Inhaltsangabe/Zusammenfassung
Der Roman „Landnahme“ wurde 2004 von dem deutschen Schriftsteller Christoph Hein verfasst und behandelt als grundlegende Themen den Verlust der Heimat und das Einleben in eine neue, fremde Umgebung. Protagonist ist der 10-jährige Bernhard Haber, der im Jahr 1950 als Kind einer aus Breslau vertriebenen Familie in die sächsische Kleinstadt Guldenberg zieht und sich schnell mit Ablehnung, Diskriminierung und Gewalt konfrontiert sieht. Der Lesende begleitet ihn auf dem Weg weg vom Rande der Gesellschaft und erfährt, wie es ihm gelingt Fuß zu fassen und eine neue Existenz aufzubauen und auszubilden.
Erzählt wird die Geschichte Bernhard Habers aus der Sicht von fünf Figuren, die Bernhard gut kannten. Diese beschreiben Habers Eingliederungsprozess und beleuchten ihn aus unterschiedlichen Perspektiven und betrachten verschiedene Zeiträume - zum Teil überschneiden sich diese auch. Besonders ist, dass Hein in seinem Roman insgesamt einen Zeitraum von fünfzig Jahren thematisiert. So beschreibt der Schulkamerad Thomas Nicolas das Ankommen des 10-jährigen Habers im Jahre 1950, die Szene des Karnvallsumzugs gleich zu Beginn des Romans findet jedoch erst 1997 statt.
Der Autor Christoph Hein wurde am 08.04.1944 in Heinzendorf bei Münsterberg geboren. Als geschichtliche Hintergründe seines Romans können neben dem Volksaufstand im Juni 1953 vor allem die landwirtschaftliche Kollektivierung und die Vertreibung der Deutschen aus dem Osten nach Kriegsende genannt werden.
Kapitelübersicht
Kapitel 1: Thomas Nicolas
Thomas Nicolas' Erzählung über die Familie Haber erstreckt sich über ungefähr fünf Jahre. So beschreibt er die Ankunft Bernhards im Jahr 1950 und berichtet über die Ablehnung, die ihm nach Eintritt in die dritte Klasse der Guldenberger Schule entgegengebracht wird. Die gesamte Klasse macht sich hinter Habers Rücken über ihn lustig und nennt ihn „Polacke“. Bernhard setzt sich jedoch auch körperlich zur Wehr, sodass sich niemand mehr traut, ihn offensiv anzugreifen.
Nicolas erzählt, dass die Vertriebenen aus Schlesien nach dem Krieg von der Stadt ansässigen Familien zugeteilt wurden und dies die Ablehnung gegenüber den Vertriebenen vergrößerte. Das Volk wirft ihnen vor, auf Kosten der Stadt zu leben und ihnen Wohnraum und Arbeitsplätze wegzunehmen, obwohl es selbst durch den Krieg kaum über die Runden kommt. Auch Familie Haber bekommt zwei Dachkammern bei dem Bauern Griesel zugewiesen. Ein gutes Jahr später beginnt Bernhards Vater, sich dort eine Tischlerei einzurichten. Obwohl er einen Arm im Krieg verlor, gibt er sich große Mühe seine Arbeit wieder aufzunehmen. Die Guldenberger geben ihm keine Chance und beauftragen lieber heimische Tischlereien.
Nicolas beschreibt seinen Mitschüler Bernhard als leistungsschwachen Schüler. Dennoch ist er stur und lässt sich weder von den Schülern noch von den Lehrern einschüchtern. Der Fremdenhass seiner Familie gegenüber wird besonders an zwei Situationen deutlich: Der Brand der Tischlerei seines Vaters sowie der Tod seines geliebten Hundes Tinz. Beide Ereignisse sind durch Fremdeingriff entstanden. So wird deutlich, dass sein Hund durch eine Drahtschlinge umgebracht und die Tischlerei durch Brandstiftung zerstört wurde. Als Nicolas in die 8. Klasse kommt, trennen sich die Wege von Berhard und ihm, da Bernhard nicht versetzt wird. Er resümiert, dass sie sich - trotz dessen sie zwei Jahre nebeneinander saßen - nie wirklich unterhalten haben. Vier Jahre später treffen sie sich zufällig beim Güterbahnhof in Guldenberg wieder. Bernhard - dessen Familie immer finanzielle Schwierigkeiten hatte - sucht dort nach kleinen Kohlestückchen. Um Kontakt aufzubauen, hilft Nicolas ihm dabei. Es kommt das erste Mal zu einem richtigen Gespräch, an dem auch Bernhard aktiv teilnimmt. Dennoch entsteht auch danach keine engere Bindung zwischen den beiden, da Bernhard Nicolas´ Zugewandtheit nicht erwidert.
