Drama: Hamlet / The Tragicall Historie of Hamlet, Prince of Denmark (1601-1602)
Autor/in: William ShakespeareEpoche: Renaissance
Die nachfolgende Erörterung bezieht sich auf das Gesamtwerk.
Die nachfolgende Erörterung bezieht sich auf das Gesamtwerk.
Thema: Die Elterngeneration im Hamlet – eine Elterngeneration, die sich für das Wohlergehen der eigenen Kinder interessiert?
Aufgabe: Erörtern Sie die oben gestellte Frage, indem Sie auf die im folgenden Text geäußerte Meinung eingehen.
Text:
„In Claudius, Gertrud und Polonius, aber auch dem Geist von Hamlets verstorbenen Vater zeigt sich eine egoistische Elterngeneration, die nur an sich selbst denkt, die sich für das Wohlergehen der eigenen Kinder nicht interessiert, diese hintergeht und für eigene Zwecke und Ziele missbraucht. Alles, was für die Elterngeneration zählt, ist die Befriedigung eigener Bedürfnisse, die Erfüllung egoistischer Machtfantasien und die Aufrechterhaltung des elterlichen Vorrechts, über den Lebensweg der Kinder zu entscheiden. Unterschiedlich sind allein ihre Handlungsmotive.“
(Anne Steiner: Materialien zur Inszenierung des „Hamlet“ am Volkstheater München; 2009)
Inhaltsangabe/Zusammenfassung, Analyse und Erörterung
Die Tragödie „Hamlet“ von William Shakespeare erschien erstmals im Jahre 1603 in England und kann deshalb der Zeit der Renaissance zugeordnet werden.
Die Renaissance ist eine europäische Kulturepoche, welche man als Übergangsphase vom Mittelalter zur Neuzeit verstehen kann. Die Zeit war geprägt von humanistischen Künstlern und Gelehrten, die sich bemühten, die kulturellen Leistungen der Antike wieder neu zu beleben. Die Epoche wird ebenfalls als Zeit der Reformation und Entwicklung angesehen, da die beginnende Individualisierung innerhalb der Ständegesellschaft sichtbar wird. Der Drehpunkt dieser Entwicklung und des revolutionären Denkens war die deutsche Stadt Wittenberg. Der Höhepunkt der englischen Renaissance wurde während der Regierungszeit von Königin Elisabeth I. (1558 bis 1603) erreicht. Diese Periode fällt ebenfalls unter die Begrifflichkeiten elisabethanisches oder Goldenes Zeitalter. Königin Elisabeth I. beendete Konflikte zwischen Glaubensrichtungen und förderte die Kunst und das Theater der revolutionären Künstler. Zu diesen gehörte auch Shakespeare, der in dieser Blütezeit sein Werk Hamlet verfasste. Charakteristisch für diese Zeit waren die vielen Tragödien, die als Theaterstücke vor großem Publikum präsentiert wurden und große Beliebtheit erlangten. Zu dieser Gattung der Tragödie gehörte auch das Werk „Hamlet“.
Die Tragödie „Hamlet“ befasst sich mit vielen verschiedenen Themen, wie unter anderem Vernunft, Gefühl, Lüge, Wahrheit und Widerstand. Der Protagonist wird mit all diesen Problemen konfrontiert. Er fängt an, sich mit den Problemen auseinanderzusetzen und intensiv über sein Schicksal und seine Mitmenschen nachzudenken, wobei er jedoch keine einleuchtende Antwort findet und sich nicht sicher ist, wie er handeln soll.
