Erzählung: Unterm Rad (1906)
Autor/in: Hermann HesseEpochen: Naturalismus, Neuromantik
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Aufgabe: Wie wird der Suizid in Hesses Erzählung dargestellt und wie reagiert das Schulsystem auf den Selbstmord?
Inhaltsangabe, Analyse und Interpretation
In dem Roman „Unterm Rad“, geschrieben von Hermann Hesse im Jahre 1906, geht es um das Schicksal eines begabten Jungen namens Hans Giebenrath. Er lebt während der Regierungszeit von Kaiser Wilhelm II in einer Kleinstadt im Schwarzwald und wechselt später wegen seiner herausragenden schulischen Leistungen auf das Klosterinternat in Maulbronn. Letztendlich scheitert er dort an sich selbst und an seinem Umfeld. Nach einem geplanten, doch nicht ausgeführten Suizid, stirbt er nach einem Unfall im sehr jungem Alter. Das Motiv des Todes in Unterm Rad soll das wilhelminische Schulsystem kritisieren. Dies soll im Folgenden näher erläutert werden.
Zunächst benutzt Hesse den Tod als lyrisches Thema. In einem Gespräch zwischen Hans und seinem Mitschüler, Hermann Heilner, in dem Garten der Klosterschule Maulbronn sagt Heilner „[…] wenn man doch so eine Wolke wäre!“ (S. 68). Der Tod wird hier nicht explizit erwähnt, es wird jedoch eine Anspielung auf ihn gemacht. Die Wolke stellt metaphorisch, im Gegensatz zu der quälenden, anstrengenden Schule, Freiheit dar. Der Gebrauch des zweiten Konjunktivs impliziert, dass Heilner es sich wünscht, so eine Wolke zu sein. Zwangsweise heißt dies, dass Heilner sich den Tod wünscht. In diesem Fall steht die Wolke deshalb auch für den Tod. Dies zeigt, dass der Tod, der sonst brutal und angsterregend ist, im Gegensatz zur Schule alles andere als schmerzhaft und quälend ist. Hier bedeutet der Tod Freiheit. In einem gewissen Sinne also tauscht Hesse die Verbindungen von Schule, die sonst alle Türen zur Welt öffnet, und Tod, dem unausweichlichem Übel, um. Das Romantisieren des Todes impliziert also, dass der Tod ein willkommener Ausgleich zur Schule ist: der Tod ist ein Ausweg für das Leid in der Schule. Außerdem schreibt Hesse „Giebenrath setzte sich neben Heilner auf das Brett, ließ die Beine überm Wasser baumeln und sah zu, wie da und dort ein braunes Blatt und wieder eines durch die stille kühle Luft sich herabdrehte und ungehört auf den bräunlichen Wasserspiegel sank.“ (S. 67). Wasser ist lebenswichtig, aber auch in einer gewissen Weise tödlich. Deshalb kann man auch sagen, dass Wasser neben dem Leben auch ein Symbol für den Tod ist. In dieser Szene hält sich Hans sehr nah zu dem Wasser auf und deshalb auch dem Tod. Jedoch ist diese Situation in keiner Weise hektisch oder brutal. Ganz im Gegenteil: die Wörter „baumeln“, „stille kühle Luft“ und „ungehört“ verleihen dieser Situation eine sehr entspannte Atmosphäre. Dies zeigt, dass Hesse, wie zuvor beschrieben, den Tod romantisiert und ihn als angenehm im Gegensatz zur Schule darstellt. Diese Verbindung kritisiert das wilhelminische Schulsystem darum sehr deutlich, da dieses quälender als der Tod ist.
Weiterhin werden die toten Schüler nicht richtig wertgeschätzt. Hesse schreibt „Zuweilen stirbt einer weg und wird mit Gesang beerdigt oder mit Freudensgeleite in seine Heimat überführt“ (S. 83). Er schreibt dies im Zusammenhang mit den Seminaristen: im Laufe der vier Jahre am Kloster in Maulbronn versterben ein Paar Seminaristen. Der Gebrauch des Verbes „wegsterben“ lässt den Tod der Seminaristen sehr gleichgültig klingen. Der Satz hätte ohne die Vorsilbe „weg“ in „wegsterben“ genau so viel Sinn ergeben und wäre grammatikalisch auch korrekt. Das „weg“ erschafft keine traurige oder trauende Stimmung, sondern eine sehr genervte Stimmung. Folglich impliziert „weg“, dass das Sterben der Schüler lästig sei. Dies zeigt, dass den toten Schülern nicht der nötige Respekt und die nötige Anerkennung geschenkt wird. Folglich ist dies bei den lebenden Schülern auch nicht der Fall. Dies scheint sehr inhuman, da es sich gehört, allen toten Menschen Respekt und Anerkennung zu zeigen. Zudem fügt der Rhythmus des Satzes zu dieser Inhumanität zu. Die Abwesenheit von Kommas lässt den Leser den Satz in einem Mal lesen, ohne irgendwelche Pausen. Diese Pausen wären ein Moment des Schweigens und deshalb ein Moment, wo man den toten Schülern Respekt verweist. Ohne Pause und Respekt lässt es den Tod der Schüler lästig klingen. Folglich schenkt die Schule, wie schon vorher diskutiert, den toten Schülern keinen Respekt. Dies kritisiert sie.
Letztlich finden gescheiterte Schüler eine ausweglose Situation vor, die nur durch den Tod entkommen werden kann. Nachdem Hans Maulbronn verlässt, beginnt er an einen Suizid zu denken: „Fast jeden Tag begleiteten ihn diese Vorstellungen auf seinen Gängen, er betrachtete sich einzelne, still gelegene Örtlein und fand schließlich einen Platz, wo es sich schön sterben ließ und den er endgültig zu seiner Sterbestätte bestimmte“ (S. 114). Diese Hypotaxe beschreibt die Selbstmordgedanken und Vorbereitungen von Hans im extremen Detail. Ungleich der Romantisierung des Todes wirkt das detaillierte Beschreiben des Selbstmordes sehr unheimlich auf den Leser. Das ironische Verschönern von Ort auf „Örtlein“, ein Diminutiv1, baut nur darauf auf. In diesem Fall wird der Leser dadurch doch ängstlich. Diese Angst nutzt Hesse aus, um dem Leser die ausweglose Situation der gescheiterten Schüler zur wilhelminischen Zeit zu zeigen. Die Schule ist extrem quälend und wenn der direkte Tod nicht als Ausweg genommen wird, ist der gewisse Schüler gescheitert. Eine solche Situation kann man nur durch den Tod beenden. So ist es auch bei Hans, der zwar nicht an seinem Selbstmord stirbt, sondern an einem Unfall, der durch frustrierten Alkoholkonsum entstand. Dies ist natürlich übertrieben, es kritisiert das wilhelminische Schulsystem jedoch immer noch.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Hesse mit dem Motiv des Todes in „Unterm Rad“ das wilhelminische Schulsystem kritisiert. Er tut dies, indem er den Tod einerseits romantisiert und ihn als lyrisches Thema benutzt, jedoch auch durch Angst die Situation der gescheiterten Schüler darstellt, die nur durch Tod dieser Situation entkommen können. Außerdem zeigt Hesse, dass das Schulsystem toten Schülern kein Respekt gewährt und den Tod der Schüler als gleichgültig darstellt. Ich kann die Thesen in einer gewissen Weise nachvollziehen, jedoch lebe ich in einer ganz anderen Zeit. Deshalb kann ich diese Situationen nicht auf mein Leben übertragen.