Inhaltsangabe/Zusammenfassung
Der Roman "Medea.Stimmen" wurde 1996 veröffentlicht. Autorin Christa Wolf (geb. Ihlenfeld) gestaltet darin die mythologische Figur Medea in einer neuen, differenzierteren Weise. Die Protagonistin ist die Tochter des Königs aus Kolchis, die mit ihrem Mann Jason nach Korinth geflohen ist. Bei Christa Wolf erscheint Medea nicht mehr als skrupellose Frau, sondern eher als verletzlicher Mensch, der mit Vorurteilen konfrontiert ist und als Sündenbock fungiert. Flucht, Integration und Diskriminierung sind das zentrale Thema in dem Roman.
Die Autorin
1929 in Landsberg an der Warthe (heutige: Gorzów Wielkopolski, Polen) geboren, lebte Christa Wolf bis 1990 in der DDR. Sie gehörte zu den Bürgern, die diesen Staat ablehnten. Nach der Wiedervereinigung veröffentlichte sie Essays, Briefe, Tagebuchaufzeichnungen, Aufsätze, Redemanuskripte und Gesprächsprotokolle. In ihren Roman "Medea.Stimmen" hat Christa Wolf offensichtlich auch Eindrücke aus der DDR und aus der Wendezeit einbezogen.
Aufbau und Erzählweise
Das Stück ist in elf Kapitel gegliedert. Jedes Kapitel besteht aus dem Monolog einer der Hauptfiguren. Diese Erzählweise unterstreicht das Anliegen der Autorin, die Persönlichkeit der Medea in all ihren Facetten zu transportieren. In jedem Monolog wird eine spezifische Perspektive auf die Hauptfigur repräsentiert. Dadurch werden die Chrakterzüge der Medea ausgewogen beschrieben. Die erzählte Zeit umfasst mehrere Jahre. Dadurch, dass immer wieder die Hintergründe der Flucht beleuchtet werden, wechseln sich zwei Zeitebenen ab. Die Handlung spielt sich in Korinth ab. In den Rückblicken ist außerdem Kolchis Handlungsort. Am Schluss spielt die Handlung in einer Höhle außerhalb der Stadt.
Kapitelübersicht
Kapitel 1: Medea
Nach einer Feier am Hof Kreons liegt Medea krank im Bett. Pflegeschwester Lyssa kümmert sich um sie. In einem Fiebertraum weiht Medea ihre Mutter in ihr Geheimwissen ein: Sie ist überzeugt, dass die Gründung Korinths auf ein Verbrechen beruht. Denn die stille Königin Merope ist von der Festtafel aufgestanden und hat in den dunklen Gängen des Palastes das Skelett der Iphinoe, ihrer ersten Tochter, entdeckt. Medea hat sie dabei beobachtet. Nach dem Festmahl hat ihr Mann, der Argonaut Jason, die Nacht mit ihr verbracht. Die Beziehung zwischen der selbstbewussten Medea und Jason kriselt, da Jason ein Verhältnis mit der Königstochter Glauke beginnt.
Kapitel 2: Jason
Medea möchte sich nicht an ihre Umgebung in Korinth anpassen. Dadurch ist sie in Ungnade gefallen. Außerdem ist ihre Heilkunst vielen Bewohnern Korinths suspekt. Nun wird ihr vorgeworfen, dass sie vor ihrer Flucht mit Jason ihren Bruder Absyrtos getötet hat. Jason macht sich Sorgen, dass diese Anschuldigungen seine Zukunft gefährden. Der Schiffsführer ist überzeugt, dass Akamas dieses Gerücht in die Welt gesetzt hat. Jason erinnert sich an die Umstände der Flucht mit der Argo von Kolchis nach Korinth. Damals hat sich Medeas Vater unlösbare Aufgaben ausgedacht, um zu verhindern, dass Jason das "Goldene Vließ" erhält. Als ihr Bruder Absyrtos ermordet aufgefunden worden ist, hat Medea ihrem Mann einen Deal angeboten: Sie würde mit einem Zaubertrick die Drachen ablenken, die das Goldene Vließ bewachen. Im Gegenzug sollte er mit ihr nach Korinth fliehen.
Kapitel 3: Agameda
Agameda, eine frühere Schülerin Medeas in Kolchis, und ihr Mann Presbon leben im Unterschied zu Medea in sehr angepasst in Korinth. Agameda verübelt Medea, dass diese immer Distanz zu ihr gehalten hat. Gegenüber Akamas, dem ersten Astronom des Königs Kreon, behauptet Agameda, dass Medea die Königin beim Festmahl im Palast ausspioniert habe. Akamas kann aber diesen Verdacht gegen Medea nicht nachweisen, ohne gleichzeitig das düstere Geheimnis bezüglich des Mordes an Iphinoe aufzudecken. Man kommt daher überein, Medea nicht der Pionage, sondern des Mordes an ihrem eigenen Bruder zu bezichtigen.
