zwischen Effi und Innstetten primär in wörtlicher Rede dargestellt wird. Der Anfang der Textstelle bildet mit der dortigen Figurenrede abermals eine Ausnahme (Z. 1 bis 3).
Der Erzähler verhält sich in diesem Ausschnitt in seiner Haltung fast ausschließlich neutral, was an der Darbietungsform des szenischen Erzählens liegt. So gibt es keinerlei wertende Kommentare oder Reflexionen seinerseits. Lediglich gegen Ende der Textstelle befindet sich eine wertende Aussage des Erzählers; als Reaktion auf die abgegebene Einladung Gieshüblers bezeichnet der Erzähler es als „natürlich“, dass dieses „an die gnädige Frau gerichtet war“ (Z. 40).
Der Erzähler gibt das Geschehen von einem eher distanzierten Standort wieder, da er sich hauptsächlich außerhalb der Figurenwelt befindet und die Handlung meist ohne sein Zutun, nämlich im szenisch dargestellten Gespräch, stattfindet. Angesichts dieser Erzählstrategie erfährt der Leser kaum etwas über die Gedanken und Gefühle der handelnden Figuren und das Geschehen wird abgesehen vom anfänglichen Erzählerbericht ausschließlich objektiv von außen dargelegt. So wird der Fokus auf das eigentliche Gespräch der Hauptfiguren gelenkt. Dem Leser, der so als Beobachter des Gesprächs fungiert, wird ermöglicht, sich ein eigenes Urteil über die Handlung und insbesondere Effis Verhalten zu bilden. Er wird dabei nicht beeinflusst, indem er etwas über die Gedanken und Motive der Figuren erfährt und so gegebenenfalls mehr oder weniger mit diesen sympathisiert.
Zu Beginn der Textstelle (vgl. Z. 1 bis 20) hat Effi einen größeren Redeanteil. Dies beruht zum Teil darauf, dass es Innstetten schwerfällt, seine Eifersucht vor ihr offenzulegen und er eher indirekt versucht, sie über seine Verstimmung in Kenntnis zu setzen. So bleiben Innstettens Äußerungen knapp gefasst. Dagegen möchte Effi ihren Ehemann mithilfe einer ausführlichen rechtfertigenden Erklärung des Geschehens von seinem Verdacht abbringen (vgl. Z. 14 bis 20). Danach (vgl. Z. 21 bis 63) hat Innstetten den größeren Redeanteil, da er Effi über Crampas wahres Wesen zu unterrichten sowie zu warnen versucht (vgl. Z. 23 bis 33). Im weiteren Verlauf legt er detailliert den vermeintlichen Unterschied zwischen Crampas und Gieshübler dar, dem nach letzterer als Mensch von höherem Wert sei (vgl. Z. 43 bis 48).
Im ersten Abschnitt der Textstelle (vgl. Z. 1 bis 38) geht die Gesprächsinitiative von Innstetten aus, welcher die Konversation eröffnet, um das Thema auf Effis Schlittenfahrt mit Crampas zu lenken. Er möchte das Gespräch aufrechterhalten, um zum einen mehr über die gemeinsame Fahrt herauszufinden und zum anderen, um Effi vor den Absichten des Majors zu warnen (vgl. Z. 31). Im zweiten Abschnitt (vgl. Z. 39 bis 63) ist die Atmosphäre wesentlich entspannter und Effi, welche Innstetten nun scherzhaft mit seiner Eifersucht aufzieht (vgl. Z. 41 f.) ergreift die Gesprächsinitiative. Sie, die sich im ersten Abschnitt für die gemeinsame Fahrt von ihr und Crampas rechtfertigt, tut dies insbesondere anhand von rhetorischen Fragen. Sie fragt Innstetten beispielsweise, ob sie Crampas hätte abweisen sollen, „als die Grasenabbs kamen und mit einem Male die Fahrt weiterging“ (Z. 16 f.) oder verweist auf die Tatsache, dass beide schon viele Male „gemeinschaftlich spazieren geritten sind“ (Z. 18 f.), um Innstetten die Lächerlichkeit und Bodenlosigkeit seiner Verärgerung nahe zu bringen.
Des Weiteren fällt die sachliche Sprache auf, derer sich Effi bedient, um die Notsituation zu erklären und Innstettens Verdacht abzuschwächen (vgl. Z. 9 f.). Dieser tendiert im Gespräch dagegen zu einer belehrenden bis herabschauenden Haltung gegenüber Effi, was sich in Ausdrücken wie „meine liebe Effi“ (Z. 37 und 43) widerspiegelt. Darüber hinaus behauptet er, dass Effi nicht über charakterliche Stärke verfüge (vgl. Z. 37 f.). Die Tatsache, dass Innstetten oft auf Effi wie auf ein kleines Mädchen herabblickt, liegt zum einen an ihrem kindlichen Wesen, zum anderen an dem großen Altersunterschied der beiden. Ferner scheint Innstetten von Natur aus einen erzieherischen Charakter vorzuweisen, da sich auch in seinem Umgang mit Gieshübler ähnliche Verhaltensweisen erkennen lassen.
Im zweiten Abschnitt der Textstelle stellt Innstetten einen Vergleich zwischen Crampas und Gieshübler an und behauptet, beide seien „nicht von gleichem Karat“ (Z. 44). Seiner Meinung nach berechne man „nach Karat (…) den reinen Goldeswert, unter Umständen auch der Menschen.“ (Z. 45). Diese Objektifizierung verdeutlicht Innstettens abwertende und entmenschlichende Haltung gegenüber anderen.
Das Gespräch zwischen Effi und Innstetten baut auf seinem Verdacht auf. Er beginnt die Unterhaltung und lenkt sie in die von ihm gewünschte Richtung, um mit Effi über den Vorfall zu sprechen. Das gesamte Gespräch dreht sich um Innstettens Vorwurf und seine negative Sicht auf Crampas, woraufhin Effi sachlich, aber auch rechtfertigend reagiert. So lässt sich sagen, dass sich die Interpretationshypothese, der nach Innstettens Eifersucht und Misstrauen gegenüber Crampas thematische Schwerpunkte darstellen, bestätigt. Nach weiterer Untersuchung der Textstelle kann man sagen, dass Effis Reaktion auf Innstettens Vorwürfe ebenfalls eine Rolle spielt. Obwohl sie ihrem Ehemann zu diesem Zeitpunkt noch vom Kuss zwischen ihr und Crampas hätte erzählen können, ohne selbst Schaden zu tragen, verschweigt sie ihm die Wahrheit und verteidigt Crampas sogar. Dieses Verhalten lässt die Annahme zu, dass sie zwar zu den Geschehnissen im Schlitten nicht aktiv beigetragen hat, jedoch auch nicht möchte, dass Crampas Annäherungsversuche enden. So lässt sich zur Interpretationshypothese hinzufügen, dass ein weiterer thematischer Schwerpunkt Effis Unehrlichkeit gegenüber Innstetten und ihr Wunsch nach weiterem Kontakt zu Crampas ist.