1. Bild: L'évadé - Der Ausbrecher / Der Entflohene / Augenfisch (1926)
Autor/in: Max ErnstEpoche: Surrealismus
Das Rad des Lichts (Das visionäre Auge) auf Staatsgalerie.de öffnen
Inhaltsangabe, Analyse und Interpretation
Aufgabe: Zwei Frottagen aus der Serie der „Histoire naturelle“ von Max Ernst aussuchen, analysieren und vergleichen.
Frottage #1: L'évadé (Der Ausbrecher) [Blatt 30]
Frottage #2: Visionäres Auge [Blatt 29]
Die Grafikserie „Histoire naturelle“ wurde 1926 fotomechanisch im Lichtdruck veröffentlicht und vervielfältigt. Bestehend aus 34 Frottagen ist dies die erste umfangreiche Folge von Frottagen von Max Ernst.
Im August 1925 hat sich der Künstler von Furchen der Fußbodendielen eines Hotelzimmers am Atlantik inspirieren lassen. Ernsts Werke kamen so mithilfe von verschiedenen Materialien zustande. Mit einem Bleistift wurde Papier auf Oberflächen wie Holz, Blätter oder Brot abgerieben. Hinzugefügte Details verwandelten die Texturen in fantastische Landschaften und Kreaturen, sodass der Betrachter in eine geheimnisvolle Welt von seltsamen Pflanzen und wundersamen Tieren eingeführt wurde. Seine Frottage-Serie gilt insgesamt als ein Hauptwerk des Surrealismus und als ein Paradebeispiel für das surrealistische Prinzip des Automatismus. Hierbei versucht der Künstler, sich vom Unbewussten leiten zu lassen, sodass zufällige und formale Vieldeutigkeit entsteht. Dank jener Technik weckt Ernst traumhafte und neuartige Assoziationen, die rätselhaft und unwirklich wirken mögen.
In der Serie der „Histoire naturelle“ werden wundersame Tiere, Pflanzen und Objekte gezeigt. Die Frottagen wurden mittels Bleistifts in unterschiedlichen Grautönen erstellt, wobei abstrakte Proportionen, Kompositionen und Motive wiederzufinden sind. Auffällig sind ebenfalls die detaillierten Strukturen sowie Oberflächen von Alltagsgegenständen, sei es Holz, Gitter, zerknülltes Papier oder Blätter.
Zwei der vierunddreißig Frottagen gilt es nun näher zu beschreiben. Bei dem ersten Werk handelt es sich um das Blatt 30 „L'évadé“ (Der Ausbrecher), das ein großäugigen Fisch darstellt. Das Tier hat eine ovale und gleichzeitig recht krumme Form, wobei die Fischhaut mit punktierten und netzartigen Mustern durchzogen ist. Ausgehend von einem kleinen weit ausgespreizten Schwanz rechts ziehen sich zwei Linien zum Mitte des Körpers, wo sich eine winzige Flosse und das obere Augenlid befinden. Weiter links erkennt man den Kopf des Fisches. Ein großes Auge schaut gerade aus. Die Pupille ist klein und schwarz, die Iris groß und von schwarzen Linien durchzogen. Ein dreieckiger Lichtschein schneidet die Pupille ein und kurze Wimpern umranden die Ober- und Unterlidbindehaut des Auges. Beide Bindehäute werden links zusammengeführt, sodass ein kleiner Schnabel entsteht. Auf der anderen Seite des Auges sieht man wiederrum ein graues Dreieck, das die Bindehaut darstellt. Eine weiße Fläche befindet sich zudem rechts vom Auge und ein Loch auf dem Rücken links. Im Hintergrund sieht man eine weiß-graue Fläche und unten einen gitterförmigen Boden.
Das zweite Werk ist das Blatt 29, welches das visionäre Auge darstellt, das sich auf einem grauen, punktierten Fetzen Haut befindet. Wie ein ordinäres Auge ist dieses hier auch aus einem Ober- und Unterlid, Augapfel, Iris, Pupille, Tränenwärzchen und Bindehaut aufgebaut. Auffällig ist jedoch, dass den Augapfel das Muster eines Blattes durchzieht und dass die Wimpern länger und gerader sind als normalerweise. Die Pupille ist im Vergleich zur Iris winzig und von einem kleinen Lichtschein durchquert. Bei der Iris handelt es sich wiederum um eine große, runde Fläche bestehend aus mehreren Linien. Unten befindet sich ein Boden im Muster eines löchrigen Gitters. Der Hintergrund ist im eintönigen Weiß-Grau gestaltet.
