Seminararbeit/Facharbeit
Inhaltsverzeichnis
1 Die Präsenz und Wichtigkeit der Lyrik über Regionen
2 Allgemeines zum Lyrikband „Heimat Ferne - Ferne Heimat“
2.1 Verein zur Förderung der Dichtung am Untermain e.V.
2.2 Herausgeber und Autoren
2.3 Definition von Heimat
2.4 Definition von Ferne
3 Traditionelle und moderne Lyrik in „Heimat Ferne - Ferne Heimat“
3.1 Literarische Gruppen
3.1.1 Alter in Bezug auf Heimatverbundenheit
3.1.2 Regionalbezug
3.1.2.1 Dialekt
3.1.2.2 Ortsbestimmung
3.1.3 Familiäre Situation als Ursache für die Sicht auf Heimat
3.1.4 Auswirkungen von Beruf auf die Sicht von Heimat und Ferne
3.2 Überwiegend moderne Lyrik
4 Immenser Unterschied in der Qualität zwischen Laien und Experten
Anlage (siehe Download)
Literaturverzeichnis (siehe Download)
Erklärung (siehe Download)
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Die zahlreichen Zitatnachweise, Quellenangaben und Anlagen sind nur in der nachfolgenden PDF-Version der Seminararbeit Der Lyrikband „Heimat Ferne – Ferne Heimat“ – traditionelle oder moderne Lyrik (Der Untermain als Literaturlandschaft) enthalten:
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1 Die Präsenz und Wichtigkeit der Lyrik über Regionen
In Zeiten, in denen sich, möchte man meinen, alles um die modernen Medien dreht, zeigt sich, dass verkürzte Nachrichten mehr als nur die Regel sind. Der Grund hierfür liegt in der beschleunigten Welt, stark beeinflusst durch die leistungsorientierten Anforderungen der Gesellschaft und der resultierenden Anpassung des Individuums. Die Absicht, möglichst viel mit wenigen Worten auszudrücken, liegt somit bereits in der heutigen Natur des Menschen, da kleinere Nachrichten in einer kürzeren Zeit aufgenommen werden können. Heutzutage ist „WhatsApp“ wohl das beste Beispiel, denn die Verdichtung der Sprache findet sich in fast jeder gesendeten oder empfangenen Nachricht. Es beginnt mit „k“ für okay, eigentlich geht zu „eig.“ über und nimmt so schnell auch kein Ende. Somit lässt sich eine Parallele zwischen den zeitgenössischen Schreibkonventionen und der Intention von Gedichten feststellen. Jedoch wird durch Lyrik das ausgedrückt, was im Alltag verloren geht und auf keine andere Weise besser verdeutlicht werden kann.
Dass das Thema „Heimat“ schon lange Zeit Autoren Stoff zum Schreiben gibt und aktueller denn je ist, zeigen einige Lyrikbände und Gedichte, wie z. B. die Anthologie „Heimat: Gedichte“ vom Herausgeber Anton G. Leitner oder „Heimat – grenzenlos: Anthologie“ der Herausgeberin Karin Pfolz. Beim Vergleich der enthaltenen Werke erscheint ein Kontrast, der darlegt, wie erfolgreich, wie beliebt und wie individuell Lyrik mit dem Thema Heimat nicht nur in der Vergangenheit, sondern auch in der Gegenwart ist. Somit liegt der Verarbeitungs- und Gesprächsbedarf dieser Thematik auf der Hand. Der geforderte Austausch kann sehr gut durch Anthologien gelingen, was auch eine Intention des Herausgebers, der Verein zur Förderung der Dichtung am Untermain e.V., von „Heimat Ferne - Ferne Heimat“ ist.
Durch das Gedicht „Die Stadt“, das 1851 von Theodor Storm veröffentlicht wurde, ist es üblich geworden, dass die Stadt Husum als graue Stadt am Meer bezeichnet wird. Auch die Behandlung dieses Gedichtes im Unterricht zeugt von der Präsenz, der Qualität und der deutschlandweiten Importanz regionaler Lyrik.
