
Drama: Kabale und Liebe / Luise Millerin (1784)
Autor/in: Friedrich SchillerEpoche: Sturm und Drang / Geniezeit
Inhaltsangabe/Zusammenfassung, Szenen-Analyse und Interpretation
Wie wir oft in den aktuellen Medien lesen, herrscht in Nordkorea eine Diktatur. Die Diktatur ist eine Herrschaftsform des Absolutismus, die im 18. Jahrhundert auch eine große Thematik war, da das Bürgertum damals vom Adel unterdrückt wurde. Jedoch wehrt sich das Volk in der Epoche des Sturm und Drangs vehement dagegen. Auch Friedrich Schiller kritisiert in seinem Drama „Kabale und Liebe“ die Verhältnisse seiner Zeit, die überkommene absolutistische Machtentfaltung. Das bürgerliche Trauerspiel zeigt den Standeskonflikt zwischen Adel und Bürgertum am Beispiel von der bürgerlichen Luise Miller und dem adeligen Ferdinand von Walter, die sich lieben und durch eine Intrige in den Tod getrieben werden.
Im Folgenden wird die vierte Szene des ersten Akts, die der Exposition zuzuordnen ist, inhaltlich und formal stilistisch analysiert, in welcher Ferdinand Luise von ihrer Liebe zu überzeugen versucht, während Luise die Unmöglichkeit einer glücklichen Beziehung auf Grund des Standesunterschiedes schon längst erkannt hat.
Die vierte Szene beginnt direkt nach dem Gespräch zwischen Luise und ihrem Vater, in welchem Miller seiner Tochter von einer Verbindung zum Sohn des Präsidenten von Walter abrät. Luise hält zu ihrem Vater und beschließt ihre Beziehung mit Ferdinand aufzugeben.
Als Ferdinand seine Geliebte wiedersieht, fällt ihm sofort auf, dass mit Luise etwas nicht stimmt. Er spricht Luise darauf an, jedoch verneint diese. Als Ferdinand aber mit mehr Nachdruck wiederholt fragt, spricht Luise die Standesschranke an. Daraufhin reagiert Ferdinand verständnislos, da er keinen Gedanken an die Vernunft verschwendet, wenn er mit Luise zusammen ist, und er dasselbe auch von Luise erwartet. Diese spricht aber wieder die unvermeidliche Trennung an, die Ferdinand für unmöglich hält. Außerdem äußert Luise ihre Angst vor dem Präsidenten. Jedoch versichert Ferdinand seiner Geliebten, dass er sie vor allen Gefahren beschützen wird. Luise fordert den Sohn des Präsidenten zu schweigen und stürzt hinaus. Ferdinand folgt ihr sprachlos. Allgemein kann man sagen, dass Ferdinand der dominante Sprecher ist, da er Luise von ihrer Liebe zu überzeugen versucht, wohingegen Luise versucht ihn zum Schweigen zu bringen.
Die vorliegende Textstelle ist ein Dialog zwischen Luise Miller, ein bürgerliches Mädchen, und Ferdinand, der Sohn des Präsidenten. Luise möchte auf den Rat des Vaters hören und versucht sich gegen ihre Liebe zu wehren. Diese Erkenntnis, dass eine Beziehung mit Ferdinand unmöglich ist, lässt sie ganz blass werden (vgl. Z. 1), da Ferdinand immer noch in ihrem Herzen ist und sie ihn eigentlich nicht verlassen will. Aus Gewohnheit fällt sie ihm direkt um den Hals (vgl. Z. 2), wodurch deutlich wird, wie schwer es für sie ist auf Ferdinand zu verzichten und dass sie ihn immer noch liebt. Als Ferdinand sie nach ihrem Kummer fragt, verneint sie, um ihn nicht zu kränken. Jedoch meint Ferdinand, dass er durch ihre „Seele wie durch das klare Wasser“ (vgl. Z. 7) seines Brillanten sehen kann und sie ihm nichts vorlügen kann, denn auf dem Brillanten „wirft sich kein Bläschen auf“ (vgl. Z. 11f), ohne dass er es merkt. Mit dieser Metapher1 wird zum Ausdruck gebracht, wie gut sich das Paar kennt und dass keine Geheimnisse zwischen den Geliebten möglich sein sollten. Auf Ferdinands Frage antwortet Luise mit einer Erwähnung des Standesunterschieds, die die zwei von einander trennt. Damit möchte Luise auf die Unmöglichkeit ihrer Beziehung aufmerksam machen und nach der Aufforderung ihres Vaters handeln. Als Ferdinand ihren Zweifel hört, wirft er ihr vor „kaltsinnig“ (vgl. Z. 20) zu sein, denn wenn er bei Luise ist, zerschmilzt seine „Vernunft in einen Blick – in einem Traum von“ Luise (vgl. Z. 22f). Ferdinand denkt nur an seine Liebe zu Luise, aber überhaupt nicht an die Folgen, Gefahren und Risiken ihrer Beziehung. Dabei wird deutlich das Ferdinand adelig ist, da er durchaus auf egozentrische Art liebt und unbesorgt ist, obwohl er sehr wohl besorgt sein sollte. Bei dem Versuch Luise umzustimmen, reagiert sie verzweifelt. Sie bittet ihn aufzuhören ihre „Augen von diesem Abgrund hinwegzulocken, in den [sie] ganz gewiss stürzten muss“ (vgl. Z. 29ff). Durch diese Bitte erkennt man, dass Luises Beschluss ins Wanken kommt und sie verzweifelt versucht ihrem Vater treu zubleiben. Sie meint, sie sehe „in der Zukunft – die Stimme des Ruhms – [Ferdinands] Entwürfe – [Ferdinands] Vater –