Kapitel 4: Medea
Nun erfährt Medea, dass sie des Mordes an ihrem Bruder beschuldigt wird. Sie offenbart, was in Kolchis vor ihrer Flucht passiert ist. Ihr Vater, König Aietes, hat mit Argwohn die Beliebtheit seines Sohns beobachtet. Außerdem war der König in Bedrändnis, weil seine Amtszeit bald ablaufen würde. So hat er seinen Sohn umbringen lassen, um seine Macht zu sichern. Medea ist also für den Tod ihres Bruders nicht verantwortlich. Sie meint, dass in Korinth etwas Ähnliches geschehen ist. Kreon hat demnach seine Tochter Iphinoe umgebracht, um seine Macht zu erhalten. Dies kann nach Ansicht Medeas kein Zufall sein.
Kapitel 5: Akamas
Akamas erinnert sich daran, wie Medea mit Jason in Korinth eingetroffen ist. Damals hat sie den Korinther sehr beeindruckt. Akamas verteidigt den Mord an Iphinoe, da er aus Verantwortung für das Staatsvolk begangen worden sei. Inzwischen ist Akamas der Meinung, dass Medea zu Recht verachtet wird und aus Korinth verbannt werden sollte. Außerdem ist dann Jason frei und kann Glauke heiraten. Denn Jason soll Nachfolger von König Kreon werden, der ja nun keinen Sohn mehr hat. Dagegen steht Leukon, der zweite Astronom des Königs, auf der Seite Medeas. Mit dieser Haltung fällt er in Ungnade und wird von seinen politischen Funktionen entbunden. Er übernimmt nun eine Funktion in der Wissenschaft.
Kapitel 6: Glauke
In Korinth wütet die Pest. Glauke meint, dass sie daran Schuld ist. Nach der Ankunft Medeas in Korinth hat diese das Vertrauen von Glauke gewonnen. Als Glauke von Angstzuständen und epileptischen Anfällen heimgesucht wurde, hat Medea Hilfe geleistet, indem sie ihre Heilkunst einsetzte und Glauke den Tipp gab, das traumatisierende Erlebnis im Kopf noch einmal durchzuspielen. Glauke sollte sich demzufolge daran erinnern, wie ihre Schwester gefangen genommen wurde. Durch diese Verarbeitung hat sich der emotionale Zustand der Königstochter verbessert. König Kreon hat von den vielen Besuchen Glaukes bei Medea erfahren. Er hat Turon beauftragt, Einfluss auf Glauke auszuüben, damit diese Medea nicht mehr vertraut. Nun meint Glauke, dass sich Medea nur aus Berechung um sie gekümmert habe und sie damit unter Kontrolle bringen wollte. Der König verbietet seiner Tochter den Kontakt mit Medea. Glauke ist froh darüber, dass Medea in den Bildhauer Oistros verliebt ist. Denn sie selbst liebt Jason. Als Glauke erneut einen epileptischen Anfall erleidet, wünscht sie sich aber Medea herbei, da nur sie ihr helfen könnte.
Kapitel 7: Leukon
Leukon wird auf seinem Turm von Medea besucht. Er erzählt ihr von Alkamas Vorhaben, sie aus Korinth zu vertreiben. Tatsächlich hetzt Alkama das Volk gegen Medea auf. Leukon kritisiert ihn dafür scharf. Medea gelingt es, zu ihrem Geliebten Oistros zu fliehen, um sich vor den feindseligen Massen in Sicherheit zu bringen. Als sich ein Erdbeben ereignet und sich in der Folge die Pest weiter ausbreitet, machen die Bürger Medea dafür verantwortlich und bezeichnen sie als "Hexe". Medea ist entschlossen, den Anfeindungen standzuhalten. Leukon empfiehlt ihr jetzt aber, Korinth in ihrem eigenen Interesse zu verlassen. Er selbst steht unter Druck, weil sein vertrauensvolles Verhältnis zu Medea in seiner Umgebung Misstrauen auslöst.