In dieser Seminararbeit sollen Alter, Beruf, aktuelle literarische Strömungen, familiäre Situation, Regionalbezug, Inhalt, Form, Sprache und Stimmung von Heimat und Ferne betrachtet werden. Die Einflüsse dieser Faktoren auf die Literatur werden somit untersucht. Zudem soll die Beziehung unter diesen erläutert werden. Insgesamt steht die Seminararbeit unter der Forschungsfrage: Inwiefern ist der Lyrikband „Heimat Ferne – Ferne Heimat“ der traditionellen bzw. der modernen Lyrik zuzuordnen? Darüber hinaus wird quantitative Forschung betrieben, da bereits Hypothesen bestehen und deren Variablen festgelegt wurden.
2 Allgemeines zum Lyrikband „Heimat Ferne - Ferne Heimat“
2.1 Verein zur Förderung der Dichtung am Untermain e.V.
Der Verein zur Förderung der Dichtung am Untermain e.V. hat die Absicht, wie der Name vermuten lässt, Menschen zum Schreiben, Teilen Ihres literarischen Schaffens und zum gemeinsamen Treffen zu bewegen. Dabei steht nicht der Erfolg der Literatur im Vordergrund. Vielmehr soll die Lyrik einen Teil des Lebens ausmachen. Auf diese Weise können natürlich auch Meister des Schreibens entdeckt und gefördert werden. Hierzu veranstaltet dieser Verein jedes Jahr ein Lyrik- und Kurzgeschichtenwettbewerb. So wurden alle Werke aus „Heimat Ferne – Ferne Heimat“ bei zwei Wettbewerben vorgetragen – nämlich jeweils beim Gedichtwettbewerb „Heimat“ bzw. „Ferne“. „Wir wollten nicht unbedingt die Besten küren, sondern einen Status Quo der Region abbilden. So lässt sich beobachten, wie die Menschen bis zum Jahr 2009 gedichtet haben“, antwortet der erste Vorstand Michael Seiterle auf die Frage nach der Intention des Lyrikbands. Die Anthologie erschien 2009 im „LOGO VERLAG Eric Erfurth“ in Obernburg am Main.
2.2 Herausgeber und Autoren
Die meisten Autoren stammen aus der Region „Untermain“. „Der Lyrikband deckt die ganze Bandbreite der Menschen ab, wie im täglichen Leben. Da sind meiner Meinung nach richtig schlechte Sachen dabei, aber auch richtig gute. Der Band ist nicht außerordentlich qualitätsvoll, aber auch nicht außerordentlich schlecht. Der Durchschnitt des Lebens wird durch die Lyrik widergespiegelt.“ berichtet Michael Seiterle zur Qualität der Anthologie. Er habe sehr lange für das Redigieren benötigt, da des Öfteren Kommata falsch gesetzt wurden, die auch lyrische Mittel hätten sein können. Das gleiche gelte für Rechtschreibfehler. Somit lässt sich sagen, dass die Autoren den Durchschnitt der Gesellschaft bilden, was sich auch in den biografischen Angaben niederschlägt. 2018 wird wieder ein Gedichtwettbewerb stattfinden. Aus diesem kann sich der erste Vorstand vorstellen, dass eine neue Anthologie vom Verein erstellt werden könnte.8 Somit zeigt sich das hohe Engagement der Vereinsmitglieder, welche den Vereinszweck verwirklichen.
2.3 Definition von Heimat
Zuallererst ist zu beachten, dass es keine genaue Definition von Heimat gibt. Umgangssprachlich wird sie oft als Ort bezeichnet. Aber sie ist weitaus mehr als nur eine geographische Bezeichnung, was auch Herbert Grönemeyer in seinem Lied „Heimat“ klarstellt. Dort heißt es nämlich, dass Heimat kein Ort, sondern ein Gefühl sei. Nicht selten ist von Sicherheit, Geborgenheit, Übersichtlichkeit, Dialekt, Tradition und Prägung der Identität die Rede. Dabei ist nicht zu vernachlässigen, dass Heimat ein sehr subjektiver Begriff ist, da dieser mehr als sonst üblich vom Individuum abhängt. Dies kann durch die von Person zu Person verschiedene altersunabhängige Sozialisation, in der die Heimat erlebt und definiert wird, belegt werden.
