Inhaltsangabe, Analyse und Interpretation
Unter Verwendung der Motive der Liebe, Sehnsucht und der märchenhaften Mondnacht unternahmen die Schriftsteller des 16. und 17. Jahrhunderts Flüchte in die Poesie. Die erstellten Werke galten als Gegenentwurf zur vorherrschenden Realität, in denen die Gefühle der Menschen, vor allem die Liebe und die Sehnsucht, eine zentrale Rolle spielten. Auch Joseph von Eichendorff greift diese Thematik in seinem Gedicht „Sehnsucht“ aus dem Jahre 1834 auf.
Das Gedicht handelt vom an einem Fenster stehenden Lyrischen Ich, welches nachts Wanderer in der Natur und die Natur an sich betrachtet. Gleichzeitig lässt es sich vom traumhaften Anblick der nächtlichen Natur berieseln.
(Meine Deutungshypothese lautet folgendermaßen:)
Zurückgezogen in der Natur, in vollkommener Einsamkeit, lässt das Lyrische Ich sich von der traumhaften Atmosphäre, erzeugt durch den Mond, berieseln. Währenddessen erlebt es eine starke, tiefgreifende Sehnsucht nach Freundschaften und Geliebten. Die Natur fungiert hierbei als Spiegel der Seele des Lyrischen Ichs.
Das Gedicht besteht aus insgesamt 24 Zeilen, aufgeteilt in 3 Strophen, wobei jede Strophe aus 8 Versen besteht, Es ist also ein regelmäßiger Aufbau des Gedichts vorhanden. Es ist kein durchgängiges Versmaß vorhanden, wodurch ein unregelmäßiges Metrum1 vorhanden ist. Der Kreuzreim (Schema: a b a b c d c d) als einziger Reimart im Gedicht erzeugt jedoch wiederum einen regelmäßigen Eindruck. Zudem verknüpft er die Verse inhaltlich miteinander. Die Kadenzen2 wechseln sich nach jedem Vers zwischen männlich und weiblich ab. Hierbei bremsen die männlichen Kadenzen den Lesefluss. Die regelmäßige Reimart, die regelmäßigen Kadenzen und der regelmäßige Aufbau des Gedichts erzeugt einen Kontrast zum unregelmäßigen Metrum.
In einer bildhaften, märchenhaften Sprache erzählt das Lyrische Ich von seinem Erleben in der Nacht. Die „golden[en] […] Sterne“ (vgl. V. 1) leuchten hell und erzeugen eine traumhaft schöne „Sommernacht“ (vgl. V. 8). Das Lyrische Ich steht vollkommen „einsam“ (vgl. V. 2) am „Fenster“ (vgl. V. 2) und betrachtet die „[weite] Ferne“ (vgl. V. 3). Aus der Ferne sieht es „[zwei] junge Gesellen“ (vgl. V. 9) beim Wandern. Diese befinden sich in der Gesellschaft eines anderen und müssen diese Einsamkeit nicht erleben. Das Lyrische Ich hingegen wird erfüllt von einer Sehnsucht nach Liebe und sozialen Kontakten. Die Wanderer „singen“ (vgl. V. 11) ein Lied über die Pracht der Natur und von den Märchen„[palästen], [die] im Mondenschein“ (vgl. V. 20) bestrahlt werden. In diesen Palästen stehen „Mädchen“ (vgl. V. 21) an den Fenstern und hören dem lauten Ton des „[Posthorns]“ (vgl. V. 4) zu. Hier wird deutlich, dass es sich auch beim Lyrischen Ich um ein Mädchen handelt, da auch dieses in der Nacht am Fenster steht (vgl. V. 2-4). Das Erleben des weiblichen Lyrischen Ich spiegelt sich in der Natur wieder. Es herrscht „[Stille] (vgl. V. 4,12) welche in Beziehung zur Einsamkeit des Lyrischen Ichs zu setzen ist. Die Wasserfälle, die aus den „Klüften“ (vgl. V. 15) in den Wald stürzen, spiegeln die starke Sehnsucht des Lyrischen Ichs und das entbrannte Herz (vgl. V. 5) wieder. Auch die Interjektion3 „Ach“ (vgl. V. 7) zeigt das emotionale Empfinden des Lyrischen Ichs auf.
Der Titel „Sehnsucht“ verdeutlicht die Deutung des Gedichts. Das Gedicht von Eichendorff zeigt das zentrale Motiv der Romantik auf. Ausgelöst durch den Mond in einer klaren Nacht durchlebt das Lyrische Ich eine emotional tiefgreifende Sehnsucht. Es sehnst sich nach Liebe und Freunden und lässt verliert sich in der Schönheit der Natur. Die Natur dient ihm als Spiegel seiner Seele und zeigt verdeutlicht somit die starke Einsamkeit und Sehnsucht. Geleitet vom Herzen, dem Taktgeber des Lebens, verliert es sich in seinen Erinnerungen an die Liebe und lässt sich von diesen leiten. Gleichzeitig lässt es sich von den Liedern der Wanderer trösten.
Joseph von Eichendorff gilt als einer der wichtigsten Autoren der Epoche der Spätromantik, weshalb das Gedicht auch in diese Epoche einzuordnen ist. Es enthält zudem die zentralen Motive der Romantik. Die Dichter flüchteten in die Poesie, um sich von den Ereignissen der Realität zu „verstecken“. Zentrale auftauchende Motive sind die Sehnsucht nach Liebe und Gemeinschaften und die Einsamkeit. Das Herz als Leitfaden allen menschlichen Lebens und die Nacht als Rückzug in die Ruhe werden auch aufgegriffen. Zunächst ist noch das Musikmotiv zu nennen. Dieses wurde verwendet, um durch die Musik den Leidenden Trost zu spenden. Das Wandermotiv ist als ein weiteres Motiv der Romantik zu nennen. Das Wandern diente den Menschen als Flucht in die Stille und Ruhe. Als letztes lassen sich die Märchen- und Naturmotive nennen. Diese sollten die Schöpfungen Gottes preisen und ihre Einzigartigkeit und ihren Wert aufzeigen. Abgesehen vom Motiv des Gottes sind alle zentralen Motive der Romantik im Gedicht „Sehnsucht“ vorhanden, wodurch eindeutig bewiesen ist, dass es der Epoche der (Spät)romantik angehört.