Kurzgeschichte: Yakos Reise (2013)
Autor/in: Zoë JennyEpoche: Gegenwartsliteratur / Literatur der Postmoderne
Die Kurzgeschichte „Yakos Reise“ stammt aus Zoë Jennys Erzählband „Spätestens morgen“ (2013).
Die Kurzgeschichte „Yakos Reise“ stammt aus Zoë Jennys Erzählband „Spätestens morgen“ (2013).
Inhaltsangabe, Analyse und Interpretation
Eltern in asiatischen Ländern fühlen sich für den Schulerfolg ihrer Kinder verantwortlich. Gute Noten sind für sie der Beweis gelungener Erziehung. In der konfuzianischen Kultur, die neben China, Vietnam oder Korea auch Japan prägt, gilt Bildung schon weit länger als im Westen als wichtigstes Mittel zum sozialen Aufstieg. Die Folge: permanenter Druck und das Investieren von viel Geld in Nachhilfestunden und Übungsmaterialien. Wenn das Kind erstmals die Aufnahmeprüfung der Universität bestanden hat, sollte ja alles gut sein. Aber was ist, wenn diese Person sein Studium abbricht nur, um seinen unbestimmten Traum zu verwirklichen und somit die ganze Mühe der Eltern umsonst macht? Die Kurzgeschichte „Yakos Reise“ von Zoe Jenny wurde 2013 in einem Erzählband „Spätestens Morgen“ veröffentlicht und behandelt den Konflikt zwischen einem jungen Japaner, namens Yako, der sein Architekturstudium abgebrochen hat, um Mitglied einer Band zu werden und dafür nach LA fliegt, und einer Gesellschaft, die eine solche Selbstverwirklichung nicht duldet.
Die Erzählung beginnt damit, dass Yako sein Studium abbricht und mit seinem letzten Geld ein Flugticket nach Los Angeles kauft. Seine Eltern zeigen daraufhin eine entsetzte Reaktion und schmeißen ihn deswegen aus der Wohnung, damit er erkennt, dass dies eine Fehlentscheidung war. Der erste Sinnabschnitt (Z. 1-10) klärt zunächst die Vorgeschichte, wodurch der Kontext der Handlung für den Leser klarer wird.
Als Folgeerscheinung nach seinen Konflikt mit seinen Eltern treten Wahnvorstellungen des Protagonisten auf, dass die Menschen um ihn herum ihn feindselig anschauen (Z. 11-19).
Da er keine Unterkunft mehr hat und sein Flug erst in zwei Wochen startet, ruft er in einem Café Freunde und Bekannte an, um zu fragen, ob er bei ihnen übernachten kann. Allerdings zeigen sie eine ähnliche Reaktion wie die Eltern. Entweder sagen sie, dass er wieder zurück zu seinen Eltern gehen soll oder sie erfinden Ausreden, weshalb er nicht bei ihnen übernachten kann. (Z. 19-25).
Nun folgt ein Umbruch in der Situation: Yako wurde von seiner Familie verstoßen und seine Freunde wollen ihn auch nicht unterstützen. Nichtsdestotrotz nehmen ihn zwei fremde Mädchen namens Mustuko und Mira in ihre kleine Wohnung auf (Z. 26-38).
Nachdem Yako nun eine Unterkunft zum Verweilen gefunden hat und nun im Badezimmer der Wohnung schläft, denkt er über die Aussagen seiner Eltern und Freunde nach. Es zeigt sich ein zweiter Umbruch: Er zweifelt daran, ob es die richtige Entscheidung war nach Amerika zu fliegen. In diesem Abschnitt (Z. 39-54) wird die Umgebung des Badezimmers beschrieben und das Motiv der roten Augen in der Dunkelheit aufgegriffen.
An einem Morgen kurz vor den Abflug seines Flugzeugs, entscheidet sich Yako in der Wohnung der beiden Mädchen zu bleiben, da er nun Angst hat, seine Heimat zu verlassen. In seinem Eskapismus flüchtet er aus der Realität und blendet seine Sorgen aus, indem er Saxophon spielt und letztendlich seinen Flug verpasst (Z. 55-69).
