Drama: Kabale und Liebe / Luise Millerin (1784)
Autor/in: Friedrich SchillerEpoche: Sturm und Drang / Geniezeit
Inhaltsangabe/Zusammenfassung, Szenen-Analyse und Interpretation
Friedrich Schiller (1759-1805) bürgerliches Trauerspiel „Kabale und Liebe“ von 1784 behandelt den Ständekonflikt zwischen Adel und Bürgertum im ausgehenden 18.Jahrhundert. Es geht darin um die zum Scheitern verurteilte tragische Liebesgeschichte zwischen Ferdinand, dem adeligen Major, und der Bürgerstochter Luise Miller, deren Liebe über Standesgrenzen hinweg von außen hin nicht akzeptiert werden kann. Dass bürgerliches und adliges Weltverhältnis weit auseinanderklafft und damals oft unvereinbar war, wird bereits in der siebten Szene des ersten Aktes deutlich, in der Ferdinand mit seinem Vater, dem Präsidenten Walter am Hofe des ersten Fürsten, in Konflikt gerät.
In einem Gespräch zwischen Vater und Sohn werden dabei deren gegensätzliche Lebens- und Wertevorstellung sichtbar. Der Präsident möchte, dass Ferdinand Lady Milford heiratet, um seinen eigenen Einfluss am Hof auszubauen, und hat die Heirat bereits am Hofe verkündet. Ferdinand weigert sich jedoch, da er Luise liebt, und erregt dadurch beim Vater starken Verdacht. Als der Vater auf ihn Druck ausüben will, weist Ferdinand ihn zurück, kritisiert das ganze Hofleben und den Herrscher.
Die Szene steht am Ende der Exposition im ersten Akt. Vorher wurden alle wichtigen Personen der verschiedenen Stände eingeführt und die Konflikte des Stückes angedeutet. Die Szene Sieben verstärkt das Konfliktpotential angesichts einer nicht zu akzeptierenden Liebesbeziehung zwischen Adel und Bürgertum durch die unversöhnliche Einstellung der beiden Männer. Da sie nicht in der Lage sind, einen Schritt aufeinander zuzugehen, deutet sich schon an, dass beide am Ende – zum Teil tödlich – scheitern werden.
Zu Beginn des Gesprächs kritisiert Präsident von Walter, dass Ferdinand sich von ihm und seinen gesellschaftlichen Kreisen am Hof zurückgezogen hat (S. 16, Z. 32f ),sein Sohn dagegen betrachtet seinen Rückzug in die Innerlichkeit als „Glück“ (S. 18, Z. 6). Der Vater möchte, dass Ferdinand ihm seine Lebens- bzw. Karriereplanung überlässt (S. 16, Z. 35).Er geht für seine Macht über Leichen und rechtfertigt seine bisher vergangenen Verbrechen (S. 17, Z. 7) damit, dass er es Ferdinand zuliebe getan hätte. Dafür erwartet er Gehorsam und Dankbarkeit (S. 17, Z. 17). Ferdinand verurteilt seinen „abscheulichen Vater“ (S. 17, Z. 24) dagegen dafür, er findet dessen „Missetate[n]“ (S. 17, Z. 14) abstoßend. Als der Präsident seine Meinung nicht ernst nimmt, (Z. 15-18), bezeichnet Ferdinand ihn als Wurm, der um „den [Fürsten-]Thron herum[kriecht]“ (Z. 30). Der Vater glaubt, Ferdinand müsse zu „seinem“ Glück gezwungen werden (Z. 31-33), für jenen liegt Glück jedoch nicht in Äußerlichkeiten, in der Macht, sondern im Herzen (S. 18, Z. 6-8). Walters Auffassung von Macht und Karriere am Hof als Lebenszweck bringt für Ferdinand nur „Verderben“ hervor, das ganze Hofleben basiert seiner Meinung nach auf dem Unglück des Volkes sowie auf „Neid, Furcht“ und Missgunst (S. 18, Z. 1-3). Auch in Sachen Eheschließungen haben beide absolut gegensätzliche Vorstellungen: Für den Präsidenten haben sie nichts mit Liebe zu tun, sie dienen nur der Politik. Seinen Sohn dagegen setzt Liebe für eine Heirat voraus (S. 19, Z. 37). Lady Milford hält er für eine „[n]ichtwürdige“ (S. 20, Z. 23) Mätresse des Fürsten, seiner Meinung nach wäre er ein „Schurke“ , wenn er sie ehelichte (S. 18, Z. 23).
Nun steht der Präsident in dem Inneren Konflikt, dass er die Heirat bereits am Hof verkündet hat, sein Sohn diese kategorisch ablehnt, er aber auf keinen Fall als Lügner dastehen möchte. Er will unbedingt sein Gesicht wahren (S. 20, Z. 2-5) und verlangt deshalb von seinem Sohn absolute Gehorsam (Z. 16-19). Was Ferdinand möchte, ist ihm am Ende der Szene egal, er droht ihm mit Konsequenzen, wenn er nicht gehorcht. Ferdinand möchte am Hof auch stets offen Kritik üben können (Z. 21f) und bezichtigt seinen Vater am Ende, sicht nicht wie ein richtiger Vater zu verhalten (Z. 20/21).
Die Szene weist das gesamte Drama vor allem durch die Figur des Ferdinand dem Sturm und Drang zu. Wie erwähnt kritisiert dieser, obwohl er selbst zum Adel angehört, den Machthunger, die Unmoral, die Skrupellosigkeit und den Opportunismus am Fürstenhof. Er lehnt sich auch gegen die absolutistische Obrigkeit in Gestalt seines Vaters auf und protestiert dagegen, dass er seine Vernunft eingehen soll (S. 18, Z. 23-27). Anstatt die ihm von der Gesellschaft zugedachte Rolle einzunehmen, will er seine eigenen Entscheidungen treffen und Wünsche verwirklichen (S. 18, Z. 6-8), was für ein erstarktes Ichbewusstsein spricht.
Auch in seinem Sprachgebrauch kann man den „Stürmer und Dränger“ mit starker Emotionalität ausmachen.
Um die Gesamtproblematik des berühmten Stückes von Schiller einordnen zu können, muss man sich natürlich die historischen Hintergründe vergegenwärtigen: Ehen zwischen Adeligen und Bürgerlichen waren im 18. Jahrhundert noch undenkbar, Deutschlands Gesellschaft war noch ein stark hierarchisch gegliedertes Ständesystem. Vernunftehen statt Liebesbeziehungen und von den Eltern für die Kinder ausgesuchte Ehepartner der Normalfall . Auch dass der Vater als Patriarch das alleinige Bestimmungsrecht über die Familienmitglieder hatte, war selbstverständlich. Erst mit der langsame Umsetzung der Werte der Aufklärung (Toleranz, Gleichberechtigung) in die Praxis wurde diese Gesellschaftsordnung etwas aufgeweicht.