Inhaltsangabe, Analyse und Interpretation
Das Gedicht „Der Jäger Abschied“ von Joseph von Eichendorff aus dem Jahr 1810 handelt von dem Abschied eines Jägers vom Wald, den er verlassen möchte.
Es besteht aus vier Strophen mit jeweils sechs Versen. Die erste und dritte Strophe beinhalten einen umarmenden Reim (abba) und einen Paarreim (bb), wobei die zweite und vierte Strophe durch zwei Paarreime (aaaa und bb) gekennzeichnet sind. Das Metrum1 ist ein Trochäus, der durchgehend regelmäßig ist. Es sind alternierende Kadenzen2 vorhanden, da es sowohl weibliche, als männliche gibt, wobei jedoch die Anzahl an männlichen Kadenzen überwiegt.
Inhaltlich verabschiedet sich ein Jäger von seinem Wald, da er fortziehen möchte. In der ersten Strophe zeigt er, wie schön er den Wald findet und verabschiedet sich. In der zweiten Strophe erklärt er den Grund dieses Abschieds. In der dritten Strophe werden wieder die positiven Werte des Waldes dargestellt und in der letzten Strophe gibt es einen endgültigen Abschied, indem der Wald unter Gottes Schutz gestellt wird.
Der Wald wird von dem lyrischen Ich sehr positiv dargestellt. Schon zu Beginn wird durch den positiven Ausdruck „schöner Wald“ (V. 1) deutlich, dass der Wald dem lyrischen Ich gefällt. Dieser Ausdruck wird im Gedicht immer wieder aufgegriffen und mit „Lebe wohl“ (V. 6, 12, 18, 24) verbunden, was zeigt, dass der Wald auch nach dem Abschied in positiver Erinnerung bleiben wird. Durch den Ausdruck „hoch da droben“ (V. 2) wird dem Wald zudem eine Sonderstellung gegeben. Die Welt befindet sich im Chaos („tief die Welt verworren schalt“, V. 7), jedoch befindet sich der Wald abseits von diesen Problemen, auf welche später noch genau eingegangen wird. Durch die Verwendung einer Alliteration3 des Buchstabens „o“ („so hoch da droben“, V. 2) wird diese Darstellung des Waldes besonders betont. Er ist abseits der verworrenen Welt und befindet sich einsam in einer erhöhten Position. Zudem wird die positive Sicht auf den Wald durch den Ausdruck „grüne Wogen“ (V. 14) sichtbar. Der Wald ist grün, also ist er gesund und voller Blätter, was dem lyrischen Ich gefällt. Auch ist der Wald ein Ort von „frommen Sagen“ (V. 16). Er wirkt mystisch, von Sagen umwoben, welche jedoch alle positiv sind (vgl. „fromm“). Dies ist ein typische Kennzeichen der Romantik. In dieser Epoche wird das sagenhafte, unerklärbare in den Fokus gestellt, um in eine Traumwelt vor dem Alltag zu fliehen. Auch wenn hier keine expliziten Sagen genannt werden, stellt das Lyrische Ich doch dar, dass der Wald als eine schöne und besondere Umgebung gesehen wird, in welcher sich das Lyrische Ich wohlfühlt. Dennoch möchte es den Wald verlassen, da es andere Ziele verfolgt, die es nicht im Wald erreichen kann.
Das Lyrische Ich, welches durch den Titel als Jäger identifiziert werden kann, verlässt seine gewohnte Umgebung, den Wald. Daraus lässt sich schließen, dass es einen wichtigen Grund gibt. In der zweiten Strophe spricht das Lyrische Ich diesen zum ersten Mal an. Dort zeigt es zudem, dass es nicht alleine ist. Den Abschied vom Wald hat der Jäger alleine gesprochen, aber nun „ziehen [wir] fort und blasen“ (V. 9). Es gibt ein gemeinsames Ziel, wodurch der Jäger seinen Wald verlässt, um mit anderen zusammen zu „blasen, daß es tausendfach verhallt“ (V. 9-10). Mit dem Verb blasen ist gemeint, dass sie etwas verkünden möchten. Zudem wird die Wichtigkeit dieser Verkündung deutlich durch die Hyperbel4 „tausendfach“ (V. 10). Es sollen sehr viele Leute davon erfahren. Hier könnte Eichendorff Bezug auf das historische Geschehen dieser Zeit nehmen. Es war die Zeit nach den napoleonischen Kriegen. Durch die französische Revolution ist die deutsche Herrschaft auch zusammengebrochen und Deutschland befindet sich in der Zeit der Restauration. Die Fürsten wollten dort ihre vorherige Machtstellung zurückerlangen und unterdrückten die Bevölkerung. Der Großteil der Bürger war mit dieser Situation unzufrieden, was Eichendorff mit dem Ausdruck „Tief die Welt verworren schallt“ (V. 7) ausgedrückt haben könnte. Aus diesem Grund möchte der Jäger gemeinsam mit anderen fortziehen und seine Unzufriedenheit ausdrücken. Diese Themendarstellung passt jedoch nicht ganz in die Romantik, in die der Dichter und ein Großteil des Gedichts einzuordnen ist, sondern eher in den Vormärz, wo ein Auflehnen gegen die bestehende Ordnung in den Gedichten wiederzufinden war. Zeitlich, sowie inhaltlich könnte man das Gedicht somit in die Zeit zwischen Romantik und Vormärz einordnen. Auf dieses geschichtliche Ereignis könnte auch der „Banner“ hinweisen, welcher in Vers 13 und als „Deutsch Panier“ in Vers 22 vorkommt. Während am Anfang nur vom „Banner“ (V. 13) die Rede ist, bezieht sich Eichendorff später auf den „Deutsch Panier“ (V. 22), wodurch er den Banner als Symbol von Deutschland darstellt. Dieser scheint sehr groß zu sein, da er „rauschend wallt“ (V. 22). Durch die Verwendung des Adjektivs „rauschend“, welches eher als Geräusch wahrnehmbar ist, liegt eine Synästhesie vor, es werden also das Sehen und Hören verknüpft, wodurch der Ausdruck sehr einprägsam ist. Die Verwendung von Synästhesien5 ist sehr typisch für die Romantik, um das Gefühl und den Ausdruck zu verstärken. Das Verkünden und die Verwendung eines großen Banners könnten also für einen Protest gegen das bestehende System sein, wodurch sich die Menschen für Freiheit und eine Nation einsetzen, was durch die absolutistischen Fürsten bisher nicht möglich war.