2.4 Definition von Ferne
Die Ferne ist kein klares Antonym zur Heimat. Dies ist eher die Fremde, da auch in der Ferne die Heimat gefunden werden kann, was auch im Gedicht „heimat“ von Dagmar Gabel thematisiert wird, und nur die Fremde die Heimat ausschließt. Des Öfteren bedeutet die Ferne im vorliegenden Lyrikband, wie auch im allgemeinen Verständnis, Zukunft, Weite und Entfernung. Trotzdem ist in der Anthologie im Kapitel der Heimat zu beobachten, dass viele Autoren, die ihre Heimat geradezu vergöttern, die Ferne als kontrastreichen Gegensatz verwenden, wie z. B. in „Heimat“ von Barbara Kapraun.
3 Traditionelle und moderne Lyrik in „Heimat Ferne - Ferne Heimat“
3.1 Literarische Gruppen
3.1.1 Alter in Bezug auf Heimatverbundenheit
Zusammenfassend ist zu sagen, dass die Heimat grundsätzlich positiv dargestellt wird. Nur in wenigen Gedichten wird kein Bezug auf diese genommen, was allerdings nicht zu bedeuten hat, dass die Heimat an sich abgelehnt wird. Der große Umfang dieser Thematik wird dadurch aufgezeigt. Je älter der Autor ist, umso mehr wird die Heimat als Paradies auf Erden geschildert. Gerade bei Älteren sei die Heimatliebe und Heimatverbundenheit deutlicher ausgeprägt. Bei jüngeren Autoren seien keine schmalzig heimatverliebten Gesänge deutlich geworden – diese würden öfter bei den älteren vorkommen, berichtet Michael Seiterle. Hierzu sollen zwei Gedichte verglichen werden, um den Unterschied zwischen „schmalziger“ und gemäßigt idealisierter Heimat, die bei jüngeren Autoren zu beobachten ist, zu verdeutlichen.
In dem Gedicht „Laudatio an meine Heimatstadt Aschaffenburg!“ von Gertrud Fleckenstein, die zum Zeitpunkt der Fertigstellung des Gedichts 83 Jahre alt ist, lobt das lyrische Ich seine Heimatstadt Aschaffenburg. So wird anfangs auf vergangene Zeiten verwiesen, indem die Bezeichnung „bayerisches Nizza“ verwendet wird, denn diese soll auf König Ludwig I. von Bayern zurückgehen. Darauf geht das lyrische Ich auf seine dortige Geburt und Heimat ein. Durch die Personifikation des thronenden Schlosses Johannisburg wird die Machtstellung, die von dort ausging, dargelegt. Es klingt auch eine Beständigkeit und Schönheit des Schlosses an, was durch das Adverb „majestätisch“ erzeugt wird. Dies soll aber kein subjektiver Eindruck bleiben, weshalb die Empfindung durch die allgemeine Bewunderung als objektiv belegt werden soll. Deshalb werden „Einheimische und Fremde, alt oder jung“ antonymisch gegenübergestellt, um die Gesamtheit der Gesellschaft abzubilden. Die in fast jedem zweiten Vers auffindbaren Exklamationen betonen den Stolz des lyrischen Ichs auf dessen physische und psychische Verbindung zu Aschaffenburg. Der Vergleich mit einer verehrungsvollen Zeremonie, hat zur Folge, dass eine pietätvolle Atmosphäre geschaffen wird. Anschließend wird der Main personifiziert, indem er seine Knie dem Schloss beugt. Dadurch wird hervorgehoben, dass selbst die Natur, die grundsätzlich vor nichts Halt macht, dieses Bauwerk respektiert. In Vers neun wird der Main deshalb nochmals durch das Hochwasser personifiziert. Das gleiche Stilmittel kommt im nächsten Vers zum Einsatz. So „verschluckt“ der „Vater Rhein“ den Main bei Mainz, womit die damals enge Verbundenheit mit Mainz und die geographische Verbindung zum Ausdruck kommt. Dies ist noch heute sichtbar, da auf vielen Wappen dieser Region das Mainzer Rad abgebildet ist. Schließlich ist die erste Strophe geprägt von Personifikationen2, die das Schloss Johannisburg in seiner Pracht und den Main beschreiben. Des Weiteren wird die Umgebung dadurch sehr lebendig.
