Gedicht: Stufen (1941)
Autor/in: Hermann HesseEpoche: Symbolismus
Strophen: 3, Verse: 22
Verse pro Strophe: 1-10, 2-8, 3-4
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Inhaltsangabe, Analyse und Interpretation
Das Gedicht „Stufen“ von Hermann Hesse aus dem Jahr 1941, welches ursprünglich den Titel „Transzedieren“ trug, beschreibt das Leben und den Prozess der Veränderung. Stufe für Stufe entwickelt man sich weiter und wagt einen Neubeginn.
In der ersten Strophe des Gedichts wird der Alterungsprozess und die Vergänglichkeit der Jugend beschrieben. Aber es geht genauso um die stetige Entwicklung, die man im Leben durchläuft. Man soll bereit sein für Abschied und Neubeginn. Strophe zwei zeigt das wir uns stetig entwickeln und niemals zu lange bei etwas bleiben sollen. Die Bereitschaft zu Neuem schützt vor dem Erschlaffen. Der Tod ist der letzte und auch wichtigste Schritt in dieser Entwicklung.
Das Gedicht hat drei Strophen, welche immer kürzer werden. Die erste Strophe hat 10, die zweite 8 und die letzte nur noch 4 Verse. Diese sich verkürzende Versanzahl pro Strophe stellt, die mit der Zeit immer kürzer werdende Lebenszeit dar. In der ersten Strophe ist das Reimschema „abacbdcede“ vorzufinden. In Strophe zwei wird mit einem umarmenden Reim begonnen und mit einem Kreuzreim abgeschlossen. In der letzten Strophe ist ausschließlich ein umarmender Reim vorzufinden. Das Fortschreiten des Lebens wird durch den vorliegenden fünfhebigen-Jambus betont. Außerdem liegen ausschließlich weibliche Kadenzen1 vor, welche die Gleichmäßigkeit des Themas unterstützen.
Die erste Strophe beginnt damit das Altern zu beschreiben. Die Allegorie2 „jede Blüte welkt“ (V. 1) stellt das unausweichliche Vergänglichkeit eines jeden Menschen dar. Aber nicht alles welkt. Weisheit und Tugend (vgl. V. 3) blühen, dies jedoch zu ihrer Zeit. Also mit dem Älter werden und der Entwicklung der eigenen Person. Und auch jede „Lebensstufe“ (V. 2) zeigt sich zu ihrer Zeit. Mit den verschiedenen „Lebensstufe[n]“ (V. 2) sind die Lebensabschnitte eines Menschen gemeint. Jeder Lebensabschnitt hat nur eine gewisse Dauer und „darf nicht ewig dauern“ (V. 4). „Das Herz“ (V. 5) als Symbol für den fühlenden Menschen soll stets bereit für Neues sein, wenn die Zeit gekommen ist. „Abschied […] und Neubeginn“ (V. 6) sind Teil jedes Lebensabschnittes. Die zuerst so antithetisch wirkenden Worte hängen letztendlich enger zusammen als man denkt und sind wichtige Elemente des Lebens. Es geht darum „neue Bindungen“ (V. 8) einzugehen und Dinge zu entdecken, die einem noch fremd sind. Der Aphorismus fasst diesen Kerninhalt der oberen Zeilen gut zusammen. „Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.“ (V. 9-10). Dieser „Zauber“ (V. 9) des Anfangs und der Wagnis schützt uns vor dem Stillstand und macht das Leben lebenswert.
In Strophe zwei wird die Aussage aus Strophe eins verstärkt. Statt zu Trauern und hängenzubleiben sollen wir „heiter [von] Raum zu Raum“ (V. 11) gehen, Neuem positiv gegenüber stehen. Die Wiederholung des Wortes „Raum“ (V. 11), symbolisch für unsere Lebensabschnitte, zeigt das wir mehrere dieser durchlaufen müssen. An keinem Abschnitt sollen wir aber zu sehr hängen. Denn Plan der Welt, metaphorisch durch den „Weltgeist“ (V. 13) dargestellt, ist unsere Weiterentwicklung „Stuf‘ um Stufe“ (V. 14) und damit die Erweiterung unseres Horizontes. Wer für diesen Prozess noch nicht bereit ist, verfällt der „lähmende[n] Gewöhnung“ (V. 18). Der „Aufbruch“ (V. 17) und die damit verbundene Entwicklung werden in den letzten beiden Versen der Strophe gut zusammengefasst.
Die letzte Strophe hat lediglich vier Verse und ist damit die kürzeste aber auch die ausdrucksvollste der Strophen. Denn selbst über der Tod hinaus gibt es noch viele neue Räume (vgl. V. 20) für uns. Der Ruf des Lebens steht metaphorisch für das Neue was wir entdecken können und was uns das Leben und die Welt bietet. Im letzten Vers beschreibt der Aphorismus „Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!“ (V. 22) den wichtigsten Schritt der Entwicklung. Der fühlende Mensch, symbolisiert durch das „Herz“ (V. 22), nimmt Abschied und durschreitet damit wieder einen Raum. Doch jetzt soll er sich nach seiner langen Reise endlich erholen.
Wie schon der ursprüngliche Titel „Transzedieren“ meinte, geht es um das Überschreiten der eigenen Erfahrungswelt. Statt im Alter das Ende der Jugend und des Lebens zu sehen, zeigt das Gedicht, dass das Leben ein Prozess ist. Mit jeder Stufe, die wir erreichen lernen wir etwas Neues kennen. Doch diese Stufen können wir nur erreichen, wenn wir auch dazu bereit sind. Diese Bereitschaft zum „Abschied […] und Neubeginn“ (V. 6) ist dabei die Quintessenz. Der Zauber des Anfangs liegt auf jeder Stufe, die wir erreichen. Wer jedoch stehen bleibt kann diese Reise nicht antreten.
Hermann Hesse beschreibt das optimistische Denken, welches jeder von uns haben sollte. Auch er hält trotz Krieg und gerade überstandener Krankheit an einem positiven Denken fest. Es braucht zwar Tapferkeit „heiter Raum um Raum [zu] durchschreiten“ (V. 11) aber nur so behält das Leben seinen Zauber. Wir sollten stets Mut zu Neuem haben, denn Leben heißt Entdecken.