Inhaltsangabe/Zusammenfassung
Ein aufmerksamer Leser kann in vielen literarischen Werken eine Entwicklung der Figuren beobachten. Auch in dem Roman „Schöne Neue Welt“, geschrieben von Aldous Huxley im Jahre 1932, ist dies der Fall. Der Roman präsentiert eine Utopie, in der Menschen das Glück durch Sex und Konsum erleben, ohne einen Blick für die Realität zu haben. Durch die Entwicklung der Figur Bernard Marx veranschaulicht Huxley eine facettenreiche Persönlichkeit, welche den Leser dazu anregt, die oberflächliche Ausstrahlung einiger Figuren dieser Utopie zu hinterfragen.
Zu Anfang des Werkes „Schöne Neue Welt“ demonstriert Huxley den Protagonisten Bernard Marx als einen vermeintlichen Rebell. Marx lehnt regt sich deutlich über die Normen der Konsumgesellschaft auf. Er ist sehr nachdenklich und hält sich meistens aus den sexualisierten und konsumorientierten Konzepten des Weltstaates heraus. Das Konzept „jeder gehört jedem“ findet bei Bernard keinen Anklang, im Gegenteil, er reagiert aggressiv darauf, dass Henry Ford über Lenina redet, „als wäre sie Frischfleisch“ (S.55). Jedoch ist Bernard eher ein Außenseiter des Systems. Obwohl er ein hochintelligenter „Alpha-Plus“ ist, wird er als „hässlich“ (S.56), „scheu“ (S.55) und „klein geraten“ (S.56) beschrieben. Huxley verdeutlicht hier, dass Bernard ironischerweise hoch oben im Klassensystem steht, jedoch trotzdem nicht akzeptiert wird. Der Leser versteht, dass es auch Anomalien in der funktionierenden, utopischen Klassengesellschaft gibt. Daher wird Bernard zu Anfang des Romans als vermeintlicher Rebell präsentiert, um den Leser dazu anzuregen, hinter die Fassade dieser Utopie zu blicken und die Ausstrahlung der Charaktere zu hinterfragen.
Im späteren Verlauf wird Bernard jedoch von der Gesellschaft akzeptiert. Huxley stellt hier eine Kehrtwende in Bernards Persönlichkeit dar, denn er entwickelt sich von einem ausgestoßenen Rebellen zu einem aufgenommenen Helden. Diese Akzeptanz basiert allerdings nicht auf einem aktiven Persönlichkeitswechsel, sondern ist eher passiv und „dem Wilden“, (John) zu verdanken, welchen Bernard aus dem Eingeborenenreservat mitbringt. Huxley veranschaulicht hier die reizorientierte und sensationssüchtige Konsumgesellschaft, da jeder Bürger jetzt den anonymisierten „Wilden“ sehen möchte. Dies reflektiert auch den historischen Hintergrund des Werkes - Huxley kritisiert hier eindeutig den Massenkonsum der Amerikaner nach dem Ersten Weltkrieg. Bernard ist plötzlich ein Lieferant dieses Konsums und dieser Sensationen, weshalb er in die Gesellschaft aufgenommen wird. Schon jetzt bemerkt der Leser, dass er sich in Bernard getäuscht hat. Der Rebell ist plötzlich ein Chamäleon der Gesellschaft und gibt seine individuellen Eigenschaften ab. Er passt sich an, je nachdem ob er als Individuum ausgestoßen oder akzeptiert wird. Er hat auf einmal „sechs Mädchen pro Woche“ (S.179), was einen Kontrast zu seiner Kritik des „Frischfleisches“ (S.55) zu Anfang des Romans darstellt. Bernard entwickelt sich von einer Kontrastfigur der Weltstaatkonzepte zu einer Persönlichkeit der Konvergenz. Erneut wird der Leser angeregt, die Persönlichkeiten dieses Romans kritisch zu hinterfragen und das lügnerische Bild des Weltstaates anzuzweifeln.
Am Ende des Romans erwartet Bernard Marx in „Schöne Neue Welt“ ein tiefer Fall. Sein oberflächlicher Ruhm täuscht, denn nicht er als Individuum ist wichtig, sondern seine Freundschaft mit John, was die oberflächliche Haltung der Menschen demonstriert. Nach Johns Aufstand gegen den Weltstaat versucht sich Bernard „unauffällig (…) Richtung Ausgang zu verdrücken“ (S.247). Huxley zerbricht hier erneut das rebellische Bild von Bernard, welches der Leser zu Anfang des Romans erhielt. Als er abgeführt wird, versinkt Bernard „in noch hoffnungsloserer Trübsal“ (S.250) und versucht die Schuld auf seine Freunde zu schieben. Bernard distanziert sich bei seinem Verhör von seinen Freunden, um die Akzeptanz des Staates zurückzugewinnen. Er erleidet einen Nervenzusammenbruch und wird auf eine einsame Insel verbannt, wodurch Huxley Bernards endgültigen sozialen Tod präsentiert. Durch Bernards negative Entwicklung verdeutlicht Huxley, dass man sich nicht von oberflächlichen Eindrücken leiten lassen sollte. Durch eine Darstellung aller Facetten von Bernard kann der Leser nun entscheiden, ob er seine Handlungen in dieser Anpassungsgesellschaft unterstützt und versteht oder ablehnt. Huxley stellt dem Leser die indirekte Frage, ob er in dieser konsumorientierten Welt nicht gleich gehandelt hätte, denn der Autor präsentiert eine feine Linie zwischen Dystopie und Utopie. Durch Bernards Entwicklung lernt der Leser alle seine Facetten kennen, während er seine Handlungen hinterfragt und bewertet.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Bernard Marx eine starke Wendung ihrer Charaktere durchlaufen. Bernard entwickelt sich von einem vermeintlichen Rebellen zu einem gescheiterten Weltstaatsbürger. Der Leser lernt durch diese erfolgreichen Entwicklungen der Figur alle seine Facetten kennen und kann sich eine ausgewogene Meinung über seine Handlungen bilden. Er hinterfragt indirekt die Normen einer reizorientierten Konsumgesellschaft.