Inhaltsangabe, Analyse und Interpretation
Bei dem hier vorliegenden Text handelt es sich um die Parabel „Gibs auf!“ von Franz Kafka. Sie setzt sich mit dem Thema der Suche nach Erkenntnis und Wahrheit auseinander.
Der Beginn scheint noch recht unproblematisch zu sein: „Es war sehr früh am Morgen, die Straßen rein und leer, ich ging zum Bahnhof“ (Z. 1). Diese einfache Beschreibung der Situation wirkt noch unbekümmert. Noch gibt es keine Hindernisse und Probleme. Dies stellt den Lebensweg eines jeden dar, der schon früh beginnt, sich auf die Suche nach Wahrheit und Erkenntnis zu machen. Der Bahnhof steht hier als Ort, an dem die Abfahrt zu einem besonderen Ziel beginnen kann. Dies ist dem Menschen seit jeher zu eigen, da er stets nach dem vermeintlich richtigen Weg durchs Leben sucht und zu richtigem Handeln gelangen will. Die Hoffnung auf Halt und Orientierung sind dabei genauso wichtig wie ein schuldloses Leben. Das ist auch der Grund, warum ein Bahnhof angesteuert wird. Dies ist nämlich ein Ort der Verbindungen, der die Menschen weiter trägt zu anderen Zielen.
Doch „[a]ls ich eine Turmuhr mit meiner verglich, sah ich, daß es schon viel später war, als ich geglaubt hatte, ich musste mich sehr beeilen“ (Z. 1-3). Der blick auf die hoch oben angesiedelte Turmuhr, die so viel größer und präsenter ist als die eigene, ermittelt dem Suchenden sofort ein Gefühl von Autorität. Er stellt sie nicht in Frage und die anfängliche Zuversicht hinsichtlich seiner Suche schwindet. Diese setzt ihn sofort unter Druck und steigert somit seine Unsicherheit.
Das Ich scheint wirklich sehr getroffen zu sein: „[D]er Schrecken über diese Entdeckung ließ mich im Weg unsicher werden, ich kannte mich in dieser Stadt noch nicht sehr gut aus, glücklicherweise war ein Schutzmann in der Nähe, ich lief zu ihm und fragte ihn atemlos nach dem Weg“ (Z. 3-5). Hier wird deutlich, dass es sich nicht um einen einfachen Weg zur Arbeit handelt, vielmehr scheint der Suchende zu wissen, bzw. zu glauben, dass es nur dieses eine Mal an den richtigen Ort getragen wird. Die Unsicherheit und Atemlosigkeit, die er hier an den Tag legt, verdeutlicht, dass sein Ziel für ihn unglaublich wichtig ist und der Zug nicht auf ihn warten wird. Seine glückliche Reaktion auf den Schutzmann zeigt, dass er diesen für eine Konstante, für eine Hilfe hält.
Doch schon in der ersten Entgegnung dieses Schutzmannes schwingt das Scheitern mit: „Er lächelte und sagt: „Von mir willst du den Weg erfahren?““ (Z. 5-6). In dem Lächeln deutet sich ein Spott an und die Wiederholung der Frage verstärkt dies. Vor allem die Formulierung „von mir“ zeigt, dass der Schutzmann diese an ihn gerichtete Frage für völlig abseitig hält und dem Mann keine befriedigende Antwort geben kann, bzw. zu einer solchen gar nicht in der Lage ist.
Tatsächlich hilft der Schutzmann nicht bei der Suche: „„Ja“, sagte ich, „da ich ich selbst nicht finden kann.“ „Gibs auf, gibs auf“, sagte er und wandte sich mit einem großen Schwung ab, so wie Leute, die mit ihrem Leben allein sein wollen“ (Z. 5-7). An dieser Stelle schmettert der Schutzmann das Anliegen des Mannes rigoros zurück und beraubt ihm mit seiner Antwort aller Hoffnung. Er verdeutlicht, dass die Suche des Mannes vergebens ist, der Weg verloren und jeder Versuch, ihn zu finde, zum Scheitern verurteilt. Sein Abwenden zeigt auch, dass er nicht für Diskussionen oder Nachfragen des Mannes offen ist. Auf diese Weise lässt er ihn gänzlich allein zurück. Er steht somit allein in der Fremde ohne einen Weg nach vorne der zurück, so ist er auf seinem Weg nach Antworten, nach Wahrheit gescheitert, ohne wissentlich etwas falsch gemacht zu haben. Dies bedeutet, der Weg zur Erkenntnis und Wahrheit war schon von Beginn an verschlossen und konnte nicht gefunden werden. Die Suche des Mannes führt also alleinig zu der Gewissheit, dass keine Erkenntnis erlangt werden kann und mit sich selbst vollkommen allein gelassen ist. Der Lebensweg ist somit auf negative Weise vorgezeichnet, denn schon der alleinige Versuch, einen geraden und geplanten Weg zu gehen erscheint als unmöglich. „Gibs auf“ ist somit die düstere Botschaft an alle Suchenden, denn die Suche selbst sei eine vergebliche.