In den Frottagen von Bild 29 und Bild 30 wurden vielfältige Strukturen von Oberflächen genutzt, die Texturen wie Drahtgitter, raue Wände und Blätter einbeziehen. Damit lassen die Werke großen Interpretationsspielraum zu, wecken individuelle Assoziationen und ermöglichen subjektive Deutungen. Nachdem das dargestellten Menschen- und Fischauge zunächst fremd und ungewohnt erscheint, lassen sie sich wohl treffender mit den Worten innovativ, irreal und abstrakt beschreiben. Diese Adjektive passen insgesamt zum Charakter der Frottagen, da Ernst als Vertreter des Dadaismus eine absolute Freiheit der Kunst postuliert, sodass stets visuell sehr angeregt gearbeitet wurde. Daraus lässt sich schließen, dass innerhalb der Frottagen primär mit Darstellungen und Kompositionen gespielt wird, was im Verlauf der Analyse näher betrachtet wird. Die zwei Werke zeigen dabei den gelenkten, kontrollierten Automatismus. Im Sinne der Epoche des Expressionismus dominiert hier vor allem eine andersdenkende Mentalität, die Altes abschafft und Neues erschafft. Es geht nicht länger darum, ästhetische, logische oder moralische Bedeutungen zu finden. Stattdessen wird ein gewisser Wirklichkeitsverlust betont, der sich in Ernsts Ausdruckskunst äußert. Der Künstler beschrieb seine Zeichnungen als eine „unerträgliche visuelle Heimsuchung“, die ihn aufgrund der „plötzlichen Intensivierung [seiner] visionären Fähigkeiten und die halluzinatorische Abfolge“ überraschten. Damit lässt sich der Ausgangspunkt seiner Frottagen insgesamt zusammenfassen. In ihnen wirken das Tatsächliche und das Unbewusste entfremdet, denn bekannte wie deformierte Gestalten sind aus einer Traumwelt entsprungen, was die Grenzen zwischen Tieren und Menschen aufhebt. Ihre Willkürlichkeit und scheinbare Zusammenhanglosigkeit regen den Betrachter zum Nachdenken, Hinterfragen und Reflektieren an. Damit übernehmen sie die Rolle des optischen Provokateurs und sind eine Mischung aus Mystifikation und Wahrheit. Ernsts dominierende Botschaft ist damit, eine Lösung des scheinbaren Widerspruchs zwischen Traum und Wirklichkeit in der Surrealität zu finden.
Zur Art der Entstehung beider Frottagen lässt sich sagen, dass die typische Technik des Verfahrens verwendet wurde. Demnach wurde mit Bleistift und „alltäglichen“ Oberflächen gearbeitet. Wiederkehrende Oberflächen sind hierbei vor allem Gitterformen als Boden, löchriges bzw. gepunktetes Material als Augenlid oder Fischhaut, linienartiges Material als Iris sowie gezeichnete Elemente wie Wimpern.
Neben diesen Gemeinsamkeiten findet man in der Oberflächengestaltung beider Werke ebenfalls Unterschiede. Zum einen wurde im Bild 29 als weiteres Material ein Blatt für den Augapfel genutzt. Abgesehen davon, dass der gesamte Augapfel die Form eines Blattes damit verkörpert, stellen die Blattadern dabei Blutgefäße des Auges dar. Damit überschneiden sich die Welt der Pflanzen und der Menschen, was für Irritation und Entfremdung seitens der Beobachter sorgt. Die Regenbogenhaut wurde durch teils unregelmäßige Linienabschnitte erstellt, die hierbei die verschiedenfarbige Pigmentierungsabschnitte in der Iris darstellen. Diese Unperfektion lässt das Auge insgesamt menschlicher wirken. Die Wimpern sind analog dazu ebenfalls recht ungleich und unregelmäßig. Im Blatt 30 wurde wiederrum eine regelmäßige Abfolge ausgesucht – sowohl in der Iris als auch bei den Wimpern, was das Auge insgesamt künstlich und animalisch darstellt. Das passt infolgedessen zu der dargestellten Abstraktion und Unwirklichkeit, die im Bild ausgestrahlt wird. Anders als im Blatt 29 findet man im Blatt 30 eine weiße, unbemalte Fläche nebst dem Fischauge. Diese anscheinende Zusammenhanglosigkeit zwischen Bemalten und Unbemalten dient hierbei als optischer Provokateur. Wieso hat der Künstler jene Fläche ausgelassen? Womöglich intendierte er damit, das starrende Fischauge durch den Schwarz-Weiß-Kontrast besonders hervorzuheben. Die wichtige Bedeutung des Auges wird dabei akzentuiert, welche es im Folgenden noch zu klären gilt.
