Inhaltsangabe, Analyse und Interpretation
Das von Theodor Storm verfasste Gedicht „In seinem Garten wandelt er allein“ thematisiert die Auswirkungen einer verlorenen Liebe auf das Leben des lyrischen Subjektes. Der von 1817-1888 lebende deutsche Schriftsteller war aufgrund der Verfassung verschiedener lyrischer Werke und ebenfalls von Novellen und Prosa insbesondere für die Epoche des Realismus, welche in die Jahre 1840-1900 fällt, sehr bedeutsam. Einige der Hauptthemen des Realismus, nämlich die menschlichen Grunderfahrungen wie Liebe, Leid und Tod sind in Storms Gedicht wiederzufinden. Ebenso epochenspezifische Motive wie Natur, Wirklichkeit und Heimat sind in dem Zusammenhang für das Gedicht essenziell.
Das Gedicht dreht sich um ein männliches lyrisches Subjekt, welches allein in seinem Garten wandelt und immer wieder an etwas Bestimmtes zurückdenkt. In zwei Strophen mit jeweils vier Versen wird dies deutlich. Der Titel unterstreicht dieses Verhalten noch einmal. Durch die Anapher1 „in“ (V. 1 f.) wird ein Einstieg in die Situation gegeben und diese sorgt vorerst zur Veranschaulichung und zum besseren Verständnis. Der allein wandelnde „gräbt immer wieder gedankenschwer den einz’gen Namen ein“ (V. 2 f.), der Gedankenzusammenhang dieser Worte wird durch ein Enjambement2 auch im strukturellen Aufbau des Gedichtes klar. Da er, wie in der Illusion „einz’gen“ verdeutlicht wird, nur an eine Person denkt und dieser auch alle Bäume und somit das Herzstück des Gartens widmet, wird die sehr enge, vergangene Beziehung deutlich. Dieses unterstützt die Hyperbel3 „gedankenschwer“ (V. 3). Das lyrische Subjekt kann an nichts anderes denken als an die vergangene Beziehung, welche nun geendet hat. Die in Vers vier vorzufindende Personifizierung der klagenden Lieder, welche nur in einem Namen klagen, zeigt dass sich das gesamte Leben des lyrischen Subjekts darum dreht und dass er nicht allein sein kann, da alle Gedanken an seine ehemalige Geliebte ihn nicht verlassen. Die Wiederholung des Wortes „Namen“, wie beispielweise in Vers drei zeigt, dass es sich um genau eine Person handelt, dessen richtiger Name jedoch nicht bekannt ist. Das im gesamten Gedicht vertretende Bild des Gartens repräsentiert das Leben des lyrischen Subjekts. Dieses Leben beruht auf allen Erfahrungen und auf allen Eindrücken, die es im Laufe des Lebens, aber auch insbesondere im Laufe der Beziehung gesammelt hatte. Da nun jedoch die geliebte Person nicht mehr da ist, wandelt er nur noch verwirrt und allein in seinem Garten, aber auch in seinem Leben. Der Kreuzreim und ebenfalls die alternierende Kadenz4 sorgen für die Veranschaulichung der Verwirrtheit, da durch beispielsweise den Kreuzreim Inhalte, aber auch bei der Kadenz Klänge über Kreuz abwechselnd miteinander verbunden werden. Da zwar Inhalte verschränkt miteinander verbunden werden, sind diese jedoch in bestimmten Maßen geordnet und durchdacht und nachvollziehbar. Genau wie die Gedanken des lyrischen Subjektes. Er bekommt viele schöne Eindrücke in seinem Garten, wie durch die Synästhesie5 „sanft blaut der Himmel“ (V. 5) beschrieben wird. Einfache Dinge wie der blaue Himmel geben ihm neue Kraft sein Leben, auch mit dem Verlust einer Person und mit dem damit verbundenen Verlust einer Liebe, zu genießen. Der blaue Himmel ist auch nur vorhanden, wenn die Sonne scheint. Der Sonnenschein ist verantwortlich für das Wachstum in seinem Garten und somit für die Aufrechterhaltung seines nun wichtigsten Teils im Leben. Dahingegen aber „wandelt“ (V. 1) er immer wieder ziellos und hoffnungslos durch seinen Garten. In Vers fünf und sechs liegt ein Enjambement vor: „milde Rosen webt die Sommerzeit durch mächt’ge Blättermassen“. Die Rose steht als Symbol für Liebe und Jugendlichkeit. Diese Rosen sind mild und symbolisieren, dass das lyrische Subjekt nur noch in geringem Maße Liebe und Zuneigung erfährt. Im Gegensatz dazu sind die, durch die Illusion dargestellten „mächt’gen Blättermassen“ (V. 6) nicht selten, sondern sehr oft und viel vorhanden. Zum einen stehen diese für das Leben des Gartens, somit auch für die gute Pflege, die der Garten bekommt. Zum anderen sind Blättermassen auch eng mit einem Abschied und mit dem Tod verbunden, da sie sehr bedrückend und einschränkend wirken. Das Blatt lebt so lange bis es vom Baum abfällt nur von den Nährstoffen des Baumes und ist somit abhängig vom Baum. Genau wie das lyrische Subjekt abhängig von seiner Liebe ist. Dies meint aber außerdem, dass Zeiten des Abschieds und der Trauer für das lyrische Subjekt im Gegensatz zu den von Liebe erfüllten, schönen Momenten in seinem Leben überwiegen und ebenfalls, dass es zwar kleine Lichtblicke gibt, diese aber meist nur dazu beitragen wieder Erinnerungen an die vergangene Liebe hervorzurufen. Die Metapher6: „Er schaut sie nicht; die Zeit, in der er lebt“ (V. 7) verdeutlicht die Hoffnungslosigkeit und ebenfalls den Gedanken, dass das Leben ohne die geliebte Person nicht mehr lebenswert ist und dass er dadurch auch keine Rücksicht mehr auf jegliche Zeit nehmen muss. Die Klimax7: „alt, verblüht, von allen längst verlassen“ (V. 8) stellt die Lage des Gärtners da. Diese sagt aus, dass er von jeglichen sozialen Kontakten verlassen wurde, da er keine Rücksicht mehr auf sie nahm, sondern nur noch in seiner eigenen Welt; dem Garten war und dort versuchte seine Trauer zu kompensieren. Da er sich dabei selbst vernachlässigt und schließlich alt wird, stirbt er, da er keine Lichtblicke mehr sieht. Durch das Verblühen des Gartens entsteht auch das Verblühen des Lebens und somit der Tod.
Der Text spiegelt die vergangene Beziehung zweier Personen aus der Sicht eines einsam wandelnden Mannes wider. Dieses lyrische Subjekt verbringt viel Zeit im Garten, in welchem er auch wandert und es nicht schafft, seine Liebe zu vergessen. Da er diese Trauer und den großen Verlust nicht mehr verkraften kann, macht das Leben für ihn keinen Sinn mehr. Das Vermissen ist immer noch ein sehr aktuelles Thema und auch insbesondere der Umgang mit dem Verlust ist für viele Menschen ein Thema, welches sie nie richtig verarbeiten können. Der Text spiegelte dieses nach intensivem Durcharbeiten und genauem Untersuchen erstaunlich gut wider und könnte sicherlich für viele Menschen ein Anstoß zum Denken sein, ob sie wirklich ewig in Trauer leben wollen oder ob sie versuchen sollten vorwärts zu schauen, auch wenn Zweiteres in der aussichtslosen Lage wohl nicht leicht zu verarbeiten und schon gar nicht zu verstehen ist.