„Integration auf der Schönhauser Allee“ ist eine Kurzgeschichte aus dem Buch „Schönhauser Allee“.
Inhaltsangabe, Analyse und Interpretation
Die vorliegende Kurzgeschichte „Integration auf der Schönhauser Allee“, welche von Wladimir Kaminer verfasst worden ist und 2001 veröffentlicht wurde, handelt von einem Ich-Erzähler, der seine Erfahrungen mit der deutschen Sprache und der Integration von Migranten beschreibt. Der Erzähler selbst und seine Kleinfamilie haben einen Migrationshintergrund und er schildert deswegen besonders seine Erlebnisse mit der deutschen Sprache.
Der Erzähler und seine Familie konnten vorerst nur brüchig Deutsch sprechen und ihre Umgebung und das Fernsehen hatte einen großen Einfluss auf diesen Prozess, sodass diese ihre Kenntnisse in dieser – für sie – Fremdsprache verbessern konnten.
Zunächst weist der Erzähler daraufhin, wie wichtig Sprachkenntnisse sind, um eine Integration in eine fremde Kultur zu ermöglichen (vgl. Z. 1). Diese Wichtigkeit spiegelt sich auch in seinem zehn Monate alten Kind wider, welches auf eine sehr merkwürdige Art Deutsch lernt. Das Kind schlug „unter großer Anstrengung“ (Z. 3 ff.) ein dickes russisch-deutsches Wörterbuch auf „riss fünf Seiten heraus und stopfte es sich in den Mund“ (Z. 4). Mit seiner zunächst umgangssprachlichen Sprache, fragt sich der Erzähler, weshalb es „ausgerechnet ein deutsches Wörterbuch gefressen“ (Z. 5) hat, obwohl es neben hundert russischen Büchern steht. Dies könnte laut Erzähler eine Andeutung auf eine bewusste Entscheidung des Kindes sein (auch wenn es sicherlich noch nicht lesen kann). Seine dreijährige Tochter trainiert ständig ihre Aussprache (vgl. Z. 7 ff.) Den einzigen Satz, den sie perfekt beherrscht, ist „Wie heißt du?“ (Z. 9), diesen testet sie jedes Mal bei dem Kollegen ihres Vaters aus, obwohl sie schon längst seinen Namen weiß (vgl. Z. 9). Dann fragt sie: „Wie heißt du, Helmut?“ (Z. 10). Diese begrenzten Sprachfähigkeiten sind durchaus mit Ironie zu verstehen. Der Erzähler beschreibt einige „Phänomene“, die in Berlin zum Alltag gehören, aber zu denen es keine Begriffe auf Russisch gibt (vgl. Z. 11 ff.). Die Verwendung dieser Begriffe hat zu Folge, dass sich Begriffe wie „Gerichtsvollzieher“, „Terminkalender“ und „Überweisungsauftrag“ fest in seinem russischen Sprachgebrauch etabliert haben. Dies lässt vermuten, dass vor allem diese Wörter im deutschen Sprachgebrauch eine wichtige Rolle spielen. Der Terminkalender steht für die Pünktlichkeit der Deutschen und spiegelt somit stereotypische Annahmen wider. Seine Frau hingegen hat Deutsch in einer brasilianischen Kneipe gelernt, in der sie als Tresenkraft arbeitete. Dies unterstreicht die multikulturelle Vielfältigkeit Berlins. Die ersten Wörter, die seine Frau lernte, waren „Wichser“ und „Alles Banane“ (Z. 16), welche typische Kneipenausdrücke sind und zum anderen soziale Brennpunkte widerspiegeln. Ihre erste Kontaktaufnahme mit der deutschen Sprache wurde deshalb vor durch Schimpfwörter, abwertende Begriffe und der Umgangssprache, die in Berlin zum Alltag gehört, geprägt. Seine Frau arbeitet aber an ihrer Aussprache und beherrscht „sogar die feinen Nuancen“ (Z. 17). Sie sagt nicht mehr „Haarbrüste“, sondern „Haarbürste“, was der Kurzgeschichte einen humoristischen Charakter verleiht. Diese Zweideutigkeit (Brusthaare) wirkt ziemlich amüsant und auflockernd. Außerdem ist diese Textpassage eine Anspielung auf die Schwierigkeit der deutschen Sprache. Auf lustige Art empfindet der Leser Mitleid mit nicht-Muttersprachlern. Auch der Erzähler arbeitet ständig an der Verbesserung seiner Sprachkenntnisse (vgl. Z. 18). Doch er isst keine Wörterbücher, sondern versucht „den sogenannten Wortmüll aus“ (Z. 19 ff.) seiner Sprache zu eliminieren. Diese Textstelle ist erneut mit Humor und Sarkasmus zu verstehen und greif nochmal das Verhalten seiner Tochter auf. Er besagt, er habe Deutsch