Auffällig ist, dass Ernst beide Pupillen im Verhältnis zur Iris klein zeichnete und einen Lichtschein einbaute. Damit schafft der Zeichner eine Entfremdung, da es nämlich untypisch ist, dass Pupillen dermaßen winzig sind. Davon abgesehen, ist die Pupille natürlicherweise eng, wenn wir etwas in der Nähe fixieren, wenn es sehr hell ist oder wenn man sich in einem Zustand der Angst befindet. Einerseits hieße das, dass die Augen damit den Betrachter fixieren. In diesem Sinne werden die Frottagen selber zum Beobachter, sodass sich die Rollen des Betrachters und des Betrachteten überschneiden. Man fragt sich: Wer betrachtet demnach wen? Nicht zu vergessen ist dabei, dass beide Augen direkt nach vorne schauen, was das Gefühl, observiert zu werden, verstärkt. Mit dem Hintergrund, dass sich Pupillen bei Angstsituationen verengen, entsteht zudem eine Atmosphäre, die widersprüchlich scheint. Man empfindet eine Unruhe bzw. eine Assoziation mit Angst und Gefahr, obgleich sich sowohl das Menschen- als auch das Fischauge in vollkommener Ruhebefinden. Das Gefühl von Achtsamkeit und Unsicherheit wird zusätzlich von den furchteinflößend heftigen Blutgefäßen im Bild 29 untermalt.
Diese unruhige Entfremdung, entstanden durch das beobachtende Auge, bestimmt damit auch die Komposition. Die künstlerische Anordnung und das Arrangement sind willkürlich und ziellos. Damit wird die gewünschte Wirkung, das Wundern des Beobachters, erreicht. Die dabei dargestellten Augen sind im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, womit zunehmend Achtung auf das wundersame Objekt gerichtet wird. Auffällig bei der Komposition ist außerdem, dass der Fisch in voller Gänze gezeigt wird, wobei es im zweiten Bild nur einen Ausschnitt eines Auges gibt. Kritisch betrachtet könnte diese Verschiedenheit darauf hindeuten, dass Ernst sich bewusst war, dass man einen Menschen lediglich am menschlichen Auge erkennen kann. Gleiches gilt jedoch nicht für den Fisch. Gäbe es nur einen Ausschnitt des dargestellten Fischauges, so könnte es sich um ein beliebiges Tier handeln, dem das Auge angehöre. Es gibt also eine starke Diskrepanz1 zwischen dem Menschlichen und dem Animalischen.
Was die Darstellung von Richtungslinien angeht, so kann man feststellen, dass mit Parallelität und Überkreuzungen gearbeitet wird. In Bild 30 erkennt man, dass zwei waagerechte Linien zu finden sind – zum einen am Gitterboden und zum anderen an der den Fisch schneidenden Linie (vom linken Schnabel zum rechten Schwanz). Infolgedessen entsteht eine Parallelität. In Bild 29 ist zu sehen, dass das Auge entlang der waage- und senkrechten Symmetrielinien von rechts nach links und von oben nach unten längs des Augapfels überkreuzt wird. Die Pupille ist dabei der Schneidepunkt beider Richtungslinien. Diese Ambivalenz und Richtungsverschiedenheit (Parallelität vs. Überkreuzungen) führen darauf zurück, dass eine Akzentuierung zwischen Mensch und Tier vorgenommen wird. Die Parallelität des Fisches könnte auf die Ausgeglichenheit und stabile Harmonie der Tiere schließen. Die Überschneidung am Menschenauge bzw. der Schnittpunkt an der Pupille könne dabei als zentrierter Selbstfokus zu interpretieren sein. Nun kann man aber die Überschneidung am Menschenauge ebenfalls an die des Fischauges anwenden. Damit wird deutlich, dass Ernst die Grenzen zwischen Mensch und Tier aufhebt. In einer bildhaften Weise kann dies analog für die Grenzaufhebung zwischen Traum und Wirklichkeit stehen. Dies hieße: im Animalischen steckt auch etwas Menschliches und vice versa; im Traumhaften steckt auch etwas Wirkliches und vice versa.