Kapitel 2: Marion Demutz
Marion Deutz ist eine Klassenkameradin und gleichzeitig drei Jahre lang die Freundin von Bernhard Haber. Sie begleitet ihn also das letzte Schuljahr und die ersten beiden Jahre der Lehrzeit. Bernhard kommt in ihre Klasse, als er 1955 das 7. Schuljahr wiederholen muss. Beide sitzen nebeneinander, da sie die schlechtesten in der Klasse sind und der Lehrer die Sitzordnung nach dem Leistungsstand der Schüler entwirft. Marion beschreibt Bernhard ebenfalls als einen ungeselligen, aber kräftigen und unerschrockenen Jungen, der sich zu behaupten weiß. Gleichzeitig ist er auch ihr gegenüber wortkarg und unbeholfen. Marion beschreibt ausführlich die Beziehung zu Bernhard. Sie stellt fest, dass er sie sehr geliebt hat, sie hingegen jedoch nie aufrichtige Gefühle zu ihm entwickeln konnte. Dennoch schmeichelt es ihr, von ihm gemocht zu werden. Außerdem ist er ein guter Zuhörer, der sich viele Erzählungen von ihr merken konnte. Obwohl sie nie ernsthaftes Interesse an ihm hat, macht sie ihre Entscheidung, sich nach drei Jahren von ihm zu trennen, an einem konkreten Ereignis fest. So gibt es in Guldenberg eine Genossenschaft der Neubauern, die gemeinsam ihre Felder bewirtschaften und Vieh züchten. Die privaten Bauern jedoch weigern sich vehement dort einzutreten, da sie ihren Besitz behalten wollen. Die Politik versuchte durch Vorzüge und Druck, eben jene von einem Eintritt in die Genossenschaft zu überzeugen - mit Erfolg! Dennoch blieben eine Handvoll Bauern standhaft und verweigern den Eintritt. So auch Bauer Griesel, der Familie Haber aufgenommen hat. Als Marion erfährt, dass Bernhard gemeinsam mit einer Schulkameradin Sylvie zu den Aktivisten zählt, die die Bauern massiv unter Druck setzen, in diese Genossenschaft einzutreten, trennt sie sich von ihm.
Kapitel 3: Peter Koller
Peter Koller, der mit seiner Familie nach dem Krieg aus Leipzig nach Guldenburg kommt, trifft Bernhard Haber erstmals 1953 in der Schule. Gemeinsam beklauen sie Bauarbeiter, die die alte Brücke in Guldenberg wieder instand setzen sollen. Hierfür nutzen sie deren Abwesenheit bei dem Streik am 17.06.1953. Dass Bernhard auf seine Vorteile bedacht ist, hat der Leser bereits im vorigen Kapitel mitbekommen, als er mit Sylvie den Bauer Griesel gegen seinen Willen überredet, in die Genossenschaft einzutreten. Dieser Charakterzug wird auch in diesem 3. Kapitel deutlich. Bernhard schafft es, den Diebstahl zu vertuschen, indem er gegenüber den beklauten Bauarbeitern erwähnt, er habe Polizisten auf der Baustelle gesehen. Die Bauarbeiter geben dies bei einer Vernehmung an und werden aufgrund der Beschuldigung der Polizisten zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Bernhard scheint dies - im Gegensatz zu Peter Koller - wenig zu kümmern. Die nachfolgenden Seiten des Buches beschreiben die Ereignisse, die Koller nach seinem Umzug nach Naumburg erlebt. So führt er eine Beziehung mit Gitti, zusammen bekommen sie ein Baby. Dass dieses jedoch nicht von ihm ist, ist durch dessen dunkle Hautfarbe für alle offensichtlich. Koller jedoch glaubt Gitti, dass es sich dabei um eine Pigmentverschiebung handelt. Als ein Arzt ihn endlich darüber aufklärt, dass dies nicht der Fall ist, schämt er sich für seine Naivität und verlässt die Stadt - ohne jedoch Gitti dafür zur Verantwortung zu ziehen. Einige Jahre später trifft Koller erneut auf Haber, der als Flüchtlingshelfer Menschen hilft, von Ost nach West zu fliehen. Der Allgemeinheit berichtet er jedoch, er sei Schausteller. Seine illegale Tätigkeit bringt ihm eine Menge Geld und auch Koller möchte einsteigen. In seinem Auto lassen sich Gepäckstücke gut verstecken. Die Idee wird dennoch nicht in die Tat umgesetzt, da Koller ein glaubwürdiger Anlass fehlt, solche Art Touren zu tätigen. Haber hingegen hilft seine offizielle Tätigkeit als Schausteller, sodass er gegenüber den Behörden unauffällig bleibt. So wird Koller anfangs Imker, steigt später jedoch trotzdem in Bernhards Machenschaften ein. Er fährt einige Touren und lässt Passagiere an verabredeten Orten aussteigen. Kurze Zeit später wird er erwischt und muss für knapp sechs Jahre ins Gefängnis. Während seiner Haft besucht ihn Haber nicht.
