Inhaltsangabe, Analyse und Interpretation
Das vorliegende Gedicht „Die große Fracht“ geschrieben 1953 von Ingeborg Bachmann handelt von einem beladenen Schiff, das bereit zum Auslaufen in einem Hafen liegt.
Das zentrale Thema des Gedichtes ist der Tod, sowie seine Verzahnung mit dem Leben, wobei sich die Autorin mit einer ausgesuchten Gelassenheit, Festigkeit und Ruhe mit dieser Problematik befasst und in diesem Zusammenhang auch Bezug zur bewussten Wahrnehmung der Unausweichlichkeit des Todes nimmt.
Das Gedicht ist ein typisches Beispiel deutscher Nachkriegsliteratur, welche in den ersten 20 Jahren nach dem Ende des zweiten Weltkrieges von den zwei grundsätzlichen Tendenzen der politischen und der hermetischen Dichtung geprägt war. Ingeborg Bachmann ist dabei der hermetischen Lyrik1 zuzuordnen, deren Autoren versuchten ein neues Sprachverständnis zu entwickeln und dabei Gedichte schufen, die die Erfahrung der Ohnmacht und Isolation des Menschen darlegen sollten.
Das Gedicht „Die große Fracht“ enthält zahlreiche sprachliche Bilder, mit denen die Autorin das zentrale Thema des Gedichtes, den Tod, beschreibt. Dabei ist die erste zentrale Metapher2 „die Fracht des Sommers“ (V. 1), mit der die Blütezeit des Lebens beziehungsweise seine Ernte gemeint sind. Diese wird in „das Sonnenschiff im Hafen“ (V. 2) verladen, wobei das Sonnenschiff in Anlehnung an die ägyptische Mythologie, das Transportmittel vom Leben in den Tod bedeutet. Der Hafen symbolisiert dabei den Anfang bzw. Endpunkt dieser Reise, während die Möwe als Todesvogel mit ihrem Geschrei diese Fahrt begleitet. Die in der zweiten Strophe erwähnten Galionsfiguren, die das Lächeln der Lemuren - also der Geister der Verstorbenen - zeigen dienen dazu, den Charakter des Schiffes als Totenschiff eindeutig darzulegen. Des weiteren geben sie dem zunächst positiv besetzten Sonnenschiff einen unheimlichen und beängstigenden Charakter.
Das erste sprachliche Bild aus der dritten Strophe „aus dem Westen der Befehl zu sinken“ (V. 2 Str. 3) bezieht sich auf die im Westen untergehende Sonne, wobei die Wahl des Ausdrucks „Befehl“ die Unausweichlichkeit des Todes unterstreicht. Das letzte sprachliche Bild „offnen Augs wirst du im Licht ertrinken“ (V. 4 Z. 3) dient dazu, die Wahrnehmung des Sterbens in vollem Bewusstsein zu unterstreichen. Die Wahl der benutzten Substantive und Verben in dem Gedicht bewirkt eine insgesamt beruhigende Wahrnehmung des Themas Tod, wobei sie von der ersten bis zur dritten Strophe des Gedichtes zunehmend bedrohlicher und bedrückender werden. So sind in der ersten Strophe bedeutsame Substantive Sommer und Sonnenschiff, während in der zweiten Strophe ein charakterisierender Begriff „Lemuren“ ist. Der Höhepunkt des Unheimlichen wird in der dritten Strophe vor allem durch die Verwendung der Verben „sinken“, „ertrinken“, „stürzt“ und „schreit“ erreicht.
Die Form des Gedichtes ist fest und besteht aus drei gleich gebauten vier Verse umfassenden Strophen, womit eine gewisse Gleichmäßigkeit erreicht werden soll. Beim Reimschema handelt es sich um einen umarmenden Reim, wodurch eine Geschlossenheit der einzelnen Strophen erreicht wird. Es treten ausschließlich reine Reime auf, was zu einer zusätzlichen Festigkeit führt. Des Weiteren wird eine strophenübergreifende Verknüpfung im Gedicht erreicht, indem sich der zweite und der dritte Vers der ersten Strophe mit dem ersten und letzten Vers der zweiten und dritten Strophe reimt. Zudem verwendet die Autorin einen 5-hebigen Jambus und einen regelmäßigen, fließenden Rhythmus, um Festigkeit und vor allem Ruhe in den Gedichtsverlauf zu bringen. Darüber hinaus ist der zweite Vers der ersten Strophe identisch mit dem ersten Vers der zweiten Strophe und der dritte Vers der ersten Strophe entspricht dem ersten Vers der dritten Strophe. Dieses wieder aufgreifen der Aussagen der ersten Strophe könnte dazu dienen diese weiter zu führen und zu entwickeln. Zudem wird durch das wiederholen einzelner Verse, die erste Strophe mit der zweiten und dritten verknüpft.