
Gedicht: Zur Beruhigung (1844)
Autor/in: Heinrich HeineEpoche: Vormärz / Junges Deutschland
Strophen: 8, Verse: 32
Verse pro Strophe: 1-4, 2-4, 3-4, 4-4, 5-4, 6-4, 7-4, 8-4
Wir schlafen ganz, wie Brutus schlief - | ||
Doch jener erwachte und bohrte tief | ||
In Cäsars Brust das kalte Messer! | ||
Die Römer waren Tyrannenfresser. | ||
Wir sind keine Römer, wir rauchen Tabak. | ||
Ein jedes Volk hat seinen Geschmack, | ||
Ein jedes Volk hat seine Größe; | ||
In Schwaben kocht man die besten Klöße. | ||
Wir sind Germanen, gemütlich und brav, | ||
Wir schlafen gesunden Pflanzenschlaf, | ||
Und wenn wir erwachen, pflegt uns zu dürsten, | ||
Doch nicht nach dem Blute unserer Fürsten. | ||
Wir sind so treu wie Eichenholz, | ||
Auch Lindenholz, drauf sind wir stolz; | ||
Im Land der Eichen und der Linden | ||
Wird niemals sich ein Brutus finden. | ||
Und wenn auch ein Brutus unter uns wär, | ||
Den Cäsar fänd er nimmermehr, | ||
Vergeblich würd er den Cäsar suchen; | ||
Wir haben gute Pfefferkuchen. | ||
Wir haben sechsunddreißig Herrn | ||
(Ist nicht zuviel!), und einen Stern | ||
Trägt jeder schützend auf seinem Herzen, | ||
Und er braucht nicht zu fürchten die Iden des Märzen. | ||
Wir nennen sie Väter, und Vaterland | ||
Benennen wir dasjenige Land, | ||
das erbeigentümlich gehört den Fürsten; | ||
Wir lieben auch Sauerkraut mit Würsten. | ||
Wenn unser Vater spazieren geht, | ||
Ziehn wir den Hut mit Pietät; | ||
Deutschland, die fromme Kinderstube, | ||
Ist keine römische Mördergrube. |