Kurzgeschichte: Streuselschnecke / Der Anruf kam, als ich vierzehn war (2000)
Autor/in: Julia FranckEpoche: Gegenwartsliteratur / Literatur der Postmoderne
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Inhaltsangabe, Analyse und Interpretation
Die Kurzgeschichte „Streuselschnecke“, welche im Jahre 2000 veröffentlicht wurde, ist von Julia Franck geschrieben worden. Sie thematisiert die Beziehungen innerhalb einer zerbrochenen Familie, was aber erst später deutlich wird. Die Kurzgeschichte weist typische Merkmale auf, wie beispielsweise einen plötzlichen Einstieg und ein abruptes und meist offenes Ende. Außerdem ist die dargestellte Handlung oft auf nur einen Konflikt oder eine Auseinandersetzung mit einem Thema konzentriert. Ebenfalls ist der Handlungsraum gering, was darauf schließen lässt, dass Szenen sich oftmals an nur einem oder zwei Orten abspielen. Es werden nur die nötigsten handelnden Personen vorgestellt, die benötigt werden, um die Handlung zu verstehen, auf andere wird nicht intensiv eingegangen. Oftmals werden Alltagsthemen thematisiert und diese werden aus der personalen Erzählperspektive verfasst.
Die Kurzgeschichte startet mit einer direkten Aussage des personalen Ich-Erzählers: „Der Anruf kam, als ich vierzehn war.“ (Z. 1). Die weibliche Person (vgl. Z. 25 f.) erzählt in einer Rückblende von ihrem vergangenen Leben und außerdem, wie sie und ihr Vater wieder zueinander gefunden haben. Diese wird durch die Benutzung des Präteritums wie bei „kam, wohnte, meldete“ (Z. 1, 4) verdeutlicht, die Nutzung der vergangenen Zeitform sorgt für eine bessere Einsicht in das Leben der handelnden Figur und veranschaulichen dieses so besser. Außerdem werden einige Hintergrundinformationen, wie das eigenständige Leben mit vierzehn (vgl. Z. 1 f.) dargestellt und lassen den Leser die Situation in der sich die Figur momentan befindet besser nachempfinden. Die damalige Unsicherheit und Skepsis des Mädchens während dem Telefonat mit dem noch fremden Mann wird durch die Benutzung des Konjunktivs, wie beispielsweise bei: „[…] er lebe in Berlin, und fragte, ob ich ihn kennenlernen wolle […}“ (Z. 5 f.) deutlich. Die Akkumulation zu dem Wortfeld Kleidung, verdeutlicht durch „Jeans, Jacke und Hose“ (Z. 10), sagt aus, dass der Mann auf sein Aussehen achtet und auch, dass ihm das erste Treffen wichtig ist. Vor dem ersten Treffen hatte das Mädchen sich geschminkt (vgl. Z. 11), was darauf schließen lässt, dass auch ihr ihr Aussehen in dem Moment wichtig war und außerdem, dass sie ebenfalls einen guten ersten Eindruck auf den Mann machen möchte. Die Erzählweise ist während des gesamten Textes sehr distanziert, was durch kurze, einfache, klare Sätze untermauert wird. Die Fremde zwischen den beiden Figuren wird damit verbunden und außerdem die Hintergrundinformation, dass das Mädchen den „Mann“, wie sie ihn immer nennt, nie als ihren Vater angesehen hat, da sie dieses auch erst später herausgefunden hat und anfangs noch nicht wissen konnte. Die einstige Angst des Mädchens vor anderen, neuen Menschen und Sachverhalten aus dem Leben des Mannes, verunsichert sie, allerdings nimmt sie diese Unsicherheit auf sich, um den Mann glücklich zu machen. „Ich ahnte, was dieses Lächeln verriet“ (Z. 17), spielt auf den Stolz an, der von dem Mann empfunden wird. Allerdings ist ihr nicht bewusst, dass er damit den Stolz ausdrückt, den er für seine Tochter empfindet, als er sie seinen Freunden vorstellt. Allerdings interpretiert sie es nicht so, da sie sich fragte, ob sie Geld für die Treffen verlangen konnte. Durch die Frage „Schließlich kannte ich ihn kaum, was sollte ich da schon verlangen“ (Z. 22 f.), wird aufgezeigt, dass das