Außerdem, sticht hervor, dass unter der Einwirkung der Abstraktion wiederkehrende Motive und Leitbilder in beiden Frottagen Augen und Gitterböden sind. Des Weiteren erkennt man, dass sinnbildlich die Disproportionen, Farb-, Stoff- und zeichnerische Illusion die allgemeine Unwirklichkeit der Frottagen verbildlichen. Beispielhaft ist hierbei zu nennen, dass in Blatt 30 das Auge, der Schnabel und der Fischschwanz unproportional zum Rest des Körpers sind. Das Verwenden von lochartigen Mustern zur Darstellung Hautoberfläche ermöglicht die stoffliche Illusion einer Menschen- und Fischhaut. Linienartige Muster erzeugen die Illusion von Pigmentierung der Iris. Ernst setzt hiermit einen Pluralismus der Stile und der Oberflächen ein. Als Vertreter des Dadaismus postuliert der Künstler infolgedessen die absolute Freiheit der Kunst, sodass die Werke fremd und ungewohnt erscheinen, so als entsprangen sie einer Traumwelt.
Zur Darstellung von Räumlichkeit lässt sich konstatieren2, dass unter anderem mit Verkleinerungen, Überschneidungen, Plastizität und Beleuchtungssituation gearbeitet wird. Beispielsweise wird im Bild 30 der hintere Teil des Fisches verkleinert. Das heißt, der Rücken spitzt sich nach hinten zunehmend zu und endet am verkleinerten Fischschwanz. Fischflossen und Hautschichten überschneiden einander, sodass eine Räumlichkeit vermittelt wird. Insbesondere durch Licht und Dunkelheit wird eine Dreidimensionalität dargestellt, was Plastizität erzeugt. Dies sieht man etwa an der Fischflosse in Bild 30 oder am Augenlid in Bild 29. Des Weiteren erzeugen Beleuchtungssituationen und Schattierungen ebenfalls Räumlichkeit, denn man kann eine Lichtquelle identifizieren, die im Bild 29 von links unten und in Bild 30 von oben kommt. Insgesamt wird eine konkrete Darstellung der Räumlichkeit inszeniert, denn man kann zwischen Nähe und Ferne i.d.R. unterscheiden. Dies kann sich aber u.a. schwierig gestalten, wenn nur einzelne Objekte statt komplexe Arrangements dargestellt werden.