Am Abend nachdem Mustuko und Mira nach Hause kommen, sehen sie eine Menschenmasse vor ihre Tür, da sie aufgebracht wegen dem Saxophonisten sind. Die Mädchen trennen Yako von seinem Saxophon und das Motiv der roten Augen wird wieder aufgegriffen (Z. 70-78). Dadurch wirkt die Handlung abgerundet.
Insgesamt enthält die Erzählung vier Figuren bzw. Gruppen: Yako, die zwei Mädchen, die Eltern und die äußere Umgebung, bestehend aus Freunde, Bekannte, die Menschen die auf den Straße laufen und die Nachbarn. Der Protagonist hat seit dem Abbruch seines Studiums ein schlechtes Verhältnis zu seinen Eltern. Sie sind sichtlich Enttäuscht über seine Entscheidung und bestrafen ihn, indem er aus der Wohnung rausgeworfen wird (vgl. Z. 6ff). Auch die Freunde und Bekannte wollen Yako bei seinem Traum nicht unterstützen (vgl. Z. 22ff). Bei Mutsuko und Mira ist das Verhältnis anders: Obwohl sie eigentlich Fremde sind, sieht Yako sie als seine Familie an, nachdem er von seiner echten Familie verstoßen wurde. Zum Beispiel gehen sie sehr sorgevoll mit ihm um, indem sie versuchen die Badewanne in eine „Schlafstätte“ (Z. 35) einzurichten. Außerdem essen sie auch gemeinsam zu Abend (vgl. Z 34f). Zu der äußeren Umgebung hat Yako auch ein schlechtes Verhältnis: Er stört und ignoriert die Nachbarn, indem er Saxophon spielt (vgl. Z. 65ff).
In der Vorgeschichte befindet sich die Hauptperson, Yako zunächst in der Wohnung der Eltern (Sinnabschnitt 1), welche ihm noch Geborgenheit gibt. Als er allerdings aus der Wohnung geworfen wird, verliert er diese Geborgenheit: Auf der Straße und im Café wird Yako als „Fremder […] [in] seiner Heimatstadt“ (Z. 13) betrachtet. In der Wohnung der Mädchen findet er sein neues Zuhause (vgl. Z. 59ff). Das Badezimmer fungiert als geschlossener Raum, in der der Protagonist aus der Realität entflieht (vgl. Z. 73ff). In dieser Isolation versucht Yako seine Sorgen und Zweifel zu verdrängen, da er nicht weiß, ob er nun seine Heimat verlassen soll oder nicht. Nachdem er wegen den Aussagen seiner Eltern und Freunde an seinem Traum zweifelt (vgl. Z. 44ff), entwickelt der Protagonist eine Angst vor der Einsamkeit. Dies zeigt sich, dass Yako nicht mehr die Wohnung der Mädchen und somit das Badezimmer verlassen möchte (vgl. Z. 75f). In der Wohnung, „in die morgens nur für wenige Stunden etwas Sonnenlicht fiel“ (Z. 29f), hat Yako im Badezimmer, die Möglichkeit in den einem in der Wohnung wenigen vorhandenen Fenstern den Himmel zu betrachten (vgl. Z. 39f). Man assoziiert den Himmel mit der Freiheit des Protagonisten, da er nun endlich seinem Traum nachgehen kann.
Die Erzählhandlung ist ein Personal-Er Erzähler, da man nur die Sichtweise von Yako kennt. Des Weiteren wendet sich der Erzähler Yako hin und streut ab und zu Kommentare in dem Geschehen, wie z. B. „Er war ein Fremdkörper…“ (Z. 14) oder „Ihre Stimmen schienen seltsam erschreckend.“ (Z. 21), weshalb die Darbietung ein Erzählbericht ist. Dennoch bedient sich der Erzähler auch der direkten Rede; und zwar dann, wenn die Eltern (vgl. Z. 7ff), die Freunde (vgl. Z. 22f) und Mutsuko bzw. Mira (vgl. Z. 26f) mit Yako sprechen. Eine Ausnahme bilden der zweite (Z. 39-54) und fünfte Abschnitt (Z. 39-54), in der man durch die erlebte Rede eine Innensicht des Protagonisten hat. Hiermit erfährt man von seinem schlechten Gewissen und seinen Zweifel an seiner Entscheidung.
