Kurzgeschichte: Tanzen gehen (2006)
Autor/in: Nils MohlEpoche: Gegenwartsliteratur / Literatur der Postmoderne
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Inhaltsangabe, Analyse und Interpretation
Die Kurzgeschichte „Tanzen gehen“ (2006) von Nils Mohl handelt von einem älteren Ehepaar, welches durch einen kleinen Tanz aus dem monotonen Alltag entflieht.
Die Geschichte beginnt mit der Situation, in der Gus heimlich im Badezimmer steht und seine Narben betrachtet. Anschließend denkt er über seine Samstagsplanung nach, entschließt sich jedoch dazu, seiner Frau Gesellschaft zu leisten. Ella sitzt im Wohnzimmer und liest Zeitung, während Gus sie stumm anschaut. Kurze Zeit später betrachtet er ein altes Portrait von sich. Gus fordert sie zum Tanz auf, wobei Ella ablehnt. Gus überredet sie und beide tanzen für kurze Zeit. Doch aufgrund seiner Nervosität entflieht er der Situation und endet wieder im Badezimmer beim Betrachten seiner Narben.
Die Kommunikation kann mittels des Kommunikationsquadrat von Schulz von Thun erklärt werden. Die vier Seiten des Senders können auch wiederum auf verschiedene Seiten beim Empfänger verstanden werden. Beide verstehen nicht die richtige Nachricht des Partners.
Auffällig ist in diesem Fall, dass das Kommunikationsverhalten eingeschränkt ist. Gus weiß nicht, wie er mit ihr ernste Gespräche führen kann (vgl. Z.153ff.). Auch Ella empfindet Verständnisprobleme und meint vieles nicht, wie Gus es auffasst (vgl. Z.100f.).
Die Kurzgeschichte wird von einem personalen Erzähler geleitet, da die Gedanken von Gus veranschaulicht werden. Von den Protagonisten wird Alltagssprache verwendet, was eine bessere Nähe zum Realitätsbezug bei Lesern kreiert (z. B. vgl. Z.104,143).
Außerdem ist es für eine Kurzgeschichte üblich, dass sie direkt in das Geschehen startet und ein offenes Ende besitzt. Ebenfalls gibt es nur wenige Personen, welche nur kurz vorgestellt werden.
Gus ist ein älterer Herr über 50, dies wird anhand der Narbe am Kinn deutlich, mit welcher er schon 50 Jahre zusammenlebt (vgl. Z.18f.). Sein Körper ist mit Narben übersät, die ihn schon sein Leben lang beschäftigen (vgl. Z.16f.). Seine Mimik ist expressiv (vgl. Z.109ff), was auf eine schwere Vergangenheit zurückzuführen ist, da mental schwere Zeiten einen Menschen auch von seiner Mimik her abhärten können.
Aufgrund seiner Narben ist er sehr misstrauisch, was seine Frau davon halten würde (vgl. Z.23ff.), was ihn als nachdenklichen Mensch kennzeichnet.
Ella macht einen ordentlichen Eindruck, da sie die Bilderrahmen neu arrangiert hat (vgl. Z.82f.). Doch ihre unverschämten Witze über andere Namen deuten darauf hin, dass sie sich lieber in die Angelegenheiten anderer anstatt ihres Lebens einmischt (vgl. Z.45ff.).
Mit Hinblick auf sprachliche Auffälligkeiten ist bemerkenswert, dass viel mit Wiederholungen gearbeitet wird, um den Wunsch nach wiederholten Tänzen und somit verbundenen Ausbrüchen aus dem Alltag zu verstärken. Das fällt am Anfang sehr mit dem Wort:„Er“ auf (Z.1,5,14,16), denn es wird hervorgehoben, dass der zentrale Kern in diesem Moment Gus ist und er nur parallel zu seiner Beziehung lebt.
Der Vergleich:„Narbe […] wie Plastik“ (Z.6f.), deutet auf eine veränderte Hautstruktur hin, die als eine Verfremdung des eigenes Körpers dient, da Menschen von Geburt an keinen normalen körperlichen Bezug zu Plastik besitzen und dies eine Veränderung des Körpers voraussetzt.
Die Aufzählung:„im Garten arbeiten […] Steuererklärung machen“ (Z.21ff.), zeigt, welche alltäglichen Aufgaben ihn plagen, da ihm die Entscheidung schwerfällt. Es sind jedoch auch Aktivitäten, die er alleine erledigen würde, doch er entscheidet sich für das Gesellen zu seiner Ehefrau, da er an diesem Tag etwas ändern möchte. Er will nicht mehr vor den Sorgen fliehen, sondern sich diesen stellen.
Die Neologismen1 in der Kurzgeschichte dienen ebenfalls der Hervorhebung, aber auch dazu um die Verfremdung der Kommunikation darzustellen. Dabei werden die Worte „Hauchfleck“ (Z.123) und „Kartoffelschälmusik“ (Z.124), neugebildet, welche den Versuch des Ausbruches aus der Monotonie darstellen. Gus möchte Neues erleben, versucht in jeder Gelegenheit Andeutungen zu machen, um seine Frau auf dieselben Gedanken zu bringen.
Das Verwenden von parataktischen Sätzen bei den beiden Protagonisten führt auf eine nüchterne Kommunikation zurück, die ausbaufähig ist (z. B. vgl. Z.66f.). Dies kennzeichnet aber auch die Vereinfachung der aktuellen Lebenssituation und deutet auf Monotonie hin.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass durch die misslungene Kommunikation vieles nicht thematisiert wird, was Gus große Sorgen bereitet. In der Situation des Tanzes entfliehen beide den monotonen Alltag. Die negativen Gedanken lässt Gus jedes Mal im Bad zurück und verheimlicht ihr weiterhin die Sorgen.
Durch die Kommunikationsprobleme ist die Beziehung instabil. Beide fangen an nebeneinander zu leben statt miteinander. Die Aktivitäten bestreiten beide meist nur alleine und gehen sich somit weitestgehend aus dem Weg.