Inhaltsangabe, Analyse und Interpretation
Das Liebesgedicht aus der Romantik „Zwei Segel“ wurde von Conrad Ferdinand Meyer in dem Jahr 1882 verfasst. Hierbei handelt es sich in dem Gedicht um das sexuelle, harmonische Zusammenspiel und Einklang eines Liebespaares. Diese geht hierbei über die innige sinnliche Beziehung hinaus.
Im Gedicht wird die sinnliche Vereinigung des sich liebenden Paares dargestellt. Erzeugt wird dies, indem die Abfolge des sexuellen Vorgangs beschrieben wird. Dabei lässt sich erkennen, dass das Paar auf gegenseitige Reaktionen abgestimmt ist und somit auf die Bewegungen des jeweiligen Partners dementsprechend äquivalent reagiert und gleicht. Durch diese bildliche Veranschaulichung der innigen Zweisamkeit wird die übersinnliche Verbindung des Paares verdeutlicht.
Das Gedicht besteht aus drei Strophen mit je vier Versen. Hier ist zu erwähnen, dass dies sehr untypisch für die Romantik ist, da es nicht einer Glosse entspricht. Basierend auf den vorhandenen Daktylus und den nahgelegten Kreuzreim liegt ein bestimmter beweglicher Rhythmus in dem Gedicht vor. Dieser unterstützt und verdeutlicht bildhaft das Ineinandergreifen der Bewegungen bzw. das Wechselspiel der Liebe, was sowohl sexuell als auch rein psychisch verstanden werden kann. Wobei der Rhythmus ebenfalls sich auf die Verdeutlichung der aufeinanderfolgenden abgestimmten Reaktionen und vorsichtige Rücksichtnahme des sich liebenden Paares bezieht.
Zudem lässt sich das Gedicht in zwei inhaltliche Abschnitte gliedern, die es nun gilt zu bestimmen. Zum einem erkennt man eine Behauptung, die sich darauf bezieht, dass das sinnliche Zusammenkommen für einen innigen Einklang und darüber hinaus eine wichtige Erleuchtung sorgen wird (vgl. V. 1-4). Somit herrscht eine gewisse Sehnsucht nach dem Aufeinandertreffen des Paares. Zum anderen thematisiert die zweite Hälfte des Gedichts die Belege, die das harmonische Zusammenspiel und den innigen Einklang der beiden Liebenden zeigen (vgl. V. 5-12).
Hierbei fungiert das lyrische Ich als Beobachter des Geschehens, wobei durch Sprachmittel, wie die Ausrufe „Die tiefblaue Bucht!“ (s. V. 2) und „Zu ruhiger Flucht!“ (s. V. 4) eine gewisse Begeisterung des lyrischen Ichs deutlich wird, die dem Leser ermöglichen, sich in die Situation hinein zu versetzen und sich mit dieser zu identifizieren. Ansonsten steht es, das lyrische Ich, außen vor und veranlasst den Leser, sich ein eigenes bildliches Empfinden auszumalen und sich zu identifizieren. Hierbei liegt nämlich vor allem eine Beschreibung vor und weniger eine Wertung, was viel Spielraum für eigene Vorstellungen und Interpretationen ermöglicht.
Des Weiteren lassen sich einige Besonderheiten in der Sprache erkennen, die es nun in dieser Interpretation gilt zu analysieren. Wenig wird verhüllt mitgeteilt, was man aus der Wortwahl „schwellend“ (s. V. 3), „wölbt“ (s. V. 6), „bewegt“ (s. V. 6), „Empfinden“ (s. V. 7), „erregt“ (s. V. 8), „Begehrt“ (s. V. 9), „verlangt“ (s. V. 11) erschließen kann. Diese weist nämlich konkret auf den menschlichen körperlichen Bereich hin und veranschaulicht signifikant und ohne Ausschweifungen das sexuelle Leitbild des Gedichts. Darüber hinaus werden parataktische Sätze und eine Novelle (vgl. V. 1, 2) benutzt. Dies bedeutet, dass hierbei eine kurze, erzählende Form, die auf nur einer Stimmung beruht, vorliegt. Diese ist hierbei der Genuss und die vollkommene Harmonie zwischen den Liebenden und der Welt.