Die zweite Strophe hat den Schlossgarten als Thema. So wird dieser am Rand des Mains lokalisiert, damit eine Verbindung zwischen den Strophen entsteht, womit schließlich ausgesagt werden soll, dass der Main vieles bietet, verbindet und sich um den Main ein Naherholungsgebiet erschließt. Der Aussagesatz von Vers elf bis zwölf erreicht einen Kontrast zu den vorherigen Exklamationen, womit die im Schlosspark zu findende Ruhe hervorgehoben wird. Die Präpositionen „entlang“ und „Unterhalb“ führen dazu, dass der Rezipient sich ohne Aufwendung vieler Imaginationskraft die geographischen Gegebenheiten vorstellen kann, um ihm ein möglichst authentisches Bild zu bieten. Darauf wird der „Pompejaner Wein“ aufgegriffen, welcher seinen Namen dem „Pompejanum“ zu verdanken hat. Die Tatsache, dass „Wein“ auf „Main“ gereimt wird, hat zur Folge, dass die Lokalitäten, die sich direkt am Main befinden, eine homogene Einheit bilden. Von einer engen Verbundenheit vom lyrischen Ich zum Main kann ausgegangen werden.
In der dritten Strophe wird der Park „Schöntal“ thematisiert. Die beruhigende Wirkung auf den Menschen wird betont, indem eine alltägliche Belastung, wie Stress, Begriffen aus dem Wortfeld „Erholung“ entgegengesetzt werden und diese die Überzahl bilden. Anzumerken ist, dass sich im „Schöntal“ kein „klassizistisches Schlösschen“ befindet. Hiermit ist wohl die Kirchenruine gemeint, da sonst kein dort befindliches Bauwerk einem Schloss ähnelt. Dies stellt eine Übertreibung der Tatsachen dar.
Anschließend wird auf die „Stifts-Basilika“ verwiesen, womit weitere Bestandteile der Stadt, nämlich der Glaube, und weitere geschichtliche Aspekte hinzukommen. Um die Pracht des Rathauses zu verdeutlichen, wird es als groß, beständig und durchdacht beschrieben. Durch die Verwendung des Anglizismus „Know-how“ in Verbindung mit dem Adjektiv „heutigem“ wird sogar der damalige mit dem aktuellen Stand der Technik gleichgesetzt. D. h. das Rathaus wurde bereits vor sechzig Jahren nach heutigem Verständnis gebaut.
Darauf wird das hohe gesellschaftliche Ansehen von Aschaffenburg dargelegt, welches mit den vielfältigen Angeboten aus Wissenschaft, Bildung, Religion, Kultur und Konsum belegt wird. Des Weiteren ist die Stadt jenseits Bayerns durch die Nähe zur hessischen Grenze bekannt. Anschließend werden weitere Vorteile der geographischen Lage Aschaffenburgs aufgezählt. So ist es umhüllt von Wäldern und Gebirgen, was durch das verwendete Asyndeton3 besonders eindringlich erscheint. Die Umgebung der „grünen Lunge“ symbolisiert den positiven Einfluss des Umlandes durch die gute Luftqualität auf die Bewohner der Stadt, wodurch eine gute Lebensqualität gewährleistet wird.