Die Handlung findet in Sommer in einem Zeitraum von ca. zwei Wochen statt. Meistens ist die Erzählung zeitdeckend aber an manchen Stellen erkennt man, dass die Zeit zeitraffend ist. In Z. 42 erfährt man, dass „Yako meistens nicht einschlafen konnte“, woraufhin man implizieren kann, dass er für mehrere Nächte in der Wohnung der Mädchen verbracht hat. Man hat hier einen Zeitsprung von mehreren Tagen, was allerdings nicht explizit genannt wird.
Im ersten Sinnabschnitt (Z. 1-10) erkennt man, dass Yako nicht genau weißt, was genau sein Ziel ist. Zwar will er mit seinem Saxophon ein Mitglied in einer Band werden und dafür ins Ausland reisen, aber wieso er Ausgerechnet nach Amerika fliegen möchte weiß man nicht. Das sieht man an der Antithese1 „aus einem unbestimmten, aber starken Gefühl heraus“ (Z. 5f). Obwohl seine Eltern allein schon wegen seinem Abbruch des Studiums enttäuscht waren (vgl. Z. 2), haben sie Yako noch in ihrer Wohnung geduldet. Schließlich bedeutet dies, dass Yako nun Arbeitslos ist und seine Berufschancen mit einem nicht vorhandenen Studium Abschluss gesunken sind. Als sie nun erfahren, dass Yako sein „wenige[s] Geld“ (Z. 4), das wahrscheinlich vom Studium übrig geblieben ist, ausgibt, um ein Flugticket zu kaufen, reagieren sie mit großem Entsetzten. Sie wollen ihn nicht mehr unterstützen, nachdem er ihre Erwartungen, dass Yako einen sicheren Job bekommt, nicht erfüllt hat. Er wird ihnen zunehmend zur Last, woraufhin die Eltern nur den Rauswurf des eigens Sohnes aus der Wohnung als einzige Lösung für sein Fehlverhalten finden. Die Hyperbel2 „Du wirst schon sehen, welch großen Fehler es war, dies deinen Eltern anzutun“ (Z. 7f) verdeutlicht dies. Die „Tür“ Z. 9 hat eine ortsbestimte und metaphorische Bedeutung: Nachdem Yako die Tür passiert hat, befindet er sich nun in der Außenwelt. Einerseits bedeutet dies, dass er nun erleichtert seinem Traum nachgehen kann und andererseits bedeutet dies, dass er auf sich allein gestellt ist. Die Hyperbel „bevor die Tür für immer zuschlug“ (Z. 9f), zeigt, dass Yako nicht mehr zu seinen Eltern zurückkehren kann.
Im zweiten Sinnabschnitt (Z. 11-19) erhält man die Annahme, dass Yako nicht mehr in seiner Heimatstadt willkommen ist, da er die Vorstellung entwickelt, dass die Stadt selbst und die Menschen um ihn herum wissen, dass er die Stadt bald verlassen wird. Er wendet sich gegen die gesellschaftliche Erwartung, dass man einen Beruf mit einem regelmäßigen Einkommen hat, ab. Dies sieht man dadurch, dass Yako mit einem „Fremde[n]“ (Z. 13) und „Fremdkörper, der sich nicht in den Kreislauf der arbeitenden und eilenden Menschen einfügte“ (Z. 14) verglichen wird und das an dem Chiasmus und Personifikation3 der Stadt „Wie ein Fremder ging er durch […] seine Heimatstadt, als hätte sie ihn verlassen, noch bevor er sie würde verlassen können“(Z. 13f). Die Wiederholung des Wortes „als“ und die Metapher der „feindseligeren Blicke“ (Z. 17) und der Vergleich „als wüssten sie von seiner Abreise und gönnten sie ihm nicht“(Z. 18f) zeigt, dass die Arbeitenden Menschen um Yako herum auch Träume haben, die sie zugunsten der Gesellschaft nicht erreichen konnten. Deshalb sind sie Neidisch auf Yako und gönnen es ihm nicht, dass er seinen Traum verwirklichen kann. Insgesamt der Sprachstil der Passage von vielen Metaphern4 geprägt.
