Aufgabe
Analysieren Sie den folgenden Sachtext von Thomas Jonigk.
Zusatzaufgabe
Erörtern Sie ausgehend von den Thesen Jonigks die Frage, ob für die junge Generation heute dennoch eine Auseinandersetzung mit Schillers Drama „die Räuber“ lohnend erscheint.
Inhaltsangabe, Analyse und Interpretation
Das Essay „Corporate Identity, ich kenne niemanden unter 20, der gerne ins Theater geht“ erschien 1998 und wurde von dem damals 22-jährigen Thomas Jonigk verfasst.
Jonigk setzt sich im Folgenden mit der Frage auseinander, warum und wie Theaterstücke aus alter Zeit aktualisiert werden sollten, wobei er sich vor allem auf die jüngere Erwachsenengeneration bezieht.
Schon zu Anfang des Sachtextes stellt Jonigk eine Forderung an einen nicht direkt angesprochenen Adressaten, nämlich, dass Theaterstücke an die heutige Zeit angepasst werden sollten, da er glaubt, dass original aufgeführte Stücke in der heutigen Zeit großer Kritik ausgesetzt wären.
Eine Erklärung für diese These gibt er zwar nicht direkt an, räumt sich aber durch das Befehlswort „verlangen“ das Recht auf diese Forderung einer Aktualisierung der Theaterinszenierung ein.
Im Folgenden stellt er weitere Ansprüche, wobei er sich auf den Aufklärungsgedanken Kants bezieht. Jonigk besteht auf Ehrlichkeit und Integrität im Theater, welche durch mündige Künstler und Kritiker entstünden.
Dabei drängt er vor allem darauf, dass Regisseure nicht nur auf eine gute Aufmachung zielen dürften, sonder ihre eigenen Anliegen mehr einbringen sollten.
Jonigk bedient sich zur Verstärkung dieser These zahlreicher Aufzählungen und Ellipsen1, wodurch die Stringenz im Gedankengang unterbrochen wird. Dies erzeugt einerseits eine radikale Stimmung, und unterstützt andererseits die Polemik.
Jonigk verweist darauf, dass das Theater einen Umschwung hin zur Gegenwart wagen solle, da dessen gegenwärtige Situation ihmnach einem „sinkenden Schiff“ gleiche, beziehungsweise einem „ausgetretenen Pfad“.
Diese metaphorische Darstellung von etwas Veraltetem, beziehungsweise nicht Gewolltem (das sinkende Schiff) zeigt seine persönliche Resignation sehr deutlich.
Jonigk gibt auch zu bedenken, dass eine Belebung und an junge Leute angepasste Inszenierung von Nöten sei, um dieses, bis jetzt uninteressierte Publikum zum Theaterbesuch anzuregen.
Menschen, die regelmäßig ins Theater gingen, wären Jonigk zufolge nämlich nur Personen aus den „älteren“ Generationen, welche bald nicht mehr dazu im Stande wären.
Jonigk lässt durch eine rhetorische Frage offen, welche Mittel nötig seien, um jungen Leuten einen Anreiz zu geben, ins Theater zu gehen, sieht jedoch eine Chance darin, dies zu ermöglichen, indem er anmerkt, dass das Theater zwar verstaubt sei, jedoch noch nicht tot.
Er ist sich aber wohl darüber im Klaren, dass es in der Zukunft nur zwei Extreme geben könne. Entweder die Neubelegung des Theaters durch Gegenwartstexte- und projekte oder die vollkommene Stilllegung dessen durch bleibende Stagnation.
Zusammenfassend stellt Jonigk, als Repräsentant seiner Generation von jungen Erwachsenen die Forderung, dass das Theater an gegenwärtige Zustände angepasst werden solle.
Auch wenn er seine Argumente nicht klar stützt, ist seine Position dennoch schlüssig, indem er genug Beispiele aufführt, die Kritik am momentanen Zustand des Theaters üben. Er bemängelt vor allem die Stagnation der Regisseure welche dazu führe, dass junge Leute sich nicht mit den Stücken oder Rollen identifizieren könnten, was eben zum Aussterben der Theaterbesucher und somit des Theaters an sich führen würde.
Aus dem Sachtext ist auch ersichtlich, dass Jonigk dem Theater, trotz der Kritik, sehr positiv gegenüber steht.
Dies zeigt sich schon allein daher, dass er den Text überhaupt geschrieben hat, aber auch durch seinen vorsichtig gewählten Wortschatz.
Er anthropomorphisiert das Theater außerdem im letzten Abschnitt seines Textes, was einen starken persönlichen Bezug dazu darstellt.
Jonigk ist es also wichtig, dass das Theater erhalten bleibt.
Das Essay stellt eine Art Aufruf an alle Regisseure und Künstler dar und soll dem Anliegen Jonigks nachkommen, das Theater für die nächste Generation potentieller Theatergänger neu zu beleben, um es zu erhalten.
Ob für junge Leute eine Auseinandersetzung mit Schillers Drama „die Räuber“ aus dem Jahr um 1781 lohnend erscheint ist daher fraglich.
Gut 230 Jahre trennen Schillers Drama über jugendliche Rebellen von der heutigen Generation. Die gesellschaftlichen, sowie kulturellen Gegebenheiten haben sich über die Jahrhunderte durch den Fortschritt stark gewandelt und somit auch die Stellung des Individuums gegenüber seiner Umwelt.
Wie Jonigk sehr schön beschreibt, sollte ein Stück nicht originalgetreu aufgeführt werden aufgrund der fehlenden Aktualität, wodurch es keinen Anklang mehr bei Publikum finden würde.
Mit einem Angleichen an gegenwärtige Situationen wäre aber auch ein Stück wie „die Räuber“ sehenswert für junge Leute, zumal es trotz dem zeitlichen Unterschied die immer gleichbleibenden Grundprobleme des menschlichen Seins behandelt.
Zum Beispiel die, nach Jonigk formulierten Bedürfnisse von Regisseuren sowie Besuchern des Theaters. Das „vertretene Anliegen, das zu beklagende Defizit“, beziehungsweise die „formulierte Sehnsucht“, eingefädelt in Schillers Drama, würden eine Auseinandersetzung mit dem Stück auf jeden Fall lohnend machen.
Auch die Protagonisten Karl und Franz aus „die Räuber“ haben mit diesen Problemen zu kämpfen, wie auch die heutige Generation, nur eben zu anderen Gegebenheiten.
Auch sie jagen Sehnsüchten hinterher, zum Beispiel Anerkennung in der Welt oder bei geliebten Menschen zu finden. Auch sie teilen ein zu beklagendes Defizit mit jungen Leuten von heute, wie unerwiderte Liebe und fehlende Wertschätzung und wir alle vertreten das Anliegen, sich aus allem zu befreien und individuelle Vollkommenheit zu erlangen.
Um das schillersche Stück also wieder sehenswert für junge Leute zu machen ist es nur von Nöten, wie es auch Jonigks Meinung zu sein scheint, dass sich Regisseure und Künstler bei der Inszenierung an der gegenwärtigen Gesellschaft orientieren und diese im Gegenzug auch bereit ist, als mündige Kritiker und Künstler dem Stück gegenüber zu stehen.