Novelle: Im Krebsgang (2002)
Autor/in: Günter GrassEpoche: Gegenwartsliteratur / Literatur der Postmoderne
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Inhaltsangabe, Analyse und Interpretation
Nach dramatischen Ereignissen wie einem Gewaltverbrechen gibt es meistens viel Klärungsbedarf. Ein Beispiel dafür wäre die Feststellung der Schuld aller Beteiligten.
Diese findet auch in der Gerichtsszene (S. 193 – 197) aus der Novelle „Im Krebsgang“ von Günter Grass aus dem Jahre 2002 statt.
Paul Porkriefke wird am 30.01.1945 auf einem Rettungsboot des Schiffes Wilhelm Gustloff von seiner Mutter Tulla geboren. Er selbst interessiert sich dafür aber weniger als sein Sohn Konrad, der eine eigene Website um das Geschehen gründet. Auf dieser diskutiert er mit Menschen wie David Stremplin, mit dem er sich schlussendlich auch im echten Leben trifft. Am Ende des scheinbar harmonischen Treffens erschießt Konrad David, da dieser Gustloffs Denkmal bespuckt.
Wie bewertet Konrad seine Schuld im Hinblick auf den Mord?
Die Szene ist in erlebter Rede zeitdehnend verfasst.
In der Gerichtsverhandlung gibt es viele verschiedene Meinungen darüber, wer den Mord zu verantworten hat. Die Gutachter halten es für die Problematik „Jugend ohne Vater“ (S. 193, Mitte). Der damit beschuldigte Paul empfindet seine Mutter Tulla als schuldig und der Verteidiger macht seinen Job, alle Schuld von Konrad abzuwenden.
Konrad selbst beschreibt seine Tat als von „rein sachlicher Art“ (S. 194, unten). Das zeigt, dass er keinerlei Reue besitzt und es als rationale Aktion darstellt. Er bemängelt sogar an seiner eigenen Tat, er hätte gerne „einen Revolver zur Verfügung gehabt“ (S. 194, unten), da David Frankfurter Wilhelm Gustloff mit einem solchen erschossen hat.
Dass er sich Gedanken um das Verbesserungspotential der Geschehnisse macht, beweist, dass er stolz auf den Mord ist und die volle Verantwortung dafür übernimmt.
Auch der personale Erzähler Paul beschreibt Konrads Ausstrahlung als „Verantwortungsträger“ (S. 194, unten). Obwohl Paul ein unzuverlässiger Erzähler ist, ist es recht glaubwürdig, dass man Konrad als „Ankläger seiner selbst“ (S. 194-195) sehen kann.
Dies manifestiert sich auch darin, dass er „[ablehnt], die Mitschuld seiner Eltern zu akzeptieren“ (S. 195, oben). Er möchte voll zurechnungsfähig und entschlossen wirken. Womöglich um die Anerkennung zu erhalten, die er von seinen Eltern nicht bekommen hat. Diese Entschlossenheit bezieht sich aber auch auf seine Meinungen zu bestimmten Personengruppen und Themen.
Paul nennt Konrads Abneigung gegenüber Juden „versachlichten Hass“ (S. 195, oben), da es ein sehr konstanter und aus Konrads Sicht begründeter Sachverhalt ist.
Konrad selbst sagt, er „habe [.] nichts gegen Juden“ (S. 196, oben), jedoch bezeichnet er sie als „Fremdkörper“ (S. 196, oben). Er stellt seine Meinung scheinbar logisch dar und sogar Paul denkt, es „rede einzig [sein] Sohn Klartext“ (S. 196, Mitte), da alle Anderen seine Schuld widerlegen wollen. Er sieht seine Schuld als Einziger ein und beharrt darauf, ernstgenommen zu werden.
Paul ist sich seiner vollen Schuld bewusst und möchte anscheinend auch die angemessene Bestrafung dafür. Einen Totschlag sieht er nicht ein, da er ein klares Motiv verfolgt. Man könnte psychopathische Züge mutmaßen, da er empathielos den Sachverhalt schildert und ihm die rechtlichen Konsequenzen nahezu egal sind. Er scheint es eher zu genießen, für seine Taten Aufmerksamkeit zu bekommen.