Inhaltsangabe, Analyse und Interpretation
Bei dem Gedicht „Neue Liebe, Neues Leben“, welches 1775 von Johann Wolfgang von Goethe in Düsseldorf verfasst wurde, handelt es sich um Liebeslyrik. Es wurde zu Zeiten des Sturm und Drang geschrieben und lässt sich auch aufgrund der epochentypischen Merkmale - wie dem Leitspruch emotio statt ratio, welcher aussagt, dass die Gefühle über den Verstand zu stellen sind - zu dieser zuordnen. Das Gedicht handelt von dem lyrische Ich, das im Gedicht gegen den eigenen Willen eine neue große Liebe findet, die es an sich bindet. Die Aussage des Gedichtes ist, dass Liebe magisch ist und man sich ihr somit nicht entziehen kann, im Folgenden werde ich diese Hypothese überprüfen und erläutern.
Das vorliegende Schriftwerk ist in drei Strophen unterteilt, die jeweils aus acht Versen bestehen. Als Versmaß ist ein vierhebiger Trochäus festzustellen. In den Einzelnen Stopfen findet man in den ersten vier Versen einen Kreuzreim, darauf Folgen vier Verse mit einem Paarreim (ababccdd). Die Kadenzen1 verlaufen parallel zu dem Reimschema: die erste Kadenz ist weiblich darauf folgt eine männliche. Die Kadenzen verlaufen während des Gedichts regelmäßig (wmwmwwmm).
Es sind im Gedicht zwei Sinnabschnitte zu erkennen. Der erste Sinnabschnitt besteht aus der ersten Strophe, in der das lyrische Ich, welches zu seinem Herzen spricht, beklagt, dass es durch den Gefühlsumbruch verändert sei. In den letzten beiden Strophen, wird von dem lyrischen Ich beschrieben wie ihn die neue Liebe fesselt und wie es von ihr in einen Bann gezogen wird, sodass es sich nicht wehren kann.
Bereits im Titel des lyrischen Werkes „Neue Liebe, Neues Leben“ ist eine Alliteration2 mit zwei Wortverwandten Nomen zu finden. Dadurch wird der starke Zusammenhang zwischen dem Leben und der Liebe hervorgehoben und die Bedeutung der Gefühle betont. Die Sicht auf das eigene Leben ist stark romantisiert dargestellt: Sobald man sich neu verliebt ist das „alte Leben“ abgeschlossen und ein neues fängt an. Zudem wird dem Leser durch den Titel schnell deutlich, dass es in dem Text von einer neu gefundene Liebe erzählt.
Die erste Strophe beginnt mit einer direkten Ansprache des lyrischen Ichs an sein Herz „Herz, mein Herz“ (I/1). Hierbei steht sein Herz viel mehr für seinen Verstand und seine Gefühle. Im Folgenden wird an das Herz eine Frage gerichtet. Durch dieses Gespräch mit dem Herz wirkt es personalisiert, allerdings bleibt das Gedicht ein Monolog. An Fragen wie „Was bedrängt dich so sehr?“ (I/2) und „wie kamst du mir dazu?“ (I/8) erkennt man Verzweiflung und die traurige Stimmung, die auch Verben und Adjektive wie „fremdes neues“ , „weg“ und „betrübt“ (I/3-7) vermitteln. Diese Stimmung deutet auf den Unmut des lyrischen Ichs bei der Realisierung des Verliebtseins hin. Durch den Ausdruck „fremd“ (vgl. I/3) erkennt der Leser, dass im Gedicht ein Zustand beschrieben wird, welcher in seiner Individualität dem lyrischen Ich vorher noch nicht bekannt war.
Im zweiten Sinnabschnitt liegt der Fokus mehr auf den Widerstand, der gegen die neue Liebe gerichtet ist. „Feßelt dich die Jugendblüte“ (II/1) umschreibt mit dem Bild der Fesseln die Eindringlichkeit der Liebe bzw. den Bann, den das lyrische Ich empfindet, denn es fühlt sich durch die Liebe als wenn es gefesselt wäre, es also keine Macht über das aktuelle Geschehen hat, es ist quasi durch diese Liebe machtlos. In den ernsten Versen der zweite Strophe wird ein Mädchen durch Umschreibungen dargestellt. Die Metapher3 „Jugendblüte“ (II/1) kann hierbei für ein junges, hübsches Mädchen stehen. Daran, dass das lyrische Ich von „unendlicher Gewalt“ (II/4) spricht, wird deutlich, dass die Liebe eine sehr starke Wirkung hat, der das lyrische Ich nicht entkommen kann „Ach! Mein Weg zu ihr zurück“ (II/8).
In der letzten Strophe wird nun klar, dass es bei der Liebe um ein junges Mädchen handelt. Mit dem „Zauberfädchen“ als Symbol für eine starke Anziehung zu einer Person, lässt der Autor den Zwang des lyrischen Ichs noch stärker und sogar magisch wirken. Das Wort „Zauber“ wird in dem fünften Vers der dritten Strophe in „Zauberkreise“ wieder aufgegriffen.
Durch „Muß in ihrem Zauberkreise“ (III/5) und „Hätt das liebe lose Mädchen mich […] fest“ (III/3-4) wird vermittelt, dass diese Liebe doch erwünscht ist, trotz Zwanges. Die letzten beiden Verse sind an die Liebe selbst gerichtet. Durch die Emphase des Wortes „Liebe“ (III/8) wird nochmals betont, wie stark diese ist. Zudem wird von einer „Verwandlung“ (III/7) geschrieben. Sie macht deutlich, dass es ein großer emotionaler Unterschied ist zwischen dem Verliebt sein und dem unverliebten Zustand.
Zusammenfassend kann man sagen, dass Liebe in Goethes Gedicht als übermächtige Kraft dargestellt wird und somit magisch für den verliebten Betroffenen ist. Durch diversen Stilmittel wird diese entmachtende wirkende Kraft verdeutlicht. Mit den Fragen, die zwar an das Herz gerichtet sind, wird aber auch der Leser des Gedichtes angesprochen und somit animiert sich selbst Gedanken über die Liebe und ihre Kräfte zu machen. Dabei bleibt es offen, ob jeder die Liebe als Magie empfindet oder ob das individuell bleibt.
Durch die direkten Anreden und Fragen, die sich über das gesamte Gedicht ziehen fühlt sich der Leser so, als wäre er direkt im Geschehen eingebunden. Die vielen Umschreibungen verbildlichen Gefühle und Eindrücke, die den Leser während des kurzen Moments des Lesens durchströmen. Somit gelingt es dem Autor Johann Wolfgang von Goethe, dass sein Werk einem noch lange nach dem Lesen durch den Kopf geht.