Die Tragödie ist in fünf Akte eingeteilt und so mit dem Aufbau der aristotelischen Dramentheorie gleich. Der Prinz Hamlet von Dänemark erfährt vom plötzlichen Tod seines Vaters König Hamlet. Daraufhin eilt er nach Hause und wird Zeuge von der Heirat seiner Mutter mit Onkel Claudius und dessen Thronbesteigung. Dieser plötzliche Wechsel stimmt Hamlet nachdenklich. Nachts erscheint ihm der Geist seines Vaters, welcher Claudius für seinen Tod beschuldigt und Hamlet auffordert, sich an ihm zu rächen. Daraufhin Gerät Hamlet in einen Konflikt mit sich selbst. Er ist hin und her gerissen, da er sich in der Wirklichkeit in der adligen Gesellschaft behaupten muss, jedoch aber auch gleichzeitig seinen Idealen nachgehen möchte. Trotzdem ist Hamlet nach anfänglichem Zögern entschlossen, die Rachetat auszuüben. Doch in seiner Zerrissenheit und seinem Wahnsinn stürzt er alle Beteiligten ins Unglück. Durch ein Versehen tötet er Polonius und Ophelia ertränkt sich aus Kummer. Nach diesen Ereignissen sehen Hamlets Mitmenschen ihn für eine große Gefahr und sind auf Rache aus. Am Ende der Tragödie sorgt der Antagonist Claudius für eine Intrige, in der das gesamte dänische Herrschaftsgeschlechts zum Tode kommt und Dänemark demzufolge an den König von Norwegen fällt.
Der vorliegende Textauszug befasst sich mit der Verhaltensweise der Elterngeneration im Werk „Hamlet“ gegenüber den eigenen Kindern und wie diese Generation mit ihnen umgeht.
Der Text geht genauer auf die Figuren des Claudius, Polonius, Geists von Hamlets verstorbenem Vater und auf die Figur der Gertrud ein. Sie werden als eine selbstsüchtige und ignorante Elterngeneration beschrieben. Die Figuren streben nur nach ihren Zielen und lassen dabei das Wohlergehen ihrer eigenen Kinder außen vor. Alle Personen der Elterngeneration handeln aus verschiedenen Gründen nach diesem Weg. Doch ignorieren diese wirklich völlig die Interessen der eigenen Kinder, um an ihre Ziele zu gelangen oder findet man auch eine fürsorgliche Seite, die das Wohlergehen der Kinder Generation berücksichtigt?
In dem Textauszug wird deutlich gemacht, dass die Elterngeneration hauptsächlich aus eigenen Interesse handelt. Dies wird schon am Anfang der Tragödie sichtbar. Der Geist des toten Königs Hamlet besteht auf seine Rache, die sein Sohn an dessen Mörder, Claudius, ausüben soll. Hamlet überfordert diese Situation sichtlich und er gerät ab diesem Zeitpunkt in ein inneres Tief. Auch seine Mutter Gertrud ignoriert Hamlets schlechten Gemütszustand und heiratet gegen Hamlets Willen seinen Onkel Claudius. Doch hierbei handelt es sich um eine unwissend egoistische Handlung, da sich die Mutter keiner Schuld bewusst ist und sich nicht im Klaren ist, dass sie ihren Mitmenschen Schaden anrichtet. Im Hinblick auf Polonius erkennt man ebenfalls selbstsüchtige Züge in seinem Handeln, die jedoch auch als fürsorgliche Tat verstanden werden kann. Er verbietet seiner Tochter Ophelia den Umgang mit ihrer großen Liebe Hamlet. Er fürchtet, dass seine Tochter einen Ruf als Hure bekommt und möchte seinen Platz in der Ständegesellschaft nicht verlieren.
Dem Text zufolge hintergeht die Elterngeneration ihre Kinder und missbraucht diese für ihre eigenen Zwecke und Ziele. Claudius ist in diesem Fall die führende Figur. Für ihn ist das Treiben und Leben am Hof ein einziges Geschäft. Er möchte in der Ständegesellschaft aufsteigen und tut alles dafür, um sein Ziel zu erreichen. Das Missbrauchen der Kindergeneration für seine Zwecke gehört ebenfalls dazu. Er benutzt Polonius Tochter, Ophelia, als Spionin, die Hamlet für seine Zwecke abhören soll. Dabei ist er sich seiner Taten sehr bewusst und weiß, dass er seine Mitmenschen verletzt, insbesondere die Kindergeneration. Durch den Mord an König Hamlet ist er der Auslöser der ganzen Tragödie und Schuld an dem Leid von Hamlet und Ophelia. Die Kinder werden somit allein mit ihrem Kummer gelassen. Dies wird an der Figur Hamlet deutlich, der seine innere Zerrissenheit und komplette Überforderung mit seiner Aussage „Schmach und Gram, dass ich zur Welt, sie einzurichten, kam!“ auf dem Punkt bringt.
