Roman: Buddenbrooks / Verfall einer Familie (1901)
Autor/in: Thomas MannEpochen: Naturalismus, Realismus
Aufgabe: Führen Sie eine Kommunikationsanalyse zwischen Grünlich und Tony in Kapitel 4 durch. Dabei sollen die Kommunikationssituation, die Gesprächspartner in ihren Ausführungen und ihr (non-)verbales Verhalten näher betrachtet werden.
Analyse des Gesprächs
Der Romanauszug (S. 230 - 232) aus „Budenbrooks“ wurde von Thomas Mann verfasst und im Jahr 1902 publiziert. Das Werk handelt von der letzten Begegnung zwischen Tony und ihrem Mann Grünlich.
Während der letzten Begegnung zwischen Grünlich und Tony fleht dieser sie an, ihn nicht zu verlassen. Tony weiß nicht recht, wie sie reagieren soll. ihr Vater führt sie zur Tür und macht Grünlich Vorwürfe. Dieser verliert daraufhin die Fassung und beschimpft Tony. Buddenbrook führt seine Tochter hinaus, kehrt zurück und droht Grünlich. Im ersten Abschnitt wird dargestellt, wie Herr Grünlich in den Salon eintritt und sich vor Tony niederkniet. Daraufhin fleht er sie an, ihn nicht zu verlassen, wobei Tony erstaunt ist und weint. Im zweiten Abschnitt wird beschrieben, wie Tony von ihrem Vater weggeführt wird, wobei dieser erklärt, dass er seine Tochter nicht dem Unglück, keine finanzielle Absicherung zu haben überlassen kann.. Im dritten Abschnitt wird thematisiert, wie Herr Grünlich vor Wut eine Vase zerbricht und Tony zuschreit, dass er sie nur wegen ihres Geldes geheiratet hat und ihr nicht nachweinen wird. Schließlich wird im letzten Abschnitt geschildert, wie Tonys Vater seine Tochter hinausführt und nochmals zurückkehrt, um Grünlich zu sagen, er solle sich fassen.
Im Folgenden gilt es Kommunikationssituationen für die zwei Figuren Tony und Herr Grünlich nach dem Kommunikations-Modell von Schulz von Thun zu analysieren. Zunächst wird die Aussage Tonys „Ich verabscheue dich nicht!“ (s. Z. 27) analysiert. Hierbei lautet die Sachebene sowohl beim Sender Tony als auch beim Empfänger Grünlich, dass die Nachricht ein Hinweis auf Tonys Gefühle ist. Sie selbst zeigt als Selbstkundgabe, dass sie Grünlich zwar nicht hasst, aber gleichzeitig auch nich liebt. Somit stellt die Beziehungsseite des Senders dar, dass Tony Grünlich nicht hasst. Zudem empfängt Grünlich, dass Tony ihn nicht liebt. Folglich lautet die Appellseite, dass Tony die Liebesbeziehung beenden möchte und sie sich von Grünlich trennen will. Ein passender Appell wäre hierbei „Lass mich gehen!“ Diese Kommunikationssituation verdeutlicht, dass Tony sowohl am Anfang als auch am Ende der Beziehung mit Grünlich nicht das Gefühl von Liebe verspürt. Somit ist diese Textstelle (vgl. Z. 27) bedeutend, da die Heirat zwischen den beiden erzwungen scheint. Zudem kann Tony sich verbal nicht klar und deutlich verständigen, denn hinter „Ich verabscheue dich nicht“ (s. Z. 27) steckt eine Intention, die Trennung, die sie aber nicht eindeutig kommuniziert.
Nun wird die Kommunikationssituation an der Aussage Grünlichs „Du gehst?“ (s. Z. 33) analysiert. Hierbei lautet sie Sachebene sowohl beim Sender Grünlich als auch beim Empfänger Tony, dass die Nachricht ein Hinweis auf Grünlichs Gefühlswelt und Fassungslosigkeit ist. Als Selbstkundgabe wird seitens des Senders verdeutlicht, dass Grünlich überrascht ist, dass Tony sich von ihm trennen möchte, wobei Grünlich jene Trennung nicht will. Somit stellt die Beziehungsseite des Senders dar, dass Tony sich von ihm trennt und ihre Ehe beendet. Zudem empfängt Tony, dass Grünlich mit ihr zusammen bleiben möchte. Folglich lautet die Appellseite beim Sender und Empfänger, dass Grünlich nicht will, dass Tony geht, sondern bei ihm bleibt. Der Appell „Bleib bei mir!“ ist hierbei passend. Diese Kommunikationssituation ist bedeutend, denn Grünlich hat bereits eine ähnliche Rede (vgl. Z. 12 – 18) am Anfang des Roamns gehalten. Der wesentliche Unterschied ist, dass Grünlich sie durch die erste Argumentationsrede überredet, ihnund seinen Heiratsantrag nicht vollkommen abzulehnen. Schließlich heiratet Tony Herrn Grünlich also doch. Somit ist die Textpassage „Du gehst?“ (s. Z. 33) bedeutend, da Grünlich realisiert, dass Tony ihn nun vernachlässigt. Die Fassungslosigkeit Grünlichs verdeutlicht zudem, dass er Ablehnungen wie diese (vgl. Z. 42 f.) nicht gewohnt ist und kaum akzeptieren wird und möchte.
