Inhaltsangabe, Analyse und Interpretation
Das „Sonett vom Gebet des George W. Bush zu seinem Gott“ von Robert Gernhardt kommentiert die Geschehnisse zwischen dem USA und dem Irak Anfang März 2003, kurz bevor dem Irak-Krieg. Kritisiert wird die kriegsverherrlichende Haltung der USA, bzw. des Präsidenten George W. Bush, indem das lyrische ich, also George W. Bush, eine absurd wirkende Position gegen Frieden und für Krieg um jeden Preis einnimmt. Sprachlich wird die Absurdität der Position durch den dringlichen, wirren Ton unterstützt und durch die gebetstypische Sprache sowie die für den Barock typische Form des Sonetts wird die Haltung gegen den Frieden kontrastiert und als abwegig dargestellt.
Auf der inhaltlichen Ebene geht es um ein Gebet des George W. Bush zu Gott. Der Irak vernichtet seine Waffen, also den Kriegsvorwand der USA, obwohl Gott auch Krieg gegen den Irak wolle. Dies würde nun zu Frieden führen, der aber das ganze System der USA aufhalte: Waffen würden nicht mehr genutzt, die Anführer im Krieg hätten nichts mehr zu tun und könnten den Rest der Welt nicht mehr täuschen. Die bisherige Kriegspolitik wirke dann lächerlich. Das lyrische Ich bitte Gott deshalb um einen unvermeidlichen Krieg, da es selbst der Kriegsgott sei, also Krieg haben müsse.
Wie ein typisches Sonett besteht das Gedicht aus zwei mal vier und zwei mal drei Versen, dem Auf- und Abgesang, also vier Strophen mit insgesamt vierzehn Versen. Das Reimschema (abba abba cde edc) ist eine Variation des typischen Reimschemas eines Sonetts und nur in Vers zwei und drei ist der Reim unrein. Bis auf die beiden Ausrufe in V. 1 und V. 11, bei denen verschiedene Betonungen möglich sind, ist das Metrum1 ein fünfhebiger Jambus. Auffällig sind zudem die beiden erwähnten Ausrufe und die Großschreibung aller Personalpronomina2 für Gott sowie des Personalpronomens „mich“ in V. 14. Die ziemlich regelmäßige Form mit ihren für Gebete typischen Elementen wie den Anreden in Großbuchstaben passt also zum Rahmen des Gedichtes, dem Gebet, und unterstützt so den religiösen Schein, der die inhaltliche Aussage kontrastiert.
Zur Wortwahl fällt, neben der gebetstypischen Anrede „O Lord“ in V. 1 und V. 11, das Wort, bzw. das Wortfeld „Frieden“ (V. 4, 9 und 10) auf, der nicht, wie üblich, positiv bewertet wird, sondern negativ. Die Begriffe „Krieg“ und „Frieden“ sind hier im Vergleich zur Bibel in ihrer Bewertung genau verdreht worden, was beim Leser zur Ablehnung der absurd wirkenden Argumentation führt. Zur Distanzierung von der Position des lyrischen Ichs dient auch der Titel, in dem klar von „seinem Gott“, also Bushs Vorstellung von Gott, und nicht einfach von Gott die Rede ist. Außerdem wird dadurch, dass das lyrische Ich den Irak als „Bastard“ (V. 1) bezeichnet, die emotionale und nicht rationale Herangehensweise des lyrischen Ichs deutlich, wenn es den Krieg beschwört. Der Gegensatz „Krieg gegen Frieden“ setzt sich auch in der Allegorie3 der Friedenstaube und der des Falken (vgl. V. 9) fort und in der Bitte, dem Krieg metaphorisch das „letzte Schlupfloch zu verkitten“ (V. 12) wird deutlich, dass Bush unbedingt und ohne vernünftigen Grund Krieg führen will. Dies zeigt sich auch in der letzten Strophe, in der sich Bush auf die Ebene Gottes und gegen den „Weich-Gott“ (V. 13) stellt, indem nun auch das Personalpronomen „mich“ (V. 14) großgeschrieben wird und indem er sich als „Gott des Schlachtens“ (V. 14) bezeichnet. Diese Hyperbel4 verstärkt die unzurechnungsfähige und verrückte Wirkung des lyrischen Ichs.
Auf der Satzebene gibt es von V. 5 bis V. 8 einen Parallelismus („die besten unsrer Waffen“… „die schlausten unsrer Köpfe“) mit zwei Superlativen. Dies drückt die scheinbare Dringlichkeit des Krieges aus. Außerdem sind alle Strophen durch Enjambements5 verbunden, es gibt also keine längeren Pausen, sowohl beim Lesen als auch in der Argumentation, was einmal den dringlichen Ton und den wirren Charakter des Gedankengangs unterstützt und außerdem keinen Platz für Gegenargumente lässt. Der dringliche Aspekt wird zudem durch die Wiederholung des Präfixes „ver-“ bei jedem Verb am Ende eines Verses unterstützt, da der Ton dadurch künstlich und gewollt klingt und ein größerer Nachdruck entsteht.
Die Position des lyrischen Ichs, bei dem es sich, wie aus dem Titel hervorgeht, um George W. Bush handelt, ist erkennbar: Nach der Vernichtung der irakischen Waffen betet Bush zu Gott um ihn um einen Vorwand für Krieg zu bitten, aber auch um ihm zu drohen. Er ist aufgebracht und entschlossen und wirkt wegen seiner Argumentation auch fanatisch. Seine Meinung ist, dass es um jeden Preis Krieg geben müsse.
Zusammenfassend enthält das Gedicht eine klare Kritik des Autors an der Haltung der USA, speziell George W. Bushs, im Konflikt mit dem Irak und reiht sich so in seine Reihe Kriegs- und USA-kritischer Sonette6 zum Irak-Krieg. Durch den Kontrast zwischen dem, was man von einem Gebet erwartet, und dem tatsächlichen Inhalt, nämlich einer den Frieden aktiv ablehnender Haltung, entsteht Komik und George W. Bush wird als fanatischer Kriegstreiber gezeichnet, der Krieg nur um des Krieges Willen führt. Es wird Kritik an der Legitimierung des Krieges durch Gott geübt.
Insgesamt sorgt also vor allem die abwegige Haltung, den Frieden zu verteufeln, in Kombination mit dem Rahmen des Gebets auf sprachlicher und formeller Ebene, da ein Gebet den Frieden ja typischerweise verherrlicht, sowie der dringliche, überstürzte und somit die Absurdität der Argumentation unterstützende Ton für eine negative Bewertung der Haltung von George W. Bush und folglich für Kritik an der kriegsverherrlichenden Einstellung der USA.