Inhaltsangabe, Analyse und Interpretation
Das Gedicht „Das Landleben“ von Ludwig Christoph Heinrich Hölty stammt aus dem Jahre 1775, welches sehr von der sogenannten Epoche des Sturms und Drangs geprägt war. Die Hauptaussage, welche Hölty hier verdeutlichen möchte, ist, dass sich Gott in der Natur widerspiegelt und man dem Gottvater am ehesten in der Natur begegnen kann.
Das Gedicht ist in der Form einer asklepiadeischen Odenstrophe geschrieben, welche sich durch die gesamten neun Strophen zieht. Jede Strophe wird durch zwei Asklepiadeen (Zwölfsilber) eröffnet die metrisch übereinstimmen und einen Hebungsprall in der Mitte beinhalten, gefolgt von einem Pherekrateus (Siebensilber) und einem Glykoneus (Achtsilber), der im Gegensatz zum Pherekrateus eine weitere Hebung am Ende innehat und dadurch die Strophe abschließt. Auffällig hierbei ist, dass jeweils die Asklepiadeen und der Glykoneus mit einer männlichen Kadenz1 enden, der Pherekrateus hingegen mit einer weiblichen.
Auffallend sind die typischen Merkmale des Sturms und Drangs, die in dieser Ode verwendet werden. Die beschwingte Darstellung der Natur ist typisch für eine Ode, da diese häufig eine feierliche Grundstimmung innehaben und auch die Lobpreisung der Natur, die das Ursprüngliche und Göttliche impliziert, ist eine markante Eigenschaft. Zudem sticht eine Parallelität zwischen dem im Gedicht beschriebenen Mann und dem damals sogenannten „Kraftkerl“, der sein Handeln genau überdenkt und als Selbsthelfer bezeichnet wurde, hervor. Auch der im Gedicht auftretende Mann ist als Selbsthelfer zu bezeichnen, da er aus eigenem Antrieb die Stadt verließ, um Gott und der Natur in unmittelbarer Nähe zu sein. Des Weiteren verwendet Hölty viele Worte aus dem Bereich der Natur und Religion, beispielsweise für die Natur: „Baum“, „Bach“, „Rasen“, „Nachtigall“, „Frühroth“ und für die Religion: „Predigt“, „Tempel“, „Gott“, „Altar“, „Engel“. Diese Wortgruppen sind ein Indiz für die Hauptaussage des Textes.
Die erste Strophe beleuchtet die Vergangenheit des „fliehenden Mannes“, welcher anscheinend mit seinem bisherigen Leben unzufrieden war und folglich in die Freiheit der Natur floh, welche hier personifiziert dargestellt wird. Die Natur lehrt den Menschen Weisheit und Gutes. Dies steht auch im Kontext zu den Lehren Gottes.
Strophe Zwei verdeutlicht die Nähe Gottes in der Natur und das Sträucher und Gräser als Tempel Gottes zu verstehen sind. Es wird auch offenbar, dass der geflohene Mann die Natur als direkte Verbindung zu Gott nutzt („...wo er vor dem Erhabenen kniet.“)
Der Verfasser nutzt die dritte, vierte und fünfte Strophe zur Verbildlichung der friedlichen und prächtigen Natur. Er schildert den Tagesablauf des Mannes, in dem die Natur durchgehend eine wichtige Rolle spielt. Auch wird hier wieder seine Bewunderung der Natur veranschaulicht und dass er in dieser Gott sehe und spüre („Dann bewundert er dich, Gott…“). Wie klein auch die Wunder des Naturreichs erscheinen, sieht er immer aufs Neue das Werk Gottes in ihnen.
In der folgenden Strophe Sechs wird ein Gegensatz erörtert zwischen der Natur und der Stadt. Hierbei wird betont, dass dem „Kraftkerl“ ein Haus mit dem Dach voller verspielter Tauben einladender wirkt, als ein Goldsaal oder ein bequemes Polster in der Stadt. Diese Ausführung soll darauf aufmerksam machen, dass er sich nun endgültig von dem Stadtleben getrennt hat und die Vorzüge der Natur genießt.
Anschließend an diese Strophe folgt ein Abschnitt, indem der Mann eine Einheit mit der Natur bildet; verdeutlicht durch die Tauben, die ihm aus der Hand fressen. Es wird hier ein Bild dargelegt der totalen Vollkommenheit und es herrschen Zustände wie im Paradies.
Die achte Strophe des Gedichts allerdings steht im Kontrast zum bisherigen Verlauf, der nur von Glückseligkeit bezeugt. In diesem Abschnitt werden erstmals die Ängste des Mannes veranschaulicht, der nun einsam und verlassen wirkt, als er durch die Gräber des Dorfes schreitet. Auf den ersten Blick fehlt hier die übliche Verbindung zu Gottes Nähe und der Natur, allerdings tritt diese bei längerer Betrachtung auch hier wieder in Erscheinung.
Der Tod ist ein natürlicher Vorgang im Ablauf eines Lebens und steht am Ende einer jeden Existenz. Das Lebensende, der Zerfall eines Lebewesens, verkörpert die Natur genauso stark, wie die fliegenden Tauben oder die grünen Gräser.
Und auch die Nähe zu Gott steht in dieser Strophe im Hintergrund, da, nach Auffassung des Christentums, die Seele in Gottes Reich einfährt, nachdem das körperliche Leben auf der Erde zu Ende gegangen ist. Erneut steht hier die Natur in direkter Verbindung zu Gottes Nähe.
Abschließend beginnt die letzte Strophe mit dem Satz, mit dem auch das Gedicht begonnen hatte und es wird ein Blick auf die Geburt des Mannes geworfen, die, so wie es den Anschein hat, von Anfang an unter dem besonderen Segen Gottes stand. Das Leben dieses Mannes schien vorherbestimmt und wieder wird die Nähe Gottes deutlich, welche von Anfang an Bestand hatte und durch die Engel ausgedrückt wird.
Zusammenfassend lässt sich fest machen, dass dies ein typisches Gedicht aus der Epoche des Sturms und Drangs ist, da es von einem „Selbsthelfer“ handelt und auch die Natur und das Göttliche eine tragende Rolle spielen.
Durch diese sorgfältige Analyse lässt sich heraus kristallisieren, dass im Vordergrund des Gedichts die Verbindung zwischen der Natur und Gott steht. In Anbetracht der damaligen Epoche mit ihren Umständen und Merkmalen, erscheint dieser Schluss sinnig.