Des Weiteren wird die Textpassage „Bitte, steht doch auf!“ (s. Z. 25 f.) analysiert, denn diese zeigt deutlich, dass Tonys Reaktion auf Grünlichs Flehen von ihren naiven Charakter zeugt. Der Sachinhalt betrifft die Körperhaltung Grünlichs. Der Appell stellt eine Bitte dar, Haltung zu bewahren und nicht mehr zu flehen. Die Selbstoffenbarung im weiteren Kontext („schluchzend“ (s. Z. 25)) zeigt an, dass Tony die Situation nicht erträgt, und auf der Beziehungsebene vermittelt Tony durch ihre Aussage, dass sie Grünlich nicht verletzen möchte.
Darüber hinaus zeigt die Textstelle und Aussage Grünlichs „Meinst du, dass ich dir nachheule, du Gans?“ (s. Z. 54 f.) Grünlichs verändertes, eher negativ konnotiertes Verhalten nach der Zurechtweisung durch Buddenbrook. Der Sachinhalt bezieht sich auf Grünlichs Reaktion auf die Abweisung. Auf der Beziehungsebene macht Grünlich deutlich, dass Tony ihm nichts bedeutet. Zudem ist die Selbstoffenbarung, dass ihm die Situation nichts ausmacht. Außerdem kann als Appell die Aufforderung zu gehen verstanden werden.
Darüber hinaus erkennt man zwischen den Aussagen Grünlichs zu Beginn und Ende des Romanauszugs einen Widerspruch, den es im Folgenden zu deuten gilt. Zu Beginn versucht Grünlich, die Situation positiv zu beeinflussen. Er fleht Tony an und auch der Erzähler verweist darauf, dass er mit dieser Strategie schon Erfolg hatte (vgl. Z. 19 f.). Infolgedessen erklärt Grünlich, dass er „vernichtet, zu Grunde gerichtet ist, wenn … ja […] vor Kummer sterben wird, wenn [Tony] seine Liebe [verschmäht]!“ (s. Z. 14 ff.). Diese Verletzlichkeit zeigt, dass Grünlich Tony so sehr liebt, dass er bereit ist, sich vor ihr verwundbar zu zeigen und sich geradezu zum Narren zu machen. Gegen Ende der Textpassage nach der Zurückweisung durch Buddenbrook und der passiven Haltung Tonys erkennt Grünlich, dass die Situation ausweglos ist. Seine Reaktion kann als Indiz für seinen verlogenen Charakter gesehen werden oder alternativ auch als Ausdruck völliger Verzweiflung und Wut. Aufgrund der Trennung schreit Grünlich infolgedessen am Ende zu Tony: „Meinst du, dass ich dir nachheule, du Gans? Ach nein, Sie irren sich, meine Teuerste! Ich habe dich nur deines Geldes wegen geheiratet, aber da es lange nicht genug war, so mach nur, dass du wieder nach Hause kommst!“ (s. Z. 54 – 58). Dieser Widerspruch in der Gefühlswelt Grünlichs äußert sich darin, dass er sie zuerst vermeintlich liebt (vgl. Z. 14 ff.), danach aber schreit, dass er sie nur wegen ihres materiellen Reichtums geheiratet habe (vgl. Z. 54 – 58).
Im Romanausschnitt fällt zudem Tonys nonverbales Verhalten auf, welches im Folgenden zu erläutern ist. Tony bezieht inhaltlich keine Stellung. Sie weint und schluchzt (vgl. Z. 19, 25) und ist mit der Situation überfordert. Sie möchte Grünlich Glauben schenken, was ihre Naivität deutlich werden lässt. Dieser scheint ihr anerzogen zu sein, denn den dominanten Part hat ihr Vater übernommen. Infolgedessen findet man ihre Naivität und Hilflosigkeit auch im Roman wieder. Sobald sie nicht weiß, wie sie handeln oder was sie sagen soll, neigt sie dazu, emotional zu werden und sich hilfesuchend an jemanden zu wenden. Somit fällt auf, dass Tony weit (vgl. Z. 19), wenn sie nicht weiß, wie Sie auf die Bitte Grünlichs reagieren soll und gerät augenblicklich aufgrund des Drucks aus der Fassung. Um die Situation zu lockern, ersucht Tony Grünlich „an den Schultern emporzuheben“ (s. Z. 25 f.) und somit der Problemstellung zu entgehen. Daraufhin wendet sich Tony „ohne zu wissen, was sie sonst noch sprechen sollte, […] vollkommen hilflos ihrem Vater zu“ (s. Z. 28 ff.). Dies verdeutlicht, dass Tony mit verbaler Kommunikation sich nicht weiter zu helfen weiß und somit mit nonverbalem Verhalten, wie Gestik und Mimik, arbeitet, um Hilfe von ihrem Vater zu bekommen (vgl. Z. 29 f.). Somit dient die nonverbale Handlungsweise, neben dem paraverbalen Verhalten, zur Verstärkung des Hilferufs seitens Tonys. Dies ist also allgemein gesagt eine Unterstützung für ihre Kommunikation, um jene Mitteilungen präziser und direkter verstehen zu geben.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Kommunikation zwischen Tony und Grünlich mit Schwierigkeit erfolgt, da Grünlich widersprüchliche Aussagen tätigt und Tony sich verbal nur bedingt und nicht eindeutig äußert. Stattdessen muss sie oftmals auf Nonverbalität zurückgreifen, um verständlich zu kommunizieren. Somit finden beide Figuren keine Lösung zu ihrem Trennungsstreit, da Grünlich egoistisch nach seinem Befinden agiert und Tony kaum eigenständig handeln kann.