Inhaltsangabe, Analyse und Interpretation
Das Gedicht „Abschied“ von Eichendorff aus dem Jahr 1810 ist der Epoche der Romantik zuzuordnen, da es von Naturverbundenheit, Sehnsucht, Erkenntnissuche und Einsamkeit handelt. Des Weiteren ist es eher volkstümlich und liedhaft geschrieben. Es wird der schwere Abschied von der Natur zur Wiederkehr in die inszenierte Welt dargestellt.
Es ist in 4 Strophen à 8 Verse unterteilt. Die Kadenzen1 sind abwechselnd männlich und weiblich und das Metrum2 ist ein dreihebiger Jambus. Die Strophen bestehen aus zwei Kreuzreimen (ababcdcd). Daraus folgt, dass es sich bei der Strophenform um doppelte Liedstrophen handelt.
In der ersten Strophe wird die harmonische Atmosphäre in der Natur als „schön“, „grün“ und „andächtig“, geprägt von Landschaften, beschrieben. Die Anapher3 „O Täler weit, o Höhen, o schöner, grüner Wald“ verherrlicht die Natur. Enthusiasmus und Freude werden in den ersten 4 Versen durch die Ellipse4 verstärkt. Auffällig sind auch die vielen Umlaute, die die wahrgenommene Ästhetik verdeutlichen.
Im 5. und 6. Vers wird die „Welt“ negativ gegenüber gestellt und die Stimmung scheint in ihr hektisch. Die personifizierte Welt wird betrogen, bzw. lügnerisch dargestellt.
In den letzten beiden Versen ruft das lyrische Ich dann die Natur, ebenfalls personifiziert, an, es noch einmal zu umarmen. Folglich wünscht das lyrische Ich noch einmal eins mit mit ihr zu sein, bevor es von ihr „Abschied“ nehmen muss. Die gewünschte Vereinigung wird durch das Enjambement hervorgehoben.
Die zweite Strophe beschreibt einen Tagesanbruch in der Natur. Es findet ein Pronomenwechsel statt und der Leser wird direkt angesprochen, verdeutlicht wird dies durch die Alliteration5 „dass dir dein“. Dies bringt das beschriebene Glück durch das Erwachen zwischen Flora und Fauna näher. Alle Pein der „Welt“ soll verschwinden, was durch die Alliteration „vergehen, verwehen“ hervorgehoben wird. Die Verse 10 bis 15 fangen alle mit „D“ an, was ihre Zusammengehörigkeit verstärkt, da sie alle den Vorgang des Erwachens schildern. In den Versen 15 und 16 wird bereits das Göttliche und die Erhaltung der Jugend durch die Natur angedeutet, da „du in junger Herrlichkeit“ auferstehen sollst, gestützt wird dies durch das Enjambement, was die Zusammengehörigkeit von Auferstehung, Jugend und Herrlichkeit verdeutlicht.
Aus der dritten Strophe geht dann sehr klar hervor, dass sich Gott in der Natur offenbart. Er weist den Weg für richtiges Handeln und wahre Liebe. Der Wald wird als ein ruhiger Rückzugsort für den Menschen bezeichnet. Dies wird bildlich dargestellt durch ein in im Wald festgeschriebenes „stilles, ernstes Wort“. In den letzten 4 Versen findet das lyrische Ich die Erkenntnis des Rechten in Gottes natureller Schöpfung. Alles scheint ihm wahr und klar, was konträr zur inszenierten Welt ist.
Intensiviert wird dies durch die Wortwahl, wichtige Wörte bzgl. der Natur und der Erkenntnis beginnen überwiegend mit „w“ (Wald, Wort, wahr, Wesen, etc.). Die Naturverbundenheit und auch die Bindung zwischen Gott und der Natur wird durch drei Enjambements6 deutlich.
Die letzte Strophe wird dann genutzt, um „Abschied“ zu nehmen und noch einmal den Fokus auf die Welt zu richten. Die Natur wird noch einmal direkt angesprochen, was wieder auf die Nähe zu ihr hindeutet. Die Welt hingegen wird als „buntbewegt“, was gegensätzlich zum ruhigen, grünen Wald ist, charakterisiert und scheint dem lyrischen Ich fremd. Außerdem wird das Leben als Schauspiel bezeichnet, was im Kontrast zu der beschriebenen Wahrheit der Natur steht und fern von der Realität scheint.
Im letzten Kreuzreim bezieht sich das lyrische Ich dann noch einmal auf die gefundene Erkenntnis, die es in der bevorstehenden Welt jung halten wird. Doch wird es auch einsam unter all den unwissenden, unruhigen Anderen sein, was nicht zwingend negativ gedeutet werden muss.
Die wechselnden Kadenzen und die Kreuzreime verstärken die Gegenüberstellung der Natur und der Welt, das lyrische Ich scheint sich in einem Zwiespalt zu befinden, da es einerseits vollkommen verbunden mit der Natur glücklich ist und in ihr Energie schöpft, aber sich andererseits gezwungen fühlt, in die alte, geschäftige „Welt“ zurück zu kehren.
Der beständige Rhythmus weist ebenfalls auf die Zuneigung zur ruhigen Natur hin und ist konträr zur unbeständigen „Welt“.
Alles in Allem denke ich, dass in diesem lyrischen Werk ausgedrückt werden soll, dass der Abschied von der Natur schwer ist, da sich in ihr die Schöpfung Gottes voller Wahrheit und Ruhe zeigt und sie zur Erkenntnis führt. Der Schritt zurück in die unruhige, teils verfälschte Welt ist nur durch die Stütze dieser Erkenntnis möglich.
Doch steckt in der zweiten Strophe auch eine Aufforderung an den Leser, die Erkenntnis in der Natur zu suchen und die Schönheit in ihr wahrzunehmen. Schließlich gehört auch der Mensch zur Schöpfung Gottes. Es ist anzunehmen, dass der Leser in gewisser Weise bekehrt werden soll, sich auch wie ein Teil der Schöpfung zu verhalten und nicht in einer Inszenierung das Leben an sich vorbeirennen zu lassen.