Das lyrische Ich zeigt in der letzten Strophe das Maximum seiner Heimatverbundenheit, denn wenn es einmal in der Fremde sein sollte, erhofft es sich schnell wieder in der Heimat zu sein. Wenn das Heimweh das Fernweh übermannt, dann ist von einer immens starken Heimatverbundenheit auszugehen. Selbst wenn es, wie beschrieben, dort schön sein sollte. Der Wein in der Ferne könnte ein Grund sein an die Heimat zu denken, da es in Aschaffenburg den Pompejaner gibt und es diesen Wein womöglich bevorzugt oder zumindest an den heimischen erinnert. Das Asyndeton „in ein fremdes Land, in ferne Kontinente, an den Meeresstrand“ lässt diese Orte im Gegensatz zu Aschaffenburg klein und weniger ergreifend erscheinen. Insgesamt kann nicht nur von einer Lobrede, sondern auch von einem lyrischen Stadtführer gesprochen werden.
Der verwendete Paarreim unterstreicht eingängig die heitere Stimmung des lyrischen Ichs über die Heimat. Lediglich in Strophen mit ungerader Versanzahl gibt es jeweils eine Waise, um bei den genannten Sehenswürdigkeiten und im vorletzten Vers bei „Aschaffenburg“ Aufmerksamkeit zu erreichen. Die Strophen bestehen aus der folgenden Anzahl an Versen: 10-4-5-7-10-5. Mit dieser freien Form wird die große Vielfalt, die Aschaffenburg zu bieten hat, betont. Es sind kein festes Metrum4 und beliebige Silbenanzahlen auszumachen.
In „Heimat“, das von der damals 19-jährigen Sabrina Jacobi gedichtet ist, stellt sich das lyrische Ich anfangs existentielle Fragen, wie z. B. nach dessen Zugehörigkeit, da es mit Unsicherheit zu kämpfen hat, wohingegen „Laudatio an meine Heimatstadt Aschaffenburg“ mit einer Exklamation1 beginnt, die Sicherheit ausdrückt, was anschließend durch einen Parallelismus, der die Geborgenheit betont, hervorgehoben wird. Des Weiteren kommt in der ersten Strophe zur Sprache, dass das lyrische Ich an jenem Ort, vermutlich in der Ferne, nur wirkungslose Erfahrungen machte, sodass sich nichts im Gedächtnis einprägte. Dies steht arg im Kontrast zu dem in Aschaffenburg verwurzelten lyrischen Ich, das seine Bewunderung und Eindrücke der Stadt preisgibt. Allerdings gibt es eine Wendung und eine Rückbesinnung zur Heimat. So werden erst das Haus, dann das Panorama, darauf die sozialen Kontakte und die Ansässigen erwähnt. Dabei wird durch einen Parallelismus die Relevanz dieser Umstände gesteigert. Die Asyndeta, mit denen die Heimat gerafft beschrieben wird, bilden das Gegenstück zu den prächtig personifizierten Sehenswürdigkeiten aus dem anderen Gedicht. Außerdem stellt die gegenständliche Heimat aus Fleckensteins Gedicht eine Differenz zu Jacobis größtenteils physisch empfundener Heimat dar. Offenkundig lässt sich die Länge der beiden Gedichte auf die Relevanz und Dankbarkeit, die das lyrische Ich empfindet, übertragen.
Insgesamt liegen, wie am Anfang des Kapitels beschrieben, zwei unterschiedliche Arten von Heimatliebe vor. So enthält „Laudatio an meine Heimatstadt Aschaffenburg!“ eine durch die rosarote Brille gesehene Perspektive, wodurch es den Inhalt teilweise zu hinterfragen gilt. Hingegen liefert Sabrina Jacobi ein sehr allgemeines Bild der Heimat ab, was auf eine Flexibilität und eine nicht außerordentlich verwurzelte Heimat schließen lässt.
