Inhaltsangabe, Analyse und Interpretation
Simon Dachs Volkslied „Ännchen von Tharau“ wurde im Jahre 1636 verfasst und anlässlich der Hochzeit von Anna Neander geschrieben. Das Gedicht entstand in der Epoche des Barock thematisiert jedoch ein barockuntypisches Thema: Die Liebe. Nur das Erscheinungsjahr und einige Stilmittel lassen auf die Epoche des Barock schließen.
So hebt sich das Gedicht, das als Volkslied verfasst wurde durch sein Thema von dieser Zeit ab.
Die erste Strophe thematisiert die Liebe des Lyrischen-Ichs zu seiner „Auserwählten“ und er vergleicht seine Liebe zu ihr mit materiellen Dingen wie Geld (Z.2), aber auch mit physisch-körperlichen (Z.5 „mein Fleisch und mein Blut). In der zweiten Strophe intensiviert er seine Gefühle, indem er versichert, dass er auch in „schlechten“ Zeiten zu ihr hält. Die Hindernisse die Dach für Ännchen überwinden würde, schildert er in der dritten Strophe und bekundet, dass seine Gefühle dadurch nur stärker werden. In der letzen Strophe bezieht der Autor die Natur mit ein und berichtet, wohin er Anna überall folgen würde. Zudem verdeutlicht er, dass seine Liebe über das Irdische hinausgeht.
Das Volkslied beinhaltet vier Strophen mit jeweils sechs Versen. Der metrische Bau weist auf einen für Volkslieder häufig verwendeten Daktylus hin. Der Paarreim, der in diesem Gedicht verwendete wurde, unterstützt das Metrum1 zusätzlich und unterstützt den Volksliedcharakter.
Die Verse sind durch den Paarreim eng miteinander verbunden, außerdem lässt sich von der ersten über die zweite Strophe bis hin zur vierten Strophe deutlich eine Klimax2 erkennen.
Auffällig ist der Refrain der am Ende jeder Strophe auftaucht, dieser fasst inhaltlich die erste bis zweite Strophe zusammen. Nur in der letzen Strophe ist der Refrain abgewandelt, dieser dient als ein Fazit und fast das gesamte Gedicht zusammen.
Betrachtet man zu Beginn des Volkslieds den vom Verfasser gewählten Titel „Ännchen von Tharau“, so ist festzustellen, dass durch die Verniedlichung „Ännchen – Anna“ eine persönliche Beziehung zum Autor vermutet werden kann. Ännchen ist vermutlich nicht die einzige Anne in der Gegend von Tharau, da der Name Anna damals sehr gebräuchlich war, jedoch gefällt gerade diese eine Anna dem Verfasser.
Der Dichter formuliert den Titel also so, dass es nur diese eine Anne für ihn in Tharau gibt. Daraus lässt sich schließen, dass Ännchen eine starke Ausstrahlung hatte, die den Autor inspirierte, sie ist hier wohl seine Muse.
Schon in der ersten Zeile bekennt sich der Autor zu seiner „Auserwählten“ (Z.1 „ist´s die mir gefällt“), dies wird in der zweiten Zeile durch die Äußerung „Sie ist mein Leben, mein Gut und mein Geld.“ noch verdeutlicht. Es ist davon auszugehen, dass der Autor zuvor schon mal eine Liebesbeziehung zu Ännchen gehabt haben muss, denn in Zeile drei/vier spricht er davon: „Ännchen von Tharau hat wieder ihr Herz Auf mich gerichtet“.
Der Refrain wird am Ende jeder Strophe wiederholt „Ännchen von Tharau, mein Reichtum, mein Gut, Du meine Seele, mein Fleisch und mein Blut.“ Der Ausdruck „du meine Seele“ weist auf den physischen Aspekt hin, denn der Körper des Menschen ist der Sitz der Seele, daher erklärt sich die Formulierung „mein Fleisch und mein Blut“.
In der zweiten Strophe findet man eine für den Barock typische Kumulation „Krankheit, Verfolgung, Betrübnis und Pein“(Z.9). Diese Substantive beschreiben unangenehme und trostlose Situationen, der Verfasser bringt mit Hilfe dieser Substantive zum Ausdruck, dass er all diese Hindernisse für sein Ännchen überwinden würde, also auch in „schlechten“ Zeiten für sie da wäre. In Zeile 10 verbildlicht der Autor mit dem von ihm erfundenen Wort
( Neologismus3) „ Verknotigung“ ,die verbundene Tiefe seiner Liebe zu Ännchen. Das Wort „Verknotigkung“ verdeutlicht sehr gut die wahre Liebe zu Anna, denn wenn man das Wort hört, sieht man vor seinem inneren Auge einen festgezogenen Knoten, der sich nicht mehr lösen lässt. Also so auch die Liebe des Autors zu Anna.