Mädchen sich noch nicht darüber bewusst ist, dass der Fremde ihr Vater ist. Allerdings sieht sie es dennoch als Ehre an, Zeit mit ihm verbringen zu dürfen und es macht sie glücklich. Das Privileg des Besuchs wird in Zeile 18 klar: „Einige Male durfte ich ihn bei seiner Arbeit besuchen“. Die inneren Monologe stellen die überlegenden Gedanken des Mädchens dar, so: „Bald würde ich alt genug sein, um als Kellnerin zu arbeiten, und vielleicht würde ja auch noch eines Tages etwas Richtiges aus mir“ (Z. 26 ff.). Sie denkt, dass sie in ihrem jetzigen Leben noch nichts Vernünftiges erreicht hat und hofft, dass sich das in Zukunft, auch ohne die finanzielle Hilfe des Mannes, ändert. Der Zeitsprung „Zwei Jahre später“ (Z. 28) bringt eine, für eine Kurzgeschichte unübliche Wendung. Jedoch ist die distanzierte Erzählweise und ebenfalls die Fremde zwischen den beiden Hauptfiguren immer noch vorhanden, „[…] sagte er mir, er sei krank.“ (Z. 30). Sie hält das Sterben des Mannes für unrealistisch und kann es nicht begreifen, dass er sie verlassen wird, was durch den in Zeile 30 bis 34 wieder verwendeten Konjunktiv dargestellt wird. Sie „besuchte ihn im Krankenhaus und fragte, was er sich wünsche.“ (Z. 31 f.). Das regelmäßige Besuchen lässt auf eine engere Bindung schließen, die mittlerweile vorhanden ist und auch darauf, dass der Mann dem Mädchen wichtig ist, da sie sich um ihn bemüht und ihn glücklich machen möchte. Er wünsche sich Morphium (vgl. Z. 34), jedoch kennt das Mädchen niemanden, von dem sie diese Droge bekommen könnte. Daran, dass sie andere Freunde hat, welche Drogen nehmen, kann man erkennen, dass sie in einer eher negativ konnotierten Gegend aufwachsen musste und nun erschließt sich ebenfalls, dass sie möchte, dass eines Tages noch „etwas Richtiges“ aus ihr wird. Einer ihrer ersten Schritte dazu, ist die Hilfe und ebenfalls die nun bessere Beziehung zu dem Mann. Sie bringt ihm Blumen mit, aber nie Morphium, da sie nichts mehr mit Drogen und negativen Einflüssen zu tun haben möchte und dies auch nicht für den Mann tut, obwohl er ihr mittlerweile wichtig geworden war, da sie sich sehr bemüht, ihn zufrieden zu stellen. Schließlich einige Tage vor seinem Tod fragte sie, ob er Kuchen wollte. „Die einfachsten Dinge seien ihm jetzt die Liebsten“ (Z. 42 f.) so kam es, dass sie Streuselschnecken backt und sie ihm bringt. Somit ist auch die Verbindung zum Titel hergestellt. Der letzte, für das Mädchen erfüllbare Wunsch ihres Vaters, waren Streuselschnecken. Ebenfalls sagte er noch, dass er gern mit dem Mädchen zusammengelebt hätte, es dafür aber nun zu spät sei (vgl. Z. 46-47). Das macht das Mädchen traurig, da sie eine bessere Jugendzeit mit ihm hätte haben können und sie die Zeit, die sie mit ihrem Vater hatte nicht richtig geschätzt hat. Dies basiert aber lediglich auf Unwissenheit, da der Vater die familiäre Beziehung seiner Tochter gegenüber lange verschwieg.
Die Kurzgeschichte beschäftigt sich mit auch noch heute sehr relevanten Themen, wie Tod und Verlusten. Außerdem mit dem Nicht-Schätzen der Zeit und damit, dass man sich oft nicht bewusst ist, wie gut die eigentliche Lebenslage, bis etwas Negatives geschieht, wie beispielsweise der Tod eines geliebten Menschen. Hierbei ist die Kompensation dessen am Wichtigsten. Es kommt nicht darauf an, was geschieht, sondern darauf, wie man damit umgeht. Jeder sollte nach einem solchen Ereignis das Beste aus der Situation machen, wie hoffentlich auch das Mädchen aus der Kurzgeschichte. Das Ende ist, wie textarttypisch, offen, was nur schätzen lässt, was in der Zukunft passiert. Genau diese Unwissenheit ist meiner Meinung nach das einzige Negative an der Kurzgeschichte.