Kapitel 4: Katharina Hollenbach
Bei der Figur Katharina Hollenbach handelt es sich um die Schwester von Bernhards späterer Frau Frederike. Ursprünglich stammt diese aus Spora, wo Haber seine Ausbildung zum Tischler absolviert. Frederike verliebt sich Hals über Kopf in ihn und auch Katharina ist ihm gegenüber nicht abgeneigt. Als sie mitbekommt, dass beide noch nicht intim geworden sind, macht sie ihm ihre erotischen Gefühle deutlich und er geht Frederike mit Katharina fremd. Katharina versichert Bernhard ihre Verschwiegenheit, droht ihm jedoch immer wieder, dass sie zum Zeitpunkt des Geschlechtsverkehrs noch minderjährig war, wenn er ihr gegenüber unhöflich wird. Ein Großteil des Kapitels handelt von der Freundschaft zwischen Katharina und der schönen Babsy, die eines Tages nach Guldenberg kommt, weil sie sich um ihre Großeltern kümmert. Katharina bewundert Babsy aufgrund ihrer offenen, neckischen und aufreizenden Art sehr und sie unternehmen immer häufiger etwas zusammen. Auch Babsy beginnt mit Bernhard eine Affäre, obwohl sie von seiner Beziehung zu Frederike weiß. Trotzdem verzeiht Frederike ihm und die beiden heiraten. Katharina berichtet zum Ende des Kapitels, Ehepaar Haber sei in eine Villa gezogen und Bernhard wurde als Besitzer einer modernen Tischlerei und Vater von zwei Söhnen in Guldenberg endlich akzeptiert. Dass Bernhard sich das Geld für die Tischlerei mit seiner illegalen Beschäftigung als Flüchtlingshelfer verdient hat, erfährt Katharina nicht. Sie geht davon aus, dass er dies mit seinen Einnahmen als Karusselbesitzer finanzierte.
Kapitel 5: Sigurd Kitzerow
Das letzte Kapitel wird aus der Sicht von dem Sägewerkbesitzer Sigurd Kitzerow erzählt, der Bernhard erst in den 60er Jahren kennenlernt. Zwar kannte er ihn bereits aus der Schule, mied ihn jedoch, da er Umsiedler war und auch Sigurd Vorurteile hegte. Später jedoch werden beide Geschäftspartner, als Bernhard bei Sigurd Holz für seine Tischlerei kaufen möchte. Sie verbindet über die Jahre eine Freundschaft, gemeinsam verbringen sie im Kegelclub - dem Unternehmensverband der Stadt - Silvester und auch zu Familienfeiern laden sie einander ein. Sigurd berichtet auch über den Tod des alten Habers. Zwar kannte Sigurd Bernhard zu dieser Zeit nicht, jedoch hat ihm sein eigener Vater davon erzählt. So wird deutlich, dass der Vater Bernhards später auf mysteriöse Weise verunfallt. Nachdem er gegen Unbekannt Anzeige erstatten möchte, wird er erhängt in seiner Scheune aufgefunden. Kitzerow macht unmissverständlich deutlich, dass der alte Haber als Vertriebener unbeliebt in der Stadt war und es sich deshalb keineswegs um Selbstmord handelte. Bernhard bestätigt dies, ohne Genaueres zu wissen. Sigurd berichtet darüber hinaus, dass auch Bernhards Mutter zwei Jahre nach dem Tod des Vaters starb. Wie auch er wird sie auf dem Friedhof in der Ecke beerdigt, in der Selbstmörder begraben liegen.
Das Verhältnis von Sigurd und Bernhard beschreibt Sigurd als freundschaftlich. Dennoch berichtet Bernhard nie, wie er wirklich so viel Geld verdienen konnte und Sigurd verschweigt Bernhard, dass er mit seiner Frau Frederike geschlafen hatte.
Bernhard wird einer der bedeutendsten Geschäftsmänner der Stadt. Auch ein Brandanschlag auf seine Tischlerei sowie die offizielle Bestätigung von dem ortsansässigen Priester, sein Vater sei tatsächlich ermordet worden, werfen ihn nicht aus der Bahn. Er möchte an seinem Erfolg festhalten und seinen guten Ruf in der Stadt nicht aufs Spiel setzen, indem er die Beschuldigten anklagt.