Sachtext: Mehrsprachigkeit, die bildet (2014)
Autor/in: Jürgen TrabantEpoche: Gegenwartsliteratur / Literatur der Postmoderne
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Aufgabe 2
Betrachten Sie das nachfolgende Zitat aus Trabants „Mehrsprachigkeit, die bildet“.
„Hermeneutische Sprachkompetenz ist ein Bemühen um das Verstehen des Anderen und ein Anerkennen der Anderen in ihrer Andersheit.“
Erläutern Sie die Aussage des Zitats und geben Sie passende Beispiele. Stellen Sie sich die Frage, ob der Erwerb hermeneutischer Sprachkompetenz eine Zielvorstellung für das Erlernen von Fremdsprachen sein sollte. Nehmen Sie außerdem kritisch Stellung zu Trabants Behauptung, Bildung sei an das Erlernen einer dritten Sprache gebunden.
Inhaltsangabe, Analyse und Interpretation
Trabants Schlüsselkonzept „Hermeneutische Sprachkompetenz ist ein Bemühen um das Verstehen des Anderen und ein Anerkennen der Anderen in ihrer Andersartigkeit“ (Z. 47-49) beschreibt Sprache als ein sehr vielseitiges Instrument, das über das reine kommunikative Kompetenz, das heißt die Sprachverständigung hinausgeht. Da Sprache das individuelle Gedankengut transportiert und verbale Kommunikation mittels Sprache erfolgt, ist sie Teil von uns. Damit man ein Individuum verstehen kann, bedarf es eines sprachlichen Verständnis, das das rein grammatikalische überschreitet. Nicht nur Menschen sind individuell und einzigartig, sondern auch Sprachen, so dass ein umfassendes Verständnis obligatorisch für das Miteinander ist. Sprache ist Teil von Kultur und prägt eine Nation in vielerlei Hinsicht, sie ist Teil von Geschichte, Politik, Kunst, Literatur und der Alltäglichkeit, so dass nur das verstehende Sprachkonzept zu Anerkennung der Anderen in ihrer Andersheit führen kann.
Dies lässt sich besonders anhand von Beispielen erläutern. Rein Kommunikativ-basierender Englischunterricht bringt keinerlei Vorteile als die Fähigkeit, sich in der Fremdsprache zu verständigen. Der kulturelle Aspekt wird dabei völlig untergraben. Man lernt nicht über britische Literatur und wie sie maßgeblich prägend ist, man erlernt nicht die feinen Nuancen der Sprachen und bekommt keine Werte übermittelt, obwohl Sprache ein Teil dieser Kultur ist. Dies ist eine sehr restriktive Bildung, die uns in unserer Begierde nach Unbekannten und in unserem Wissensdurst einschränkt. Im Französischunterricht lernt man, wie man einen Einkaufsdialog führt. Es bringt einem wahrlich wenig in der Lage zu sein, eine Hose in der Konfektionsgröße 36 kaufen zu können, wenn man die französischen Sitten nicht kennt, beispielsweise wie man adäquat grüßt und sich zu Tische verhält. Dies mag zwar nur dem schulischen Bereich einschränken, aber zwangläufig eben auch den außerschulischen Bereich. Eine qualitativ hochwertige Unterhaltung besteht entweder aus Gemeinsamkeiten oder einer angeregten Diskussion. Wäre eine solche Konversation mit einem Chinesen möglich, wenn man nur die gebräuchlichen Sprachwerkzeuge zur Verfügung hat, nicht aber das nötige Wissen?
Ob die hermeneutische Sprachkompetenz eine wichtige Zielvorstellung für das Erlernen von Fremdsprachen ist, ist umstritten.
Zunächst einmal ist es wesentlich sich das Ziel vom Fremdsprachenunterricht vor Augen zu führen. Erstens hat er einen praktisch orientierten Nutzen, denn nicht umsonst lernt man weitverbreitet Sprachen wie Englisch, Französisch, Spanisch, das zunehmend wichtiger werdende Chinesisch. Ziel ist es, jungen Menschen auf etwaige Situation vorzubereiten, in dem sie wichtige und wesentliche kommunikative Kompetenzen beherrschen.
Zweitens hilft der systematische Fremdsprachenunterricht Sprachen auf linguistischer Ebene zu verstehen und zu durchschauen, so dass Schüler grundlegende Kompetenzen für den weiteren Fremdsprachenerwerb sich aneignen.
Drittens muss Schule im Bereich des Möglichen bleiben, so dass Prioritäten realistisch sein sollten. Das hermeneutische Kompetenzprinzip wäre praktisch nicht anwendbar, weil es zu intensiv ist und es würde einen sprachlichen Schwerpunkt in der Bildung setzen, so dass Naturwissenschaften und vor allem Geistes- und Gesellschaftswissenschaften wie Geschichte zu kurz kämen. Schule kann nicht die komplette Geschichte eines x-beliebigen Landes durchnehmen., das würde den zeitlichen Rahmen sprengen. Und Schule kann nicht eine Sprache in all ihrer Diversität und Einzigartigkeit vermitteln.
Auf der anderen Seite eröffnet einem die hermeneutische Kompetenz viele Türen, da über den Tellerrand hinaus geschaut wird, so dass zusätzliche Kompetenzen erworben werden. Dies kann im späteren Leben – privat oder beruflich – von Vorteil sein, besonders beim Studium im Ausland.
Ob Bildung nun an das Erlernen einer dritten Sprache gebunden ist, ist sehr kontrovers diskutiert. Bildung auf den Faktor einer Fremdsprache zu reduzieren ist beinahe schon befremdlich, denn Bildung umfasst mehr als fremdsprachliche Kompetenzen und damit einhergehende zusätzliche Kompetenzen. Bildung ist äußerst facettenreich und gerade diese Diversität ermöglicht exklusive Einblicke in verschiedenste Bereiche. Inwiefern dabei eine Domäne dominieren soll, ist Ansichtssache und sehr individuell, so dass ein Mittelweg als guter Lösungsansatz erscheint.
Auf der anderen Seite muss man gerade die Vorzüge des hermeneutischen Konzepts hervorheben, besonders in Anbetracht der fortschreitenden Globalisierung. Die globale Zusammenarbeit wird zunehmend wichtiger und dabei spielt die Sprache als Ausdrucksmedium eine wesentliche Rolle. Sie muss daher damit Diplomatie funktioniert und Weltfrieden gesichert ist, in all ihrer Vollkommenheit, das heißt nach der hermeneutischen Kompetenz beherrscht werden, denn letztlich bereitet uns Bildung auf „das da draußen in der großen Welt“ vor.
Die Welt braucht Globalesisch für die internationale Kommunikation und mehr für das Miteinander und das gegenseitige Verständnis. Bildung muss und soll nützen und dies wird durch das verstehende Prinzip zumindest in Teilen unterstützt und gesichert.
Es lässt sich festhalten, dass die Vorteile der hermeneutischen Kompetenz überwiegen, da sie optimal auf das spätere Leben vorbereiten und kulturbildend sind. Des Weiteren wird dem Sprachzerfall wie beispielsweise der doppelten Halbsprachigkeit oder Jugendsprache entgegen gewirkt.