Inhaltsangabe, Analyse und Interpretation
In dem Gedicht „Nachtzauber“ von Joseph von Eichendorff geht es dem lyrischen Ich um seine Liebe, welche er nur in Erinnerungen und im Traum wiederfindet. Das Gedicht ist in der Romantik einzuordnen, da es mehrere charakteristische Merkmale aufzeigt und der Autor zu dieser Zeit lebte. Das Gedicht ist in zwei Strophen unterteilt die jeweils zehn Verse beinhalten. Das Reimschema ist nicht eindeutig, abaabccdcd, welches noch am ehesten einer Mischung aus Paar- und Kreuzreim entspricht. Das Metrum1 ist Trochäus, wobei hier die Silbenanzahl der Strophen zwischen 7,8 und 9 variiert. Die Verse enden gemischt entweder auf weibliche oder männliche Kadenzen2, wobei die Reihenfolge der Kadenzen in der ersten Strophe der der Zweiten entspricht.
In der ersten Strophe wird die Wichtigkeit der Nacht hervorgehoben, die die Erinnerungen an alte Zeiten im lyrischen Ich hervorruft. Die Strophe beginnt mit einer Frage, die sich über mehrere Zeilen und somit mehreren Enjambements3 hinzieht. Die Frage erweckt die Aufmerksamkeit des Lesers, da dieser sich angesprochen fühlt. In Vers 1 fragt das lyrische Ich: „Hörst du nicht die Quellen gehen“, damit personifiziert es die Quellen, welche als der Ursprung Allens gesehen werden können. Des Weiteren wird damit die Bedeutsamkeit der Quellen verdeutlicht, die „weit“ (Vers 2) vom lyrischen Ich in die „stillen Waldesseen“ (Vers 3) gehen, wo sie nun nur noch wie „Marmorbilder stehen“ (Vers 4) in der „Einsamkeit“ (Vers 5). Man kann somit die Quellen als die ursprüngliche Liebe sehen, welche sich vom lyrischen Ich entfernt hat. Die Marmorbilder sind die Erinnerungen, die nun als Einziges noch existieren. Damit wäre auch erklärt warum das lyrische Ich die Einsamkeit als schön beschreibt (Vers 5), denn es ist in dieser Einsamkeit, in der die schönen Erinnerungen stehen. In den danachfolgenden Versen beschreibt das lyrische Ich die Nacht und dessen Wirkung auf die umliegende Natur. Hierbei wird klar mit welcher Präzision das lyrische Ich diese Wandlung durch die Nacht wahrnimmt. Die Nacht wird als etwas machtvolles charakterisiert, „weckend die uralten Lieder“ (Vers 7) personifziert die Nacht sogar. In Vers 9 wird ersichtlich welche Macht die Nacht tatsächlich hat und was die Bedeutung der Nacht für das lyrische Ich ist. Denn, die Nacht ist im Stande alte Zeiten wieder aufleben zu lassen „die Gründe glänzen wieder“ (Vers 9). Diese Alliteration4 verdeutlicht, dass durch die Nacht die düsteren Erinnerungen wieder im lyrischen Ich aufgehellt werdn. Das Paradoxe hierbei ist, dass die an sich dunkle Nacht die „Gründe“ wieder zum „glänzen“ bringt, also quasi zum Leuchten. Der Vergleich zwischen dem 6 bis 9 Vers und „wie dus oft im Traum gedacht“ (Vers 10) zeigt wie irreal doch diese Nacht sein muss, da hier eindeutig die Parallelität zwischen Traum und dem was in der Nacht geschieht aufgezeigt wird. Dementsprechend ist bewiesen, dass es sich bei diesen nächtlichen Geschehnissen nur um Erinnerungen handeln kann. Mit dem „dus“ (Vers 10) spricht das lyrische Ich in keinem Fall den Leser an, sondern sich selber. Der letze Vers der ersten Strophe „Wie dus oft im Traum gedacht“ verdeutlicht also, dass das lyrische Ich seine Liebe sonst nur im Traum erfährt und sonst bis in die Nacht warten muss um sich vollends daran erinnern zu können. Dies könnte daher kommen, da man nur in der Nacht wirklich Zeit für sich selber und seine Gedanken finden kann, da man ja tagsüber immer von der ganzen Gesellschaft umgeben ist.