Eine Intention der Romantik war es, den (historisch gesehen) oft sehr schwierigen Alltag durch die Poesie zu überwinden. Es zeigt sich ebenfalls die Verbundenheit zwischen Mensch und Natur (vgl. V. 1f), was insbesondere durch die naturbezogenen Metaphern1 „Segel“ (s. V. 1), „Bucht“ (s. V. 2) und „Winden“ (s. V. 5) hervorgerufen wird. Früher war der Mensch eins mit der Natur. Dieser harmonische und vollkommene Zustand sollte wieder erreicht und die Natur zum lyrischen Sinnbild werden (vgl. V. 1f). Um eine Verbindung mit der Welt und Natur herbei zu rufen, wurde das Klangbild des Meeres durch folgende Metaphern verkörpert. Unter „Zwei Segel erhellend/ Die tiefblaue Bucht!“ (s. V. 1f) versteht sich die körperliche innige Vereinigung, die helles Licht in die graue und trostlose Wirklichkeit des Alltags einbringt. Des Weiteren kann man anhand von „Wie eins in den Winden/ Sich wölbt und bewegt“ (vgl. V. 5) identifizieren, dass der Wind eine Art Verbildlichung der Antriebskraft für die Segel ist und somit den Willen verkörpert. Dieser regt die Liebenden zu ihrer (ob physischen oder psychischen) Bindung an. Außerdem werden die Metaphern mithilfe von sprachlichen Mitteln, etwa Alliterationen2 wie „Segel sich schwellend“ (s. V. 3; vgl. V. 5f.) hervorgehoben, um das Klangbild der Natur ein weiteres Mal zu betonen und hervorzuheben. Darüber hinaus unterstützen die Anaphern3 (vgl. V.1, 2; 9, 11) und der Parallelismus (vgl. V.9, 11) ein bestimmten prozessähnlichen Sprachgestus. Denn in Strophe zwei und drei wird eine Abfolge beschrieben. Diese beschreibt, dass das Paar auf Gleichheit abgestimmt ist und sich beeinflusst, indem auf eine Aktion eine angepasste Reaktion folgt. Hierbei passt die Beschreibung/ Devise „Gleich und gleich gesellt sich gern“. Letztendlich herrscht eine gewisse Harmonie, die sogar als universale Kraft die ganze Welt umspannt und nicht nur die Beziehung zwischen zwei Menschen meint. Dazu ist das Liebesgedicht viel zu allgemein verfasst, um es nur auf ein Paar zu reduzieren. Stattdessen dient das Paar lediglich als eine Verkörperung für die Harmonie zwischen Mensch, Welt und Natur, was wiederrum auch mehr Bedeutung und Wichtigkeit für den Leser und seine eigene Welt bedeutet. Schließlich bekommt er die Message, dass auch er die Bindung zwischen sich und der Natur verstärken sollte. Das Klangbild des Meeres (vgl. V. 1-12) kann natürlich auch als Fundament für die über übersinnliche Weltkraft fungieren, da das Meer ein Symbol für Unendlichkeit und eine Verbindung in der Welt ist. Außerdem unterstreicht das Verb „ruhen“ (vgl. V. 12) den Tod und so lässt sich daraus deuten, dass die Liebe über den Tod hinausweist und so dem bürgerlichen Ideal einer lebenslangen Partnerschaft entspricht.
Man versucht das Leben auf der Welt über die erfassbare Wirklichkeit hinauszugehen und durch das Leben nach dem Tod in ein Ideal überzugreifen. Somit sah man einen sehnsuchtsvollen, umherirrenden Träumer, der im Genießen, nicht im Handeln den höchsten Zweck des Lebens sieht, als ein Ideal an.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Gedicht „Zwei Segel“ von Conrad Ferdinand Meyer aus dem Jahr 1882 den prozessähnlichen Sprachgestus, die abgestimmte Gleichheit und das Klangbild des Meeres und der Natur verdeutlicht, was durch die metaphorische Struktur und die Parallelismen eingeleitet wird. Die körperliche Bindung und der Einklang des Paares reichen über den Tod als universale Kraft hinaus, was einem sehnsüchtigen Ideal entspricht, das im Gedicht grundlegend thematisiert wird.