Im Café (Z. 11-19) erkennt man an die Adjektive „seltsam erschreckt“ (Z. 21) der vulgären Wortwahl und der typischen Jugendsprache(Z. 22f), dass Yakos Freunde eine klare Abneigung gegen Yakos vorhaben hegen. Sie erfinden Ausreden, weil sie Yako nicht unterstützen wollen.
Die beiden Mädchen (Z. 39-54) nehmen Yako, trotz eher ärmlicheren Verhältnissen, bei ihnen auf. Ihr Gasfreundlichkeit steht im Kontrast zu den kleinen Wohnung, was man in der Antithese die „winzige [] Küche“ und die „große Schale Seetang“ erkennt. Im Badezimmer (Z. 39-54) plagt Yako sein Gewissen, dass er eine Fehlentscheidung getroffen hat. Das Symbol der „roten Augen“ (Z. 41) soll eine Warnung dafür sein, dass er in LA nur Einsamkeit findet. Vor allem weil er dort niemanden hat, den er kennt und weil er aufgrund der Sprachbarriere mit niemanden reden kann. Die Vorstellung der „höhnischen Gelächter“ (Z. 47f), und die Metapher der Pflanzen, die das Licht über seinen Kopf verschlucken (vgl. Z. 53ff), zeigen, dass Yako Angst vor dem Versagen hat.
Kurz vor dem Abflug riecht er im Badezimmer der Mädchen Jasmin und Lavendel und verbindet mit dem Duft Geborgenheit und Heimat (vgl. Z. 60). Yako sehnt sich nach der Gemeinschaft der beiden Mädchen, und entscheidet sich dafür in Japan zu bleiben. Das erkennt man der Metapher „schickte er den verlorenen Duft seine Klänge nach, in den Lärm der Stadt hinein“(Z. 62f).
Letztendlich haben die Erwartungen der Gesellschaft über Yako gesiegt, da Yako sein Ziel der Selbstverwirklichung nicht erreiche konnte. Es war seitdem er von der Wohnung geworfen wurde zum Scheitern verurteilt. Zu der Tür, aus der er rausgeschmissen wurde kann er nicht mehr wieder zurückkehren. Das Wiederaufgreifen des Motivs „der roten Augen“ (Z. 78) verdeutlicht dies.
Der Text das die Selbstverwirklichung eines Traumes aufgrund der gesellschaftlichen Erwartungen nahezu unmöglich ist. Die Aufnahmeprüfungen von den japanischen Universitäten gelten als besonders schwer. Man sieht aber, dass Yako die Prüfungen bestanden hat, weil sonst nicht studieren konnte. Deswegen kann man auch die Enttäuschung der Eltern sehr gut nachvollziehen. Außerdem wird die Arbeit in Japan als eine Aufgabe und die Möglichkeit sich in der Gesellschaft einzubringen und sich selbst zu verwirklichen gesehen. Der Hauptprotagonist stellt sich gegen diese Vorstellung. Die Motive „rote Augen“ und „die Tür“ sind ganz zentral in der Erzählung. Die roten Augen zeigen das Scheitern von Yako und eine Warnung, während die Tür eine Veränderung zeigt, welche einen Rahmen um die ganze Erzählung bildet: Mit der Tür hat die Geschichte angefangen und mit der Tür hört sie wieder auf. Die Aufmerksamkeit und die Leseerwartung liegen im Titel „Yakos Reise“. Zunächst würde man denken, dass es um jemanden geht, der um die Welt reist. Allerdings liegt der Schwerpunkt auf Yakos Entscheidung. Yako macht eine Reise in seinem Inneren, in der er herausfindet, ob er in seiner Heimat bleiben will oder nicht.
Selbstverwirklichung ist im beruflichen Leben ganz Zentral. Viele junge Menschen stellen sich die Frage, was sie beispielsweise nach dem Abitur machen sollen. Die meisten haben noch keine klare Vorstellung. Das Resultat sind die Belegungen von bestimmten Studienfächern, wie Jura und BWL. Am Ende stellt sich heraus, dass die Fächer nichts für einen sind und das Studium wird Abgebrochen. Damit sowas nicht passiert sollte man sich im Voraus darüber informieren, für was man sich besonders interessiert und diese versucht anzustreben.