Hinsichtlich des Ikonizitäts- und Abstraktionsgrades kann man festhalten, dass kurzum bei beiden Frottagen ein hoher Ikonizitätsgrad besteht. Die Raumillusion (Perspektive) ist eher naturalistisch, weil mit Überschneidungen und Tiefenstaffelung gearbeitet wird (s. v.a. Blatt 29). Bei der Körperillusion (Licht und Schatten) wird durch Licht, Schatten (hell und dunkel) Plastizität vorgetäuscht. Dieser Teilaspekt wird im naturalistischen Sinne erfüllt, weil Gegenstände durch Schattierungen mit dem Bleistift plastisch und dreidimensional wirken. Dies kann man etwa am Augenlid feststellen. Die Stofflichkeitsillusion (Oberflächen) ist wie bei dem Großteil von Frottagen abstrakt, weil mit unterschiedlichen Oberflächen gearbeitet wird und somit keine exakte Wiedergabe von Materialeigenschaften der Objekte erreicht werden kann. Infolgedessen haben Frottagen keinen direkten Realitätsanspruch was Oberflächengestaltung angeht. Ähnlich verhält es sich auch mit der zeichnerischen Richtigkeit (Details). Detailgetreue Darstellungen bezüglich Form sind in Bild 29 und 30 eher abstrakt, weil die dargestellten Gestalten keine realitätsnahen Formen haben. Dem gekrümmten Fisch fehlt eine langgezogene, fließend ovale Körperform. Der Schnabel ist anatomisch gesehen ebenfalls nicht akkurat. In Bild 29 ist die Form der Haut nicht realitätsnah, da lediglich ein Hautfetzen abgebildet wird anstatt eines vollständigen Hautabschnitts. Daraus lässt sich eine Tendenz zur Abstraktion ableiten. Hinsichtlich der anatomischen Richtigkeit (Proportionen) erkennt man, dass es keine genaue Wiedergabe der richtigen Proportionen gibt. Zum Beispiel ist das Größenverhältnis zwischen dem riesigen Auge und dem kleinen Fisch auffällig oder die kleine Pupille im Verhältnis zur großen Iris. Da also unproportional gearbeitet wird, sind die Größen zueinander anatomisch inakkurat. Was die farbliche Richtigkeit (Farbe) angeht, so steht fest, dass die Wiedergabe der Lokalfarbe des Gegenstandes fehlt, weil nur schwarz-weiße Farben verwendet wurden. Jener nun belegte hohe Grad an Abstraktion unterstützt den allgemeinen Charakter der Frottagen. Es geht nicht länger darum, ästhetische, logische oder moralische Bedeutungen zu finden. Ernsts Ausdruckskunst betont viel mehr einen gewissen Wirklichkeitsverlust, da mit Darstellungen und Kompositionen gespielt wird und Grenzen zwischen Wirklichkeit (Ikonizität) und Traum (Abstraktion) aufgebrochen werden. Es entsteht damit eine Mischung aus Mystifikation und Wahrheit. Das Tatsächliche und das Unbewusste wirken entfremdet, denn bekannte aber deformierte Gestalten sind aus einer Traumwelt entsprungen, was die Grenzen zwischen Menschen und Pflanzen sowie zwischen Traum und Wirklichkeit aufhebt.
Zusammenfassend sind Max Ernsts zwei Frottagen die Inkarnation aller Elemente, die im Surrealismus eine Rolle gespielt haben. Indem sich seine Werke an den Forderungen jener Kunstepoche orientieren, wird eine neue Ausdrucksmöglichkeit hervorgebracht, die sich dabei dem Jenseits der Malerei widmet. Als einer der wichtigsten Vertreter des Dadaismus und Surrealismus interpretiert Max Ernst Gegenstände und Strukturen aus seiner Umwelt neu und illustriert so seine visionäre Wahrnehmung der Realität. Man findet dabei stets eine halluzinatorische Verfremdung des Alltäglichen (s. Analyseergebnisse). Ernst arrangiert damit die irritierende Inszenierung des Unerklärlichen und des Traumhaften, bricht de facto die konventionellen künstlerischen Techniken und wendet sich konsequent der Anwendung indirekter Arbeitsmethoden zu. Diese Umsetzung ist im besonderen Maße in Bild 29 wie Bild 30 zu sehen, da im Bereich der Komposition, Oberflächengestaltung, Motive, Räumlichkeit, Richtungslinien und Illusion abstrakt und willkürlich gearbeitet wurde (s. Analyseergebnisse). Es gilt damit eine allgemeine Abkehr von der Herrschaft der Logik und stattdessen eine Tendenz zum Kreieren ohne jene Vernunftkontrolle (s. Automatismus). Dabei ist die Äußerung von Max Ernst „Ein Künstler ist verloren, wenn er sich findet“ wohl das Credo seiner Frottageserie, denn Ernst selber hat es sich zum Verdienst gemacht, sich nie zu finden. Stattdessen nutzt er immerzu die Wirkung der inneren Wirklichkeit und des Unbewussten, um das Traumhafte und Surreale in seinen Werken zu schaffen. Diese Mentalität passt auch insgesamt zum Tenor der damaligen Zeit um die Epoche des Expressionismus. Man möchte Abstraktion und Neuartiges schaffen, was einen Wirklichkeitsverlust etwa in Bild 29 und Bild 30 porträtiert.