Die zweite Strophe beginnt – genauso wie die erste Strophe – mit einer Frage, die wieder an den Leser gestellt ist. Diesmal ist es offensichtlicher was gemeint ist. Die „Blume“ (Vers 11), die das lyrische Ich anspricht ist eine Frau, nämlich seine Liebe. An diese erinnert es sich und der „mondbeglänzte Grund“ ist, was im lyrischen Ich diese Erinnerung aufblühen lässt. In Vers 13 bis 17 folgt eine Enumeration für die Beschreibung der geliebten Frau des lyrischen Ichs. Bei dieser Aufzählung werden viele Metaphern5 benutzt so zum Beispiel in Vers 13 und 14: „Aus der Knospe, halb erschlossen, junge Glieder blühend sprossen“, dies verdeutlicht die Jugendlichkeit der Frau, die ja laut Vers praktisch gerade erst aufblüht. In Vers 15 findet man einen Pleonasmus6 „Weiße Arme, roter Mund“, dieser soll nochmals die Schönheit der Farbe ausdrücken, welches direkt also auch die Schönheit der Frau verdeutlicht. „Die Nachtigallen schlagen“ (Vers 16), dieser Vers zeigt die tolle Stimmung und Empfindung in diesem Moment auf. Genau wie in Clemens Brentanos Werk „Der Spinnerin Nachtlied“ steht die Nachtigall hier als Symbol für die schöne Liebe und ist hat somit ebenso wie die Nacht eine erinnernde Funktion. Ab Vers 18 wendet sich das ganze Gedicht. Die einst so positivbeladenen Adjektive sind nicht mehr vorzufinden, stattdessem „todeswund“ (Vers 18). Auch die Interjektion7 am Anfang von Vers 18 verdeutlicht die schwerwiegende Situation. Das lyrische ich sehnt sich so sehr nach dieser Liebe, die es allerdings nicht erreichen kann. So scheint „todeswund“ eine Anspielung auf den eventuellen Todeswunsch des lyrischen Ichs sein. Auch der nächste Vers 19 „ Von versunknen schönen Tagen“ macht klar, dass diese Liebe zwar einst schön war, doch nun für immer versunken liegt. Die letztliche Verzweiflung des lyrischen Ichs findet sich in Vers 20, „Komm, o komm zum stillen Grund“, durch die Repetition des Verbes „kommen“ wird die Dringlichkeit der Situation klar. Des Weiteren scheint die Vorahnung von Vers 18 sich nun zu verwirklichen. Das lyrische Ich möchte in Vers 20 zum „stillen Grund“ welcher hier den Tod darstellt. Allerdings ist dies ein Euphemismus9, was also verdeutlicht, dass das lyrische Ich den Tod nicht als Qual sondern als Befreiung von seiner Sehnsucht ansieht. Das lyrische Ich kommt somit zur Feststellung, dass er seine Liebe nie erreichen wird und dass die einzige Erlösung aus seiner Sehnsucht der Tod ist.
Das Gedicht zeigt mehrere charakterisische Merkmale der Romantik auf. Zum einen wird hier eine starke Verbundenheit zwischen Natur und Mensch dargestellt. Nicht willkürlich wurden hier Nacht und Nachtigall als Symbol für Liebe und Sehnsucht gewählt. Auch die detaillierte Beschreibung der Natur ist typisch für diese Epoche. Des Weiteren wird hier auf den Wunsch beziehungsweise den Traum des lyrischen Ichs verwiesen, welches dieses versucht zu erfüllen in der Nacht. Auch dies, das Niedderreißen der Grenze zwischen Traum und Realität, ist eine der Charakteristiken der Romantik. Zudem war die Konzentration auf individuelle Personen und nicht auf die Gesellschaft üblich für die Romantik.