3.1.2 Regionalbezug
3.1.2.1 Dialekt
Gedichte, die ausschließlich in Mundart geschrieben wurden, also Mundart-Lyrik, enthält der Band nicht. Trotzdem wird durch sporadischen Einsatz von Dialekt, der bei einer vorhandenen Dialektaffinität auf die zugehörige Gegend schließen lässt, ein Regionalbezug hergestellt, wie z. B. in „Zuhause – Daheim – In meiner Stadt“ von Maika Becker. Die Tatsachen, dass Mundart-Gedichte nur ein relativ kleines Leserfeld ansprechen, die Wirkung sich erst im mündlichen Vortrag perfekt entfaltet und die phonetische Schreibweise recht aufwendig ist, da keine einheitlichen Regeln hierfür existieren, könnten die Autoren dazu veranlasst haben, die Gedichte in Hochdeutsch zu verfassen oder wie im Fall vom „Niedernberg-Lied“ dieses in die Hochsprache zu übertragen.
3.1.2.2 Ortsbestimmung
In einigen Gedichten wird der Regionalbezug durch die Nennung des Ortes erzeugt. Dies ist zumeist bei älteren Autoren der Fall, denn das Durchschnittsalter derer, die die Heimat genau durch die Angabe des Ortes bestimmen, liegt bei ca. 53 Jahren, wobei anzumerken ist, dass es eine starke Differenz zwischen Jung und Alt gibt. Damit geht einher, dass ziemlich viele ältere Autoren und wenige jüngere Lyriker den Regionalbezug mit Hilfe der Ortsbestimmung herstellen. Zumal ist es geradezu typisch, dass die Personen, die diesen verwenden, eine Liebe zur Heimat besitzen, da diese hauptsächlich im höheren Alter erlebt wird. Ein Grund hierfür stellt die mehr verfügbare Zeit im Alter dar. Abschließend lässt sich sagen, dass der Regionalbezug bei Autoren hergestellt wird, die eine feste Verwurzelung zur Heimat besitzen.
3.1.3 Familiäre Situation als Ursache für die Sicht auf Heimat
Erwähnenswert ist, dass nur bei unter fünfzig Prozent der Autoren Angaben zur Kinderanzahl existieren, weswegen keine genaue Auswertung erfolgen kann. Die heimatverherrlichenden Autoren mit Kinderangaben haben im Durchschnitt zwei Kinder. Allerdings sind diese im Durchschnitt verhältnismäßig alt, sodass davon ausgegangen werden kann, dass deren Kinder bereits erwachsen und selbstständig sind, wodurch die Verwurzelung zur Heimat aktuell nicht beeinflusst wird. Beim Familienstand sind ebenfalls keine Besonderheiten zu beobachten. Somit ist der Zusammenhang zwischen familiärer Situation als Ursache für die Sicht auf die Heimat widerlegt.
3.1.4 Auswirkungen von Beruf auf die Sicht von Heimat und Ferne
Das Faktum, dass keine Abgrenzungen zu erkennen sind, d. h. der Beruf nicht über die Sicht von Heimat und Ferne entscheidet, lässt sich auf die starke Globalisierung, ein Kennzeichen der Postmoderne, zurückführen. Es ist z. B. fast allen Menschen möglich mit sehr wenig Geld und Aufwand weit weg zu verreisen, was in früheren Zeiten oft nicht gegeben war. Folglich kann ein eigenes Bild entwickelt werden. Darum werden weniger Vorurteile über die Ferne vertreten. Die Pluralität, ausgedrückt in den zahlreichen persönlichen Anschauungen, stellt wiederum ein Merkmal der Postmoderne dar, welche auch in „Heimat Ferne – Ferne Heimat“ festzustellen ist. So übt Dagmar Gabel mit „magie der ferne“ Gesellschaftskritik, indem ausgesagt wird, dass die Gesellschaft trotz des Wissens, dass Missstände existieren, nichts dagegen unternimmt. Hermann Grimm5 thematisiert in „Ein Blitz der Ewigkeit“ die Vergänglichkeit des einzelnen Menschen und Hadayatullah Hübsch ironisiert die Aussprache der Deutschen von Fremdsprachen. All diese Themen werden versprachlicht, obwohl das Thema „Ferne“ vorgegeben war. Zwar bietet dieses ein sehr großes Feld, dennoch ist die Diversität innerhalb des Lyrikbandes extrem hoch.