Kapitel 8: Medea
Im Gefängnis auf ihre Gerichtsverhandlung wartend, erinnert sich Medea an die Umstände, die zu ihrer Verhaftung geführt haben: Entgegen der Warnung derer, die auf ihrer Seite stehen, ist sie beim Korinther Opferfest erschienen. Damit will sie ihre Zugehörigkeit zu den Korinthern zum Ausdruck bringen. Agameda greift sie verbal heftig an. Die Korinther sehen sich in ihrer Ablehnung bestätigt, da sich nun die aus Kolchis stammende Agameda in den Protest der Korinther einreiht. Zwei Wachen überbringen die Nachricht, das eine Gruppe Gefangener sich mit geschmuggelten Waffen befreien konnten und einige Gräber aufgebrochen und ausgeraubt haben. Als eine Menschenmasse die Gefangenen zur Rechenschaft ziehen will, wird diese Aktion von Medea vereitelt, indem sie sich der Menschengruppe in den Weg stellt. Daraufhin drängen die Korinther Medea in den Tempel. Einer der Gefangenen wird nun geopfert. Medea, die sich die Schuld am Tod dieses Mannes eingesteht, kann fliehen. Die Dunkelheit, die in Folge einer Mondfinsternis entstanden ist, wird von den Korinthern als Anzeichen für einen Weltuntergang interpretiert. Alkama nimmt bewusst in Kauf, dass Medea auch hierfür verantwortlich gemacht wird. Medea ist unterdessen zur parallel stattfindenden Frühlingsfeier der Kolcherinnen geflohen. Plötzlich wird das Fest durch den Lärm einer Axt unterbrochen. Turon, ein Assistent des Alkama, will einen Baum fällen und bezichtigt dabei die Kolcherinnen, die Pest mitgebracht zu haben. Daraufhin rächen sich die Kolcherinnen, indem sie - gegen den Willen Medeas - Turon kastrieren. Mit ihren Kräutern rettet Medea Turon das Leben und bringt ihn in die Stadt zurück. Dennoch wird Medea vorgeworfen, die Täterinnen zu der Bluttat angestiftet zu haben. Ausdrücklich wird sie von dem geretteten Turon beschuldigt. Nun wird Medea zu ihrer Gerichtsverhandlung gebracht.
Kapitel 9: Jason
Jason vermutet, dass der Prozess gegen Medea nur noch der Form halber stattfindet und ihre Verurteilung faktisch schon feststeht. Medea kritisiert ihn als feige und obrigkeitshörig. Darüber hinaus weiß er nun, dass seine Frau Oistros liebt. Nun hält er es für richtig, dass Medea verbannt wird. Jedenfalls meint er, nichts mehr dagegen unternehmen zu können. Während der Verhandlung gelingt es Agameda, Medea in ein extrem negatives Licht zu rücken. Diese habe gezielt auf den Niedergang des Königshauses hingewirkt. Das Gericht verkündet das Urteil: Medea wird verbannt. Und die gemeinsamen Söhne werden ihr weggenommen. Agameda und Glauke haben dafür plädiert, dass Medea ihre Kinder weiterhin aufziehen darf. Jason stellt nun seine Beziehung zu Glauke in Frage. Medea gegenüber äußert er Bedauern bezüglich ihrer Verbannung.
Kapitel 10: Leukon
Nach dem Tod von Arethusa ist Leukon in Trauer. Fast beneidet er Medea darum, dass diese nun frei ist. Nach ihrer Verurteilung hat sie den Untergang Korinths prophezeit. Medea bringt ihre Söhne in den Tempel. Die Priesteinnen veranlasst sie zu versprechen, auf die Kinder gut aufzupassen. Oistros hat sich unterdessen eingeschlossen und möchte sich zu Tode schuften. Glauke stürzt in einen Brunnen, was zunächst als Selbstmord interpretiert wird. Dabei trägt sie ein Kleid der Medea. Dies nutzt Akamas für eine Dolchstoßlegende. Er behauptet, dass Medea Glauke vergiftet habe. Damit möchte er bewirken, dass die beiden Söhne von Medea und Jason hingerichtet werden. Was wirklich geschehen ist, weiß eine Magd Glaukes. Vor ihrer Gerichtsverhandlung hat Medea Glauke ihr Kleid geschenkt, damit diese es zu ihrer Hochzeit tragen kann. Daraufhin war Glauke zu Tränen gerührt. In diesem Kleid ging sie dann spazieren und wurde von Wachleuten so eingekreist, dass sie auf den Rand des Brunnens getreten und in diesen hineingefallen ist. Nun kann Jason nicht mehr in Kreons Fußstapfen treten. Leukon erfährt zu seinem Entsetzen, dass Medeas Söhne gesteinigt wurden.
Kapitel 11: Medea
Medea lebt mit ihrer Pflegeschwester Lyssa in der Wildnis. Im Exil erhält sie nun von Lyssas Tochter Arinna die Nachricht, dass ihre beiden Söhne getötet wurden. Obendrein wird ihr von den Korinthern vorgeworfen, ihre Kinder umgebracht zu haben. Damit die Menschen dies nie vergessen, sind sie gehalten, alle sieben Jahre der toten Söhne der Medea zu gedenken. Medea reagiert darauf, indem sie sich fragt, ob es überhaupt eine Welt gebe, in die sie hineinpasst. In dem Wissen, dass sie bis in alle Zeiten als Kindsmörderin bekannt sein wird, verflucht Medea Korinth und seine Bewohner.