nicht an der Universität gelernt und müsse deswegen „tierisch aufpassen“ (Z. 21). Dies ist ein Indiz dafür, dass es Menschen mit weniger Bildungsmöglichkeiten schwieriger haben, die deutsche Sprache zu beherrschen und sie falsche Begriffe lernen könnten. Es zeigt somit, dass man Menschen, die bildungstechnisch benachteiligt worden sind, nicht bezüglich ihrer falschen Sprache schuldig machen sollte, sondern stattdessen die dazugehörigen Hintergründe für diese Mängel hinterfragen sollte. Da der Erzähler damals keinen Kabelanschluss hatte, konnte er nur „die seriösen Programme empfangen […] in denen oft politische Diskussionen übertragen wurden“ (Z. 22). Dies führte dazu, dass sie in gewisser Weise seine Sprachkenntnisse und vor allem seinen Wortschatz geprägt haben (vgl. Z. 23). Der Erzähler empfindet diese Art zu kommunizieren als „Müll“ (Z. 24). Dies lässt sich so deuten, dass er sie als „gebildete Sprache“, die weniger gebildet Menschen verwehrt bleiben, sodass sich Kommunikationsbarrieren zwischen verschieden sozialen Gruppen als Folge ergeben. Ferner empfindet er diese als nicht alltagstauglich und impliziert, dass er sich lieber auf umgangssprachliche Art unterhält. Auch seine Frau findet einige solcher Redewendungen entsetzlich (vgl. Z. 25) und macht ihn immer wieder drauf aufmerksam (vgl. Z. 26). Der Erzähler persönlich findet den Ausdruck „Ich muss nicht erst betonen“, am schlimmsten (vgl. Z. 27), vor allem das Wort „betonen“ findet er „ekelhaft“ (vgl. Z. 28). Des Weiteren ist diese Redewendung seiner Meinung nach sehr widersprüchlich (vgl. Z. 28). Dies kann als eine Anspielung interpretiert werden, dass die deutsche Sprache oft sehr widersprüchlich sein kann und nicht immer logisch erscheint, sodass sich das Erlernen der Sprache weitaus erschwert. Dass Etwas betont werden muss, zeigt den weniger überzeugenden Inhalt einer Botschaft, was dazu führt, dass der Erzähler das Interesse an dieser verliert. Auf eine sarkastische und ironische Weise „betont“ er, wie oft er diese Redewendung schon im Fernsehen gehört hat und es ihn irgendwann angesteckt hat (vgl. Z. 31 ff.). Dies zeigt, wie sehr Menschen in sprachlicher Hinsicht durch ihre Umgebung geprägt werden. Anschließend stellt er einen Vergleich mit einer Sucht auf: „Das ist wie mit dem Rauchen- anzufangen ist ganz leicht, aufhören kostet Mühe“ (Z. 32 ff.). Diese ironische Hyperbel2 betont nochmal den Humor des Erzählers, der sich nicht selbst immer ernst zu nehmen scheint. Er treibt es auf die Spitze, indem er schildert „wie stark solche Sprüche“ (Z. 33 ff.) seinen Prozess der Integration beeinflusst haben. „Aber von der Sache her“ (Z. 34) sind in letzter Zeit große Fortschritte in seiner Familie auf diesem Gebiet nicht zu übersehen (vgl. Z. 35). Die zitierte, typische Redewendung wird nochmal aufgegriffen und spiegelt die ironische Art des Erzählers wider. Die Pointe ist, dass er „nicht extra betonen“ (Z. 36) – ein Ausdruck den er sarkastischer Weise benutzt, trotz seiner Abneigung gegen diesen – dass Integration für ihn kein Wortmüll ist. Hier greift er nochmal das Leitmotiv „betonen“ auf und weist daraufhin, wie wichtig Integration für seine Familie ist und dass sie sich bestens damit auseinander gesetzt haben. Weiter mögliche Leitmotive sind die Umgangssprache sowie politische Redewendungen wie „Wortmüll“, da sie gehäuft als semantisches Feld vorkommen.
Abschließend lässt sich festhalten, dass die Familie die Integration als sehr wichtig empfindet und diese ernst nimmt. Diese wird durch viele Faktoren wie die Umgebung, den Arbeitsplatz und dem Fernsehen beeinflusst. Der Prozess an sich ist andauernd und ein nicht abgeschlossener. Außerdem werden ihre Sprachkenntnisse immer weiter ausgebaut und verbessert. Die zu anfangs aufgestellte Hypothese wird vollkommen gestützt, jedoch sollten die zuvor genannten Aspekte mit eingenommen und berücksichtigt werden.