Der Text behauptet weiter, dass die Befriedigung eigener Bedürfnisse und die Erfüllung egoistischer Machtfantasien der Elterngeneration an erster Stelle stehen. Dies kann man gut an der Figur der Mutter Gertrud erkennen. Nach dem plötzlichen Tod ihres Ehemanns sehnt sie sich in ihrer Trauer nach Ablenkung und einer neuen Liebe. Aus diesem Grund stürzt sie sich Hals über Kopf in eine Ehe mit dem Mörder König Hamlets, Claudius. Sie berücksichtigt dabei nicht die Gefühle ihres Sohnes, sondern möchte sich an erster Stelle um sich selbst kümmern. Doch diese Verhaltensweise ist auf alle Figuren der Elterngeneration zurückzuführen. Bei Polonius, Vater von Laertes und Ophelia, stehen die Machtfantasien ebenfalls an erster Stelle. Er schleimt sich regelrecht bei dem König ein und gehorcht all seinen Aufforderungen, um nicht sein Platz in der Ständegesellschaft zu verlieren und um ein besseres Ansehen beim König zu erlangen. Die Kinder werden dabei als störend empfunden. Das zeigt sich an Claudius Verhalten deutlich. Er möchte Hamlet gegen seinen Willen nach England schicken, da er seiner Meinung nach eine Gefahr für seine Außenwelt darstellt und verhindern möchte, dass Hamlet seine Machtpläne ruiniert. Dabei zieht Claudius alle Figuren der lebenden Elterngeneration in seinen Bann und diese geben aus diesem Grund den Kindern, insbesondere Hamlet das Gefühl, als ob die ganze Last der Welt auf ihren Schultern liegt.
Im Folgenden ist eine weitere Aussage des Textes, dass die Generation der Eltern die Entscheidung über den Lebensweg der Kinder aufrechterhalten wollen und somit die Bestimmung über ihren Werdegang und ihre Taten kontrollieren möchte.
Das zeigt sich, als Claudius Hamlet verbietet zurück nach Wittenberg zurückzukehren um dort sein Studium weiterzuführen. Er möchte verhindern, dass Hamlet sich als weiser Denker weiterentwickelt und sich dafür als adliger Mann an den Hof anpasst. Auch Ophelias zukünftiger Werdegang wird von ihren Eltern vorgeschrieben. Sie soll sich ebenfalls der Ständegesellschaft anpassen und sich nicht in Schwierigkeiten durch die Beziehung mit Hamlet bringen. Man könnte dies als liebevolle und fürsorgliche Geste deuten, jedoch zweifelt man schnell daran, wenn man überlegt, dass all die Taten der Elterngeneration gegen den Willen der Kinder geschehen und sich in keinem Fall auf Kompromisse geeinigt werden. Es wird deutlich, dass sie Erwachsenen ihre Rolle als Autoritätspersonen nicht verlieren möchten. Demzufolge wird ebenfalls deutlich, dass Kinder in dieser Zeit einen deutlich unteren Rang haben als die Erwachsenen und aus diesem Grund auch nicht viel zu sagen haben.
Zusammenfassend wird die Vernachlässigung der Kindergeneration durch die Elterngeneration sehr sichtbar. Diese handelt aus dem Grund egoistisch, da sie sich in der Ständegesellschaft behaupten und anpassen muss. Es wird deutlich, dass es meist nur allein um Macht und Ansehen geht. Diesen Werdegang wollen die Figuren der Kindergeneration nicht nachgehen, wobei es dann zu einem Konflikt zwischen Eltern - und Kindergeneration kommt und deshalb zu Unverständnis und Desinteresse der Elterngeneration gegenüber der Kindergenerationen führt. Dies wird an der Figur Hamlet am besten verdeutlicht. Durch die ignorante Elterngeneration begibt sich Hamlet in eine Welt voller Trauer und Zerrissenheit, in der er sogar von Selbstmordgedanken geplagt wird („Sein oder Nichtsein!“). Insgesamt verdeutlicht der Textauszug sehr gut, wie die Eltern mit ihren Kindern in dieser Zeit umgegangen sind und welche Folgen ihr Desinteresse und ihre Machtbesessenheit für diese Generation hatten.