Inhaltsangabe, Analyse und Interpretation
Das Gedicht „Unter der linden“ wurde um 1200 von Walther von der Vogelweide verfasst. Es beschreibt die Erinnerungen des lyrischen Ichs, einer Frau, an ihr geheimes und romantisches Treffen mit ihrem Geliebten. Sie schwärmt von ihm und dem wundervollen Ort, an dem sie sich getroffen haben.
Das Gedicht besteht aus vier Strophen mit jeweils neun Versen. In den ersten drei Strophen blickt die Frau mit viel Freude auf ihr Treffen zurück. Sie verwendet Adjektive wie „liebevoll“ (Z.5), „“schön“ (Z.9) und „glücklich“ (Z.15). Sie ist sehr verliebt in den Mann, mit dem sie sich dort getroffen hat. Das erkennt man daran, dass sie in jeder Strophe den melodischen Ausruf „tandaradei“ ausstößt. Dieser Neologismus1 assoziiert Leichtigkeit, Fröhlichkeit und natürlich das Gefühl, unsterblich verliebt zu sein. In der vierten und letzten Strophe jedoch wird ihre Freude gebremst und ihre Liebe zu diesem Mann wechselt in Sorge über.
In der ersten Strophe beschreibt das lyrische Ich den Platz, an dem sie sich mit ihrem Geliebten getroffen hatte. Es war „unter der Linde auf der Heide“ (Z.1-2), was auch den Titel dieses Gedichts erklärt. Sie meint man könne sehen, wie liebevoll das Gras und die Blumen Gebrochen wären, was eine Antithese2 darstellt. Normalerweise kann man etwas nicht liebevoll bzw. sanft brechen. Im Gegenteil, wenn man etwas bricht, läuft der Vorgang meist schnell und kraftvoll ab.
Das lyrische Ich will damit aber deutlich machen, wie stark ihre gegenseitige Liebe ist, dass sie sogar diesen Vorgang sanft und gefühlvoll vollziehen können. In Zeile 7 wird der Treffpunkt genauer beschrieben. Er befindet sich vor einem Wald und in einem Tal. Es wurde ein Tal gewählt, damit die beiden sich versteckt und geheim treffen können. Warum das so ist, erkläre ich in der Auseinandersetzung mit der letzten Strophe.
In der ersten Strophe wird eine „Nachtigall“ (Z.9) erwähnt. Sie ist der stille Beobachter der Liebesszene.
In der zweiten Strophe wird der Treffpunkt der beiden noch genauer beschrieben. Auch eine gewisse Erotik kommt in dieser Strophe in das Geschehen. Das lyrische Ich stellt eine rethorische Frage, die sie aber vor lauter Glück und Freude gleich selbst hyperbolisch beantwortet. („Ob er mich küsste? Wohl tausendmal“ Z.16). Die Erotik wird nun noch gesteigert, indem sie bestätigt, indem sie sagt, wie rot ihr Mund doch dadurch wäre. Somit bestätigt sie, dass sie so oft geküsst wurde, dass man es ihren Lippen schon ansieht.
Die dritte Strophe beschreibt ebenso wie die erste Strophe die Natur. Die Frau spricht von einem Blumenlager, welches der Mann ihr extra bereitet hat. Sie schwärmt sehr davon. Sie geht nun auch auf die Rosen ein, die ihr Liebhaber für sie auf die Wiese gelegt hat. Die Rosen sind ein Symbol für die starke und innige Liebe, die er ihr damit bezeugen will.
In der letzten Strophe verschwindet aber ein großer Teil ihrer Freude, wie ich vorher schon angedeutet habe. Sie sagt zum Beispiel: „Dass er bei mir lag […] schäme ich mich.“ (Z.28-30). Sie fügt auch hinzu: „niemals soll jemand das erfahren…“ (Z.28-30). Diese Worte sagen aus, dass ihre Liebe zu einander geheim ist und vor der Öffentlichkeit versteckt wird. Sie meint, dass sie sich schäme, was schlussfolgern lässt, dass beide nicht dem gleichen Stand angehören. Zu der damaligen Zeit war es absolut untersagt solch eine Beziehung zu führen. Diese Tatsache erklärt auch, warum die beiden Liebenden ein Tal gewählt haben, in dem auch noch viele Linden stehen, die ihre Liebe verbergen können. Für beide wäre es schrecklich gewesen, entdeckt zu werden, da Ehre und Ansehen auf dem Spiel stehen.
Auch in der letzten Strophe wird die Nachtigall erwähnt, die der einzige Zeuge ihrer Begegnung ist. Sie bildet als Symbol einen Rahmen und taucht in der ersten sowie letzten Strophe auf. Die Nachtigall beobachtet beide somit von Anfang bis Ende ihres Treffens, doch die Frau ist optimistisch dass sie die einzige Mitwisserin sei. („… die wird gewiss verschwiegen sein“ Z.36)
„Unter der linde“ ist meiner Meinung nach ein „Mädchenlied“ (ebene Minne). Der Verfasser war im 12. Jahrhundert der Begründer dieser Minneform. Sie ist eine Mischung aus der hohen Minne und der niederen, da sowohl Tugenden eine Rolle spielen, der Frau liebevoll und ehrerbietig ein Blumenlager bereitet wird, als auch die Erotik der niederen Minne vorhanden ist.
Das Typische für ein Mädchenlied sind auch die Verbindungen von Natur und Liebe. Es kommen viele Wörter aus dem Wortfeld Natur vor: Heide, Linde, Blumen und Gras, Wald und Wiese usw.
Dieses Gedicht zeigt im Großen und Ganzen das Verliebt sein und wie es die Menschen beeinflusst. Es ist egal welchem Stand, welcher Gesellschaftsschicht oder Religion man angehört, wann Liebe im Spiel ist. Man vergisst vieles um einen herum und sieht die Welt durch die rosarote Brille die einem sogar die Natur um einen herum intensiver wahrnehmen lässt, so wie es auch in diesem Gedicht deutlich wird.