3.2 Überwiegend moderne Lyrik
Der vorhandene Pluralismus trotz eines festgelegten Themas ist ein Merkmal der Postmoderne. Die aufgelöste Form ist ein Kennzeichen für moderne Lyrik. Jedoch sind Abstufungen in puncto Form zu erkennen. Tradition wird im Sinne des Reimschemas oft beibehalten, denn ca. die Hälfte aller Gedichte folgen einem festen Reimschema. Dabei sind der Kreuz- und der Paarreim am häufigsten vertreten, wie z. B. in Barbara Kaprauns „Sehnsucht nach der Ferne“ und in Hilbert Huths „Fernweh – Heimweh“. Es ist zu ergänzen, dass es Tendenzen hin zum heterogenen Kreuzreim gibt; ein Reimschema des Prinzips abcb. Diese sind zu finden in Franz Bischoffs „Heimat“, Jürgen Hesbachers „Heimatschutz“, JanEike Hornauers „Abschied“, Katja Langes „Lichtblick“ und Brigitte Miltenbergers „Frankenheimat“. Dennoch muss berücksichtigt werden, dass die moderne Lyrik nicht abgelehnt wird, wenn traditionelle Formen in der modernen Lyrik angewandt werden. Vielmehr machen traditionelle Formen einen Teil der modernen Lyrik aus. Immerhin können dadurch z. B. Kontraste zum Inhalt hergestellt werden und demnach eine Funktion erfüllen. Die Anthologie enthält einige Gedichte mit freien Rhythmen, die dadurch gekennzeichnet sind, dass ein Gedicht weder Metrum, noch Reimschema und unterschiedlich viele Betonungen besitzt, jedoch ein Rhythmus in den einzelnen Versen feststeht. Dagegen können traditionelle Formen, wie eine Ballade oder eine Elegie, nicht ausgemacht werden, was zusätzlich für die Zuordnung zur modernen Lyrik spricht.
Summa Summarum sind weniger als zwanzig Prozent der Gedichte traditionell mit fester Form, also mit Reimschema, Metrum und fester Strophenform, gedichtet. Folglich ist alles andere moderne Lyrik, wenn nicht sogar durch das Merkmal des Pluralismus postmoderne Lyrik, auch wenn das Kennzeichen der Intertextualität fehlt. D. h. in „Heimat Ferne – Ferne Heimat“ werden keine Bezüge zu anderen bereits bestehenden Werken aufgebaut. Aber nicht immer müssen alle Merkmale der Postmoderne bzw. Moderne zutreffen, weil es keine zeitlich festen Grenzen zwischen Epochen gibt. Da eine Epochenzuordnung immer erst im Nachhinein präzise ist, wird sich die Richtigkeit der Zuordnung des Lyrikbandes zwischen Moderne und Postmoderne in der Zukunft herausstellen.
Anzumerken ist, dass die vielen Lücken in den biographischen Daten eine fachgerechte Evaluation teilweise ausschließt bzw. erschwert.
4 Immenser Unterschied in der Qualität zwischen Laien und Experten
Insgesamt lässt sich sagen, dass in diesem Lyrikband einige Perlen der Dichtkunst vorhanden sind. Beim großen Rest hingegen wird ein deutlicher Unterschied zu hauptberuflichen Schriftstellern sichtbar, da es eine höhere Kunst ist ein Sonett6 zu dichten, als freie Rhythmen zu verwenden. Trotzdem können Emotionen teils leichter in freien Rhythmen, als im starren Korsett aus Schemata zum Ausdruck kommen. Alle Richtungen haben ihre Daseinsberechtigung. Allein der Umgang mit Worten zeigt die Qualität der Sprache. Abschließend ist zu erwähnen, dass der Verein zur Förderung der Dichtung am Untermain e.V. einen wertvollen kulturellen Beitrag an die Gesellschaft leistet, welchen es zu unterstützen gilt.