[ihr] Nichts“ (vgl. Z. 30f). Durch diese Akkumulation, die zugleich auch eine Antithese2 ist, führt sie Ferdinand die Wahrheit vor Augen und hofft, dass er endlich versteht und aufhört sich von der Realität zu entfernen. Durch die Ellipse3 „Ein Dolch über dir und mir!“ man trenne die beiden (vgl. Z. 2), will sie ihm jede Hoffnung auf ein gemeinsames Leben nehmen. Doch statt diese Tatsache einzusehen, vergleicht er ihre Beziehung mit „Töne eines Akkords“ (vgl. Z. 5), bei der einen Trennung nicht möglich ist. Er erwähnt, dass er diese Liebe braucht, um die Bürde, die sein Vater ihm auferlegt wird, tragen zu können, sieht dabei aber nicht, im Gegensatz zur Luise, die Gefahren, die sein Vater, der Präsident, für ihre Beziehung birgt. Eine wirkliches Ständeproblem scheint es für ihn nicht zu geben, was durch seine Aussage „Lass doch sehen, ob mein Adelsbrief älter ist als der Riss zum unendlichen Weltall? Oder mein Wappen gültiger als die Handschrift des Himmels in Luises Augen: Dieses Weib ist für diesen Mann?“ (vgl. Z. 6-10) deutlich wird. Er hält alles für möglich, da er der Sohn des Präsidenten ist (vgl. Z. 10). Luise fürchtet nicht nur das Ständeproblem, sondern vor allem den Präsidenten, wohingegen Ferdinand nichts außer die“ Grenzen [ihrer] Liebe“ (vgl. Z. 14f) fürchtet. Seiner Überzeugung nach kann er die „Hindernisse wie Gebürge“, die sie trennen, „für Treppen nehmen und drüber hin in Luises Arme fliegen“ (vgl. Z. 15ff). Die Liebe kann seiner Meinung nach alles Probleme überwinden, was durch das Antiklimax4 deutlich wird. Luise solle sich nicht fürchten, da er ihr beteuert „wie der Zauberdrache über unterirdischem Golde“ (vgl. Z. 20) über sie zu wachen. Beflügelt durch die Liebe fühlt Ferdinand sich zu allem imstande, denn noch hat ihm niemand den Wind aus den Segeln genommen, die angenehme Illusion zerstört wie bei Luise. Er glaubt, er könne sich „zwischen [Luise] und das Schicksal zu werfen“ (vgl. Z. 22f), damit sie ein glückliches Leben führen kann (vgl. Z. 25ff). Seiner Meinung nach scheint er ihr wirklich alles möglich machen zu können. Luise unterbricht seine leidenschaftliche und emotionale Rede verzweifelt, da seine Hoffnungen ihr Herz „wie Furien anfallen“ (vgl. Z. 32f). Luises merkt, wie sie anfängt schwach zu werden, da sie weiß, dass sie in den Tiefen ihres Herzens am liebsten für immer bei Ferdinand bleiben will. Um dieser Sehnsucht standhalten zu können, versucht sie sich von Ferdinand zu entfernen. Jedoch hält dieser sie auf, weil er ihr Tun nicht nachvollziehen kann. Schließlich aber entreißt Luise sich von Ferdinand und erklärt ihm, dass sein „Feuerbrand“ in ihrem „friedsames Herz“ nimmer gelöscht werden wird (vgl. Z. 5f) und verlässt den Raum. Mit dieser Antithese verdeutlicht sie ihre ewige Liebe zu Ferdinand, die aber sowohl nicht sein kann als auch sein darf.
Abschließen kann man sagen, dass Luise zwangsweise realistischer ist als Ferdinand, beide jedoch diese allumfassende Liebe teilen, die dazu verdammt ist, unglücklich zu enden. Für Ferdinand ist es aufgrund seines Standes einfacher, die Probleme für nichtig abzutun und in dieser Liebe aufzugehen. Luise hingegen kann dies nicht und das aus mehreren Gründen. Ihr Stand allein zwingt sie schon zu mehr Realitätssinn, hinzu kommt ihr dominanter Vater mit seinen klaren Zukunftsplänen für seine Tochter und seine strikten Moralvorstellungen, dass Ferdinand sie nur zum Stillen seines Verlangens missbraucht. Träume kann sich nur der Adel leisten.