In der dritten Strophe greift der Verfasser nochmals den Gedanken der zweiten Strophe auf, dass all das Schlechte, was sie erlebe, sie und ihn nicht auseinander bringt, sondern nur noch enger zusammen führt, so auch wieder der Bezug zum Wort „Verknotigung“, ein Symbol für ein Seil, dass sie auf ewig miteinander verbindet.
Indem der Autor die Worte „Kreuz“ und „leiden“(Z.16) in Zusammenhang mit der Liebe gebraucht, verwendet der das Bild der Liebe Christi zu uns Menschen: Die Liebe von Christus zu den Menschen ist so groß, dass er das Leiden auf sich genommen hat und sich am Kreuz hinrichten ließ, um die Menschen von ihrem Leid zu erlösen. So ist die religiöse Vorstellung vom „Kreuz“, auf den Verfasser bezogen im übertragenen Sinne so: Er vergleicht die Intensität seiner Liebe zu Ännchen mit der umfassenden Liebe Christi zu allen Menschen. Dabei will sich der Autor sicherlich nicht mit Christus vergleichen, aber er empfindet wohl einen tiefen Schmerz, der ihn an diese Liebe erinnert. Hinzu kommt, dass Ännchen einen Pastor in der Kirche heiratet, der zugleich in gewisser Weise ein Repräsentant von Christus ist. So lässt sich die Symbolik des Kreuzes in Verbundenheit mit dem Leid erklären.
In der letzten Strophe thematisiert der Verfasser, was passieren würde, wenn er doch einmal von Ännchen getrennt wäre, er würde dem Drang ihr zu folgen nachgehen (Z.21 „Ich will dir folgen, durch Wälder, durch Meer, Durch Eis, durch Eisen, durch feindliches Heer“) .Die erste Zeile der Strophe könnten auch als Überschrift für diese Strophe verwendet werden.
„Lebtest da, wo man die Sonne kaum kennt“ ( Z.20) könnte als eine Metapher4 für das Jenseits stehen, denn da wo kein Licht ist beziehungsweise kaum Licht, ist Irdisches Leben sehr schwierig. Das Licht symbolisiert die Wärme und das Leben, steht somit im Kontrast zum Tod.
Auch in dieser Strophe drückt Dach seine tiefe Zuneigung zu Ännchen mithilfe einer weiteren Kumulation in Zeile 22 „Durch Eis, durch Eisen, durch feindliches Heer.“ aus. Eisen, ein sehr hartes Metall, verbildlicht hier wieder seine starke Liebe und das „feindliche Heer“ die Aussage, dass er sich durch nichts aufhalten lässt.
Das Besondere an dieser Strophe ist der veränderte Refrain, dieser lautet nun: „Ännchen von Tharau, mein' Sonne, mein Schein, Mein Leben schließ' ich in deines hinein.“ Die Sonnen stellt hier wieder das Symbol für Leben und Wärme da. Der Vers: Mein Leben schließ' ich in deines hinein“ gibt dem Leser einen gewissen Einblick in den Charakters des Autors, denn seine Liebe zu Ännchen scheint so groß zu sein, dass er seine eigene Identität hergibt und somit der Untergebene in der Beziehung ist. Das lässt draus schließen, dass seine Gefühle gegenüber Ännchen stärker sind als ihre, beziehungsweise, dass er welche hat, sie aber keine.
Der Verfasser begann mit dem Wort „Mein Leben“ das erst mal in Vers 2, das letzte Mal verwendet er es im letzten Vers, somit bilden diese einen Rahmen um das Gedicht.
Zusammenfassend ist zu sagen, dass das Gedicht während des 30-jährigen Krieges geschrieben wurde. Daher ist es sehr bewundernswert, dass ein Mensch in solchen Zeiten noch an der Liebe festhalten kann. Hinzu ist zu erwähnen, dass die Gefühle des Autors, die er für Anna empfindet, nicht erwidert werden. Das geht aus dem Kontext hervor, denn in diesem wird erwähnt, dass Anna gerade einen Pastor in einer Kirche heiratet.