Obwohl das Lyrische Ich den Wald verlässt, um möglicherweise gegen etwas zu protestieren, zeigt sich an der Einstellung, dass der Wald eine hohe Bedeutung hat und es ihn nicht einfach so verlassen will. Das Gedicht leitet mit einer Frage ein (V. 1-2), woraufhin der Jäger den Erschaffer des Waldes loben möchte (V. 3). Es wird also sichtbar, dass der Jäger sehr glücklich über die Erschaffung des Waldes ist und einen dankbaren Charakter hat. Mit dem „Meister“ (V. 3), den er loben möchte, könnte Gott gemeint sein. Dies zeigt schon, dass Gott für das Lyrische Ich eine sehr wichtige Rolle spielt und er ihm viel bedeutet, worauf später noch verstärkt eingegangen wird. Auch durch die direkte Anrede des Waldes durch das Lyrische Ich („lebe wohl“, V. 5, 6) zeigt er seine Zuneigung zum Wald. Der Abschied ist für ihn sehr entscheidend und ein wichtiger Schritt. Es liegt ein Parallelismus vor, der Abschied (V. 5-6) wird an jedem Strophenende wiederholt, was die Eindringlichkeit betont. Man kann zudem an der Einstellung des Lyrischen Ichs erkennen, dass der Wald für ihn wie eine Mutter ist. Er hat ihn „treu […] auferzogen“ (V. 15). So wird der Wald personifiziert und kann als Mutter gesehen werden, welcher ihn großgezogen hat. Nun jedoch, wo er erwachsen ist, muss er fortziehen. Dieses Motiv des Aufbrechens ist ebenso typisch für die Romantik. Zudem zeigt der Jäger seine verbundene Einstellung zum Wald , indem er den Wald nicht vergessen will, sondern „ehrlich halten“ möchte (V. 20). Er hat eine persönliche Beziehung zu dem Wald und wird ihm deshalb „Ewig […] treu [bleiben]“ (V. 21). Die Jäger ehren den Wald und auch, wenn sie fortgehen, bleiben sie ihm doch treu. Am Ende des Gedichts formuliert der Jäger nun seinen endgültigen Abschied. Dies wird durch den Ausruf „Lebe wohl!“ (V. 23) betont, da nun ein Ausrufezeichen als Endgültigkeit verwendet wird. Dennoch folgt er noch mit einem Bezug zu Gott. Wenn er wegzieht, soll Gott auf den Wald aufpassen (V. 24). Dies zeigt die Einstellung des Lyrischen Ichs zur Religion. Er vertraut Gott seinen Wald an, der ihm sehr wichtig ist. Somit ist er religiös und hat Vertrauen in Gott.
Zusammenfassend kann man sagen, dass der Abschied dem Jäger nicht leicht fällt. Er hat eine persönliche Beziehung zu diesem und fühlt sich mit ihm verbunden. Dennoch muss er gehen, da er wichtige Ziele hat. Er wird zwar dem Wald immer treu bleiben, jedoch auch seinem Land, mit dessen herrschendem System er wahrscheinlich unzufrieden ist. Daher muss er für sein Land eintreten und für seine Ziele.
Das Gedicht lässt sich hauptsächlich in die Epoche der Romantik einordnen. Dort waren die Menschen mit dem System unzufrieden und begaben sich deshalb in Fluchtträume vor der Realität. Kennzeichen für die Epoche sind ausführliche Naturbeschreibungen, was hier durch die Darstellung des Waldes erfolgt. Zudem gibt es häufig irreale, unerklärbare Themen, was hier durch Sagen des Waldes zumindest angedeutet ist. Auch der Aufbruch in ein neues Leben ist typisch für die Romantik. Der Jäger verlässt seinen vertrauten Wald und bricht zu etwas Neuem auf. Es lassen sich also viele Merkmale der Romantik finden. Dennoch gibt es einige Kennzeichen, welche untypisch für die Epoche sind. Die Jäger wollen fortziehen und etwas weitläufig verkünden, zudem haben sie einen deutschen Banner. Diese Themen lassen sich in die Thematik des Vormärz einordnen, zeitlich jedoch wäre es kurz vorher. Zu der Zeit befand sich Deutschland in einer Restaurationsphase. Dort erlangten die Fürsten wieder mehr Macht und unterdrückten die Bevölkerung. Während in der Romantik in Träume und Natur geflüchtet wurde, nahmen Dichter im Vormärz eine Partei ein und stellten sich gegen die Unterdrückung, wodurch sie ihre Rechte zurückforderten. Man könnte das Gedicht als leichten Wandel von der Romantik zum Vormärz sehen, wobei jedoch immer